20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.09.12 / Scharfe Attacke gegen Merkel / Höhlers Analyse der CDU-Chefin bietet einige wertvolle Erkenntnisse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-12 vom 15. September 2012

Scharfe Attacke gegen Merkel
Höhlers Analyse der CDU-Chefin bietet einige wertvolle Erkenntnisse

Wenn sich die Kommentatoren in den Medien so massiv gegen einen Autoren wenden, dann ist man versucht, sich auf dessen Seite zu stellen. Thilo Sarrazin hat diesen Schutz auch verdient, doch wie sieht es mit Gertrud Höhler aus? Mit ihrer Merkel-Abrechnung „Die Patin. Wie Angela Merkel Deutschland umbaut“ hat sie viel Widerspruch ausgelöst. Um ein differenziertes Urteil zu fällen, muss man das Buch aber ganz lesen, was bei vielen Kommentatoren offenbar nicht der Fall war. Danach bleiben viele gemischte Gefühle zurück. Ja, die Literaturwissenschaftlerin und langjährige engagierte CDU-Unterstützerin Höhler beschreibt Merkels Handeln und Politik sehr gut. Doch, dies vorweg, ihr Tonfall, ihre unangenehm auffallende Aggressivität und ihre vielen Wiederholungen, die wohl das Gesagte unterstreichen sollen, nehmen ihrer durchaus weitgehend zutreffenden Analyse die Wirksamkeit. Bei der 71-jährigen Autorin haben sich zudem offenbar viele ungute Emotionen aufgestaut, die vermutlich viel mit Frust und Hilflosigkeit zu tun haben. So manchem Anhänger der CDU dürfte es aber ähnlich gehen, da viele alte Christdemokraten ihre Partei inzwischen nicht mehr wiedererkennen, und daher dürften sie mit Höhler mitfühlen.

Höhler beginnt ihre Ausführungen mit Merkels Saunagang am Tage des Mauerfalls. Während andere sofort an die offenen Grenzen rannten und ihre Freiheit feierten, soll die heutige Kanzlerin erst einmal ihren wöchentlichen Saunagang beendet haben. Zur Politik fand die Physikerin zudem erst, als für sie keine Gefahr mehr bestand, so Höhler, die damit hervorheben wolle, dass die von ihr Porträtierte nicht so sehr von Überzeugungen getragen sein kann. „Merkels Erfolgsgeheimnis ist, so sonderbar das klingt, ihre Distanz zu allen Verbindlichkeiten, hier wie dort. Aufstieg in Umbrüchen kennt zwei Quellen: Vision und Bindungslosigkeit“, so das nüchterne Fazit der Autorin.

Nachdem sie Merkels Kampf an die Spitze der CDU geschildert hat, nimmt sich Höhler der „Ankündigungspolitik“ der Kanzlerin an. So habe sie der CDU durchaus eine Rückkehr zu den Werten der Partei versprochen, doch Details blieben aus, genauso wie die Umsetzung dieser Rückkehr. Stattdessen wurde die Partei „modernisiert“, sprich nach links gerückt, indem die CDU-Chefin ihrer Partei Stück für Stück Markenkerne anderer Parteien aufdrückte, die das Profil der CDU, aber auch der Konkurrenz aufweichten. Doch dieser Kritik von Höhler an Merkel ist hinzuzufügen, dass offenbar weder in der Partei noch in der Opposition oder gar im Volk jemand Merkel gebeten hat, Rechenschaft fürihr Tun abzulegen. Niemand hat widersprochen und wenn, dann nur vereinzelt. Fragt sich also, ob Merkel das Problem ist oder die Gesellschaft, die sie gewähren lässt. Doch für Höhler ist es klar, dass Merkel die Böse ist. Angeblich hätten Journalisten nie tief nachgefragt, weil Merkel, die in der DDR Sozialisierte, etwas Fremdes ausstrahle. Da mag wohl etwas dran sein, doch für eine Erklärung ist diese These absolut nicht geeignet, da zu marginal.

Da Merkel sich nie festlege, aber dem Bürger den Eindruck vermittle, irgendwie würde alles schon wieder gut werden, träfe sie die Gemütsverfassung der Deutschen und bekäme so die Mehrheit hinter sich, so die Autorin. Ja, Merkels Beliebigkeit und ihr Bemühen um Ausgleich führen in der Tat dazu, dass sie so erfolgreich ist. Dass die damit einhergehende „Werte-Immunität“, wie Höhler schreibt, jedoch an kein Ziel führe, sondern einfach nur irgendwohin, wo der Zufall einen hinspüle, ist den wenigsten Bürger bewusst.

Höhler zitiert Bundespräsident Joachim Gauck, der über Merkel gesagt haben soll: „Ich respektiere sie, aber ich kann sie nicht richtig erkennen.“ Dieser Umstand, dass man Merkel nicht packen kann, die „Frau aus dem Anderland“, wie Höhler Merkel des öfteren nennt, nicht klar zu charakterisieren vermag, macht die Autorin im Grunde fuchsteufelswild. Die ehemalige Unternehmensberaterin will die Ecken der Kanzlerin definieren, doch mit ihrer Beliebigkeit macht diese alle Ecken rund. Und so sind bisher alle Gegner an Merkel abgeprallt. Ob jedoch, wie von Höhler unterstellt, pure Machtgier Merkel so beliebig sein lässt oder ob es schlicht der Charakter der Kanzlerin ist, darüber mag man streiten.

„Weniger demokratisches Ringen im Wettbewerb schmälert auf jeden Fall die Chancen der gesuchten besten Lösung – gelegentlich sogar die Chancen der Wahrheit. Nur weil alle Lager zustimmen, wird ein Beschluss nicht tragfähiger“, warnt Höhler voller Inbrunst. Dem ist nichts hinzuzufügen. Rebecca Bellano

Gertrud Höhler: „Die Patin. Wie Angela Merkel Deutschland umbaut“, orell füssli, Zürich 2012, gebunden, 295 Seiten, 21,95 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren