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22.09.12 / »Er kannte keine Standesdünkel« / Interview mit der Kuratorin Christina Schmidt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-12 vom 22. September 2012

»Er kannte keine Standesdünkel«
Interview mit der Kuratorin Christina Schmidt

PAZ: Die von der Firma „ago austellungen“ im Auftrag des Landesarchiv Schleswig-Holstein gemachte Ausstellung „Prinz Heinrich von Preußen: Großadmiral, Kaiserbruder, Technikpionier“ hat auch ein wenig von den bisher kaum gesichteten Aktenbergen des Hofmarschallamtes profitiert. Was hat man sich unter dem Hofmarschallamt vorzustellen?

Christina Schmidt: Das Hofmarschallamt war eine Kleinstbehörde, die 1880 mit Volljährigkeit des Prinzen eingerichtet wurde. Vorsteher war der Hofmarschall. Dieser und die übrigen Angestellten des Amts waren mit der Abwicklung und Organisation aller Angelegenheiten Heinrichs befasst, wie der Planung von Reisen, der Ausrichtung von Banketten und Bällen aber auch der Bezahlung von Rechnungen und der Inventarisierung des Bestandes der Residenz Kieler Schloss.

PAZ: Wieso sind diese Akten bisher nicht gesichtet worden und womit beschäftigen sie sich überhaupt?

Schmidt: Das Aktenmaterial, das insgesamt 47 Regalmeter füllt, hat bereits in Einzelteilen Eingang in verschiedene Publikationen gefunden, aber wirklich umfassend hat sich noch kein/e Historiker/in mit dem Bestand auseinandergesetzt. Die Ausstellung liefert diesbezüglich erstmals einen wesentlichen Ansatz. Derzeit sind außerdem zwei Promotionsschriften in Arbeit, die sich sowohl mit dem Prinzen hinsichtlich seiner Karriere als Seeoffizier wie auch seiner Technikaffinität auseinandersetzen. Dafür bilden die Akten des Hofmarschallamtes natürlich den wesentlichen Grundstock. Sie umfassen unter anderem Verwaltungs-, Kassen-, Haushalts- und Steuersachen, Unterlagen zu Zeremonialangelegenheiten, Reisen, Ehrenämtern und Protektoraten, aber auch das berühmte Patent für den Autoscheibenwischer, das er 1908 eingereicht hat.

PAZ: Ihre Ausstellung scheint die erste zu sein, die sich mit dem Bruder von Kaiser Wilhelm II. auseinandersetzt. Was fasziniert Sie als Kuratorin an dem von Ihnen Porträtierten?

Schmidt: Prinz Heinrich galt und gilt bis heute im Allgemeinen als ein sehr sympathischer herzlicher Mensch. Für mich war wesentlich, dieses Bild auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen. Ich wollte herausfinden, ob er wirklich eine so aufgeschlossene und zugängliche Persönlichkeit war, wie häufig behauptet wird, oder ob wir ihn heute glorifizieren. Tatsächlich hat sich bei meiner Recherche vieles bestätigt. Er scheint ein sehr umgänglicher Mensch gewesen zu sein, mit einem gewissen schwarzen Humor, ging mit wachen Augen durchs Leben und wusste es trotz aller Pflichten zu genießen. Er kannte keine Standesdünkel. So hat er zum Beispiel jahrelang gemeinsam mit dem Hamburger Kaufmann Carl Krogmann mehrere Segelyachten unterhalten und an zahlreichen Regatten teilgenommen. Der Kaiserbruder und ein Angehöriger des – wenn auch gehobenen – Bürgertums auf Du und Du in einem Boot? Das war damals schon ungewöhnlich.

Aber wie bei jedem Menschen sind auch bei dem Prinzen schwarze Flecken auf der reinen weißen Weste zu finden. Er hat zum Beispiel sehr viel geraucht und getrunken, sogar so viel, dass einige Angehörige der Marine die Nase über seinen Alkoholkonsum rümpften. Whisky und Champagner waren seine bevorzugten Getränke. Auch darf nicht beschönigt werden, dass er als Oberbefehlshaber der Ostseestreitkräfte am Ersten Weltkrieg beteiligt war und er somit den Tod vieler Menschen mit zu verantworten hat. Wie das gesamtdeutsche Volk war auch er von einem tiefen nationalen Kriegsgeist beseelt. Zu guter Letzt hat er außerdem von seinem Bruder Wilhelm, dem er fast schon hörig war, eine antisemitische Haltung übernommen und den Juden die Schuld am Krieg und dem damit zusammenhängenden Untergang des Kaiserreichs gegeben.

PAZ: Was bietet die Ausstellung besonderes?

Schmidt: Die Ausstellung ist als Gesamtschau konzipiert. Mir als Kuratorin war es wichtig, alle wesentlichen Bereiche des Lebens Heinrichs zu beleuchten. So wird sich in den drei Räumen sowohl der öffentlichen Person, dem Privatmenschen und dem Techniker gewidmet. Eine derartig umfassende Darstellung war nur dank unser zahlreichen Leihgeber möglich. So hat beispielsweise die Familie des Prinzen sowie der Enkel des einstigen Chauffeurs Heinrichs Objekte für unser Vorhaben zur Verfügung gestellt. Zusammen mit dem Aktenbestand des Landesarchivs weißt die Ausstellung dadurch eine ungewöhnlich hohe Dichte an Exponaten auf, welche die Öffentlichkeit bislang noch nie zu Gesicht bekommen hat.

PAZ: Welche Rolle spielte Heinrich bei der Kaiserlichen Marine und bei der Flottenpolitik des Kaisers?

Schmidt: Erstaunlicherweise hat Prinz Heinrich hinsichtlich der Flottenpolitik Kaiser Wilhelms II. keine sehr große Rolle gespielt, zumindest keine aktive. Er hat gemacht, was sein Bruder ihm gesagt hat. So hat Wilhelm ihm 1899 das Protektorat über den Deutschen Flottenverein übertragen, aber im Gegensatz zu manch anderen Vereinigungen, dem der Prinz ebenfalls als Schirmherr vorstand, hat er sich hier nie großartig eingebracht. Sein persönliches Engagement hielt sich sehr in Grenzen. Grundsätzlich hatte Heinrich bei derartigen Angelegenheiten wie dem Ausbau der kaiserlichen Marine kein Mitspracherecht und er versuchte auch nie, sich darüber hinweg zu setzen.

PAZ: 2013 gibt auch ein Buch über Prinz Heinrich. Was erwartet den interessierten Leser?

Schmidt: Der Band wird eine Verschriftlichung unserer Vortragsreihe sein, die wir begleitend zur Ausstellung veranstalten. Die zehn Aufsätze befassen sich mit den unterschiedlichsten Aspekten, wie mit der Marinelaufbahn des Prinzen, seinem Verhältnis zu Wilhelm II. sowie seinem Sommer- und späteren Altersitz Gut Hemmelmark. Die letzten Publikationen zu Prinz Heinrich liegen schon einige Jahrzehnte zurück. Vieles muss revidiert oder in ein klareres Licht gerückt werden. Die Beiträge stammen von namhaften Wissenschaftlern, darunter John C. G. Röhl oder Volker Berghahn. Ergänzend zu den Aufsätzen enthält das Buch umfangreiches Bildmaterial von Gegenständen und Dokumenten, die in der Ausstellung zu sehen sind, sowie von Exponaten, die wir aus restauratorischen Gründen leider nicht präsentieren konnten.


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