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15.09.12 / Tödlicher Müll / Über die illegale Entsorgung von Industrieabfällen – Es geht um viel Geld

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 37-12 vom 15. September 2012

Tödlicher Müll
Über die illegale Entsorgung von Industrieabfällen – Es geht um viel Geld

Das schmutzige Geschäft mit der illegalen Beseitigung von gefährlichem Müll aus den westlichen Industriestaaten gehört zu den schwersten Umweltverbrechen überhaupt. Weltweit wird ununterbrochen Industriemüll produziert, vorwiegend toxische Schlacken, Krankenhausmüll und radioaktive Abfälle. Eine legale Entsorgung vermeiden große Unternehmen häufig zugunsten der wesentlich günstigeren Beseitigung über dunkle Kanäle, die in Europa vorwiegend von italienischen Müllunternehmen gesteuert werden. In der Vergangenheit gelangte der Giftmüll zunächst größtenteils in arme Dritteweltländer, wurde vergraben oder im Meer versenkt. Soweit noch auffindbar, mussten die Rückstände später nach Italien zurückgeholt werden. Skrupellose Transport- und Bauunternehmen ließen die gefährlichen Stoffe anschließend in Naturparadiesen oder beim Bau von öffentlichen Gebäuden wie Schulen verschwinden, oft mithilfe der Mafia-Clans. Dass man heute die Ereignisse nachvollziehen kann und zahlreiche dieser Verbrechen bekannt geworden sind, ist den Nachforschungen einzelner Journalisten, Ermittler und Aktivisten zu verdanken. Mehrere bezahlten für ihren mutigen Einsatz sogar mit dem eigenen Leben. In dreijähriger Recherche gelang es den Journalisten Sandro Mattioli aus Deutschland und Andrea Palladino aus Italien, die langfristigen Abläufe zahlreicher hochkrimineller Aktionen zu rekonstruieren. Davon berichten sie in ihrer erschütternden Reportage mit dem Titel „Die Müll-Mafia. Das kriminelle Netzwerk in Europa“.

Was sie am meisten überrascht hat, ist die Tatsache, dass außer Politikern und Beamten auch Geheimdienste und das Militär zum mafiösen Netzwerk gehören. Eines der Kernländer des europäischen Müllnetzwerks ist die Schweiz, wo der Greenpeace-Aktivist Stefan Weber sich dafür einsetzt, dass die EU umweltschädliche Entsorgungspraktiken endlich sanktioniert. Besonders bedrückend sind die Nachrichten über eine Vielzahl versenkter Müllschiffe, die nun als tickende Zeitbomben in der Tiefsee lagern.

Hauptsächlich haben die Autoren über Fälle in Italien recherchiert, bei denen die Ermittlungen bisher von höchster Stelle behindert wurden. Zugunsten des besseren Verständnisses wird in Zeitsprüngen berichtet. Alles begann, nachdem infolge der Seveso-Katastrophe von 1976 europaweit Gesetze erlassen wurden, um gefährlichen Müll gesondert zu entsorgen. Seither boomt das illegale Geschäft.

Das Buch ist in vier Kapitel unterteilt, die „Kalabrien“, „Italien“, „Afrika“ und „Global“ überschrieben sind. Jeweils folgen die Autoren darin den Spuren von Ermittlern, die vor Jahren wertvolle Aufklärungsarbeit leisteten. So organisierte der kalabresische Steuerberater Gianfranco Posa eine Bürgerrechtsbewegung, durch die schließlich Tausende dazu motiviert wurden, von den Behörden die Aufklärung über die Ereignisse um das 1990 vor Amantea gestrandete Giftmüllschiff „Jolly Rosso“ zu fordern.

Das vielleicht düsterste Kapitel ist „Afrika“; hier werden die Müll- und Waffenexporte aus Europa nach Somalia unter die Lupe genommen. Es ist der norditalienischen Journalistin Ilaria Alpi gewidmet, die im März 1994 mit ihrem Kameramann Miran Hrovatin nach Mogadischu flog, um Hinweise auf illegalen Handel und die Entsorgung von radioaktiven Stoffen in somalischen Landstrichen zu sammeln. Am 20. März 1994 wurden beide in ihrem Wagen von mehreren bewaffneten Männern erschossen. Von italienischer Seite wurden keine Ermittlungen aufgenommen, die Attacke wurde als Raubüberfall bezeichnet und scheinbar für immer zu den Akten gelegt. Bis heute kämpft Alpis Mutter für die Aufklärung der Ereignisse. Dagmar Jestrzemski

Sandro Mattioli, Andrea Palladino: „Die Müll-Mafia. Das kriminelle Netzwerk in Europa“, Herbig, München 2011, geb., 255 Seiten, 19,99 Euro


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