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15.09.12 / Niederlande mit in die Ehe gebracht / Eine große Sommerausstellung präsentiert auf Schloss Oranienbaum holländisches Design

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-12 vom 15. September 2012

Niederlande mit in die Ehe gebracht
Eine große Sommerausstellung präsentiert auf Schloss Oranienbaum holländisches Design

Der Einfluss des niederländischen Königshauses hat bis in den Osten Deutschlands abgefärbt. So ist in der Ausstellung, die jetzt in dem zum Weltkultur­erbe gehörenden Oranienbaum bei Dessau gezeigt wird, beinahe alles in Orange gehalten.

Wer die Dessau-Wörlitzer Eisenbahn nimmt, um nach Oranienbaum zu gelangen, steht nach dem Aussteigen recht verloren vor dem kleinen Bahnhof. Kein Hinweis auf das Schloss weit und breit. Vielleicht, weil man aus dieser Richtung den Schlossgarten durch die Hintertür betritt. Und die ist nicht weit entfernt: Ein Stück Straße, ein Trampelpfad durchs Wäldchen und schon steht man vor dem Eingang und der herrlich langen Rhododendrenallee, die schnurgerade zum Schloss führt.

Zeit genug, um sich mit dem für Henriette Catharina (1637– 1708), Gattin des Fürsten Johann Georg II. von Anhalt-Dessau (1627–1693), errichteten Schloss vertraut zu machen. Kein Prunkbau liegt da vor einem, sondern eher ein vornehmer Landsitz – besonders aus der Parkperspektive. Der Grundstein zu dem Barockbau wurde am 8. Juli 1683 gelegt. Architekt war Cornelis Ryck­waert, der sich bereits durch den Bau der brandenburgischen Schlösser Sonnenburg in der Neumark und Schwedt an der Oder empfohlen hatte. Auch am Bau von Schloss Coswig an der Elbe war er beteiligt.

Ryckwaert war Niederländer wie Henriette Catharina selbst. Denn ihr Vater, Friedrich Heinrich von Oranien-Nassau, war Statthalter der Vereinigten Niederlande und hatte seine vier Töchter mit deutschen Fürsten verheiratet. Friedrich Wilhelm von Brandenburg, den man später den Großen Kurfürsten nennen sollte, heiratete 1646 Louise Henriette von Oranien-Nassau. Er schenkte ihr das brandenburgische Bötzow, wo sich Louise aus eigenen Mitteln Schloss Oranienburg bauen ließ. Später nahm auch Bötzow diesen Namen an.

In brandenburgischem Militärdienst stand Fürst Johann Georg II. von Anhalt-Dessau. 1659 heiratete er Henriette Catharina von Oranien-Nassau, Louises Schwester. Bis 1667 lebte das Paar vor allem in Berlin, wo auch ihre ersten Kinder geboren wurden. Als Hochzeitsgeschenk hatte Henriette Catharina den Landsitz bei Nischwitz erhalten. 1673 wurde auch er zu Ehren der Oranierin in Oranienbaum umbenannt.

Gleichzeitig mit Oranienbaum wurde Schloss Oranienstein bei Diez gebaut, wo Henriette Catharinas Schwester Albertine Agnes als Fürstin von Nassau- Diez lebte. Marie Henriette, die Jüngste, ließ wenig später als Pfalzgräfin von Simmern ihren Witwensitz Oranienhof bei Bad Kreuznach errichten. Es ist das einzige der vier Oranierinnen-Schlösser, das nicht mehr existiert. Allen vier Schwestern begegnet man in einem zeitgenössischen Gruppenporträt in der Ausstellung.

Heute sind Schloss und Park Oranienbaum Bestandteil des Unesco-Welterbes „Gartenreich Dessau-Wörlitz“. Passiert man die Seitenflügel und die Fachwerkbauten der Kavaliershäuser auf dem Weg zur repräsentativen Stadtseite, ist nicht zu übersehen, dass die Renovierung des Schlosses noch viele Jahre in Anspruch nehmen wird. Nach jahrzehntelanger Nutzung als Archiv wird das Schloss seit 2002 komplett restauriert. Die Sanierung steht unter der persönlichen Schirmherrschaft von Königin Beatrix und des Bundespräsidenten. Immerhin ist sie schon so weit fortgeschritten, dass Oranienbaum bei den Dreharbeiten für das Dokudrama „Friedrich – ein deutscher König“ mit Katharina und Anna Thalbach in einigen Szenen sogar als Ersatz für Sanssouci dienen konnte.

Nicole Uniquole, die Kuratorin der opulenten Sommer-Ausstellung „Dutch Design – Huis van Oranje“, die Oranienbaum mit einem Paukenschlag aus seinem 200-jährigen Dornröschenschlaf erweckt hat, gerät sogar völlig ins Schwärmen, wenn sie von dem Restaurierungsprojekt als Ausstellungsort spricht: „Ich liebe das Schloss, denn es ist nicht überrestauriert.“ So könnte man es auch nennen. Eines ist jedoch sicher, die kahlen Räume lenken nicht von den präsentierten Objekten ab. Sie kommen voll zur Geltung. Und je länger man die 50 Ausstellungs-Kabinette vom Dachboden bis in den Keller durchschreitet, desto mehr muss man Nicole Uniquole Recht geben. Für die Verbindung von Alt und Neu, von historischen Exponaten aus dem Königlichen Hausarchiv in Den Haag und zeitgenössischen niederländischen Design- und Modeobjekten ist der Zustand des Schlosses nicht unpassend.

Dennoch, jede Spur vom alten Glanz lässt das Herz höher schlagen. Diesen findet man im Goldledertapeten-Saal, der nach Oranienburger Vorbild eine Porzellangalerie beherbergt und jetzt mit einem Service aus dem Besitz des niederländischen Königs Wilhelm II. prunkt, sowie in dem im Keller gelegenen Sommerspeisesaal. Mit seinen blauen Fliesenwänden ist er in dieser Funktion einzigartig und überrascht derzeit mit Kostümen nach historischen Vorbildern, die Studenten der Königlichen Kunstakademie in Den Haag in mühevoller Handarbeit extra für die Ausstellung angefertigt haben. Durch die mundgeblasenen Kristallobjekte und extravaganten Spiegel des Glaskünstlers Bernard Heesen erhält auch der Spiegelsaal für kurze Zeit seinen Glanz zurück. Denn von der Original-Ausstattung hat sich nur die üppige barocke Stuckdecke erhalten.

Unübertroffen aber ist die holde Weiblichkeit, der man immer wieder tief ins Dekolletee blicken kann. Wie ein roter Faden ziehen sich die exquisiten Porträts der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz von oranischen Frauen und anderen fürstlichen Hoheiten durch die Ausstellung. In edle Kleider gehüllt, mit kostbaren Juwelen geschmückt, werden sie in Beziehung zu Gegenwartsschmuck und zeitgenössischer Mode gesetzt. Genauer betrachtet, sind die extravaganten Kreationen eine Antwort auf die höfische Exaltiertheit. Heute stellen sich Pop-Stars mit solchen Modellen zur Schau. Das mit Swarowski-Kristallen besetzte, rosa Pailletten bestickte und markantem Schmuckobjekt auf der rechten Schulter „gepanzerte“ Abendkleid schuf der holländische Modedesigner Jan Taminiau für die US-Sängerin Lady Gaga.

Schon jetzt hat Kuratorin Nicole Uniquole Oranienbaum für die kommenden Jahre fest verplant. 2013 soll die wertvolle Fächersammlung aus dem niederländischen Königshaus die Hauptattraktion bilden, wieder ergänzt durch hochwertiges zeitgenössisches niederländisches Design. Der erfolgreiche Auftakt wird sie beflügeln. Bereits eine Woche nach der Eröffnung wurden rund 5000 Besucher gezählt. Das ist die größte Nachfrage, die die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz seit ihrer Wiederbelebung im Jahr 1994 nach einer Vernissage zu verzeichnen hat. Helga Schnehagen


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