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22.09.12 / Opas bibelfestes Enkelcamp / Wo einst die Honeckers Unterschlupf fanden, ist jetzt Kids-Alarm

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 38-12 vom 22. September 2012

Opas bibelfestes Enkelcamp
Wo einst die Honeckers Unterschlupf fanden, ist jetzt Kids-Alarm

Sie haben schon 60 Enkel, das 61. ist bereits unterwegs. Das Ehepaar Holmer zählt zu den etwas anderen Großeltern. Jeden Sommer laden sie die Enkel-Schar zu einer Sommerfreizeit ein, während der sie fünf Tage in einem christlich geprägten Camp leben.

Bekannt wurden Christine und Uwe Holmer, als sie im Winter 1990 das Ehepaar Honecker kurz nach der Wende bei sich im Pfarrhaus in Lobetal aufnahmen. Aufgebrachte DDR-Bürger hätten damals an den ehemaligen Regenten des Unrecht-Regimes am liebsten Selbstjustiz geübt. Es kam zu Demonstrationen vor dem Haus der Holmers. Auch die zehn Kinder des Pastorenehepaars hatten unter der Volksbildungsministerin Margot Honecker zu leiden. Acht von Ihnen durften kein Abitur machen und nicht studieren.

Pastor Holmer schrieb damals viele Protestbriefe an das Ministerium. Als jedoch die Honeckers keine Bleibe mehr hatten, stimmte das Pfarrerpaar der zeitweiligen Aufnahme in ihrem Haus uneigennützig zu. So würden sie ja jeden Sonntag in der Kirche beten, „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Da könne man seinem Zorn nicht ewig nachhängen.

An die Zeit vor 20 Jahren denken die Holmers kaum noch, wenn sie im Sommer auf einem Bootssteg am Krakower See in Mecklenburg sitzen. Am liebsten hält sich hier der heute 83-Jährige Pastor auf, wenn er für seine 60 Enkel die Abendandacht hält.

Vor 13 Jahren, wenige Jahre nach dem Eintritt in den Ruhestand, hatte das Ehepaar die Idee, seinen Enkelkindern eine Freizeit anzubieten. „Ich evangelisiere überall, nur bei meinen Enkeln nicht“, erinnert sich der Pastor. So erzählt der unruhige Ruheständler heute seinen Nachkommen von seinem Leben, liest biblische Geschichten vor und predigt über den allmächtigen Gott, der einen guten Plan für jeden hat.

Doch auch kritische Themen spricht er an. Um Sexualität ging es beispielsweise diesen Sommer. Dass Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen habe, davon ist ebenso die Rede wie von dem Problem der Pornographie. „Schaut euch diesen Mist nicht an, die Bilder werdet ihr später nicht mehr los“, ermahnt Holmer seine Enkel.

Man könne über diese Dinge nicht früh genug reden, findet er. Solange die Kinder noch nicht direkt betroffen seien, lasse sich leichter darüber reden. Die Sehnsucht nach dem anderen Geschlecht habe Gott in den Menschen gelegt. Daher sollten Kinder zuverlässige Informationen am besten von Eltern oder Großeltern bekommen.

Nach der Abendandacht zieht sich das Ehepaar Holmer zum Schlafen zurück, während bei den Enkeln das Treiben noch munter weitergeht: „Wir müssen Kraft tanken, schließlich sind wir ja nicht mehr die Jüngsten, sagt der Pastor und lächelt verschmitzt.

Die Abendandacht und eine morgendliche Bibelarbeit sowie die Essenszeiten unter einem großen Zelt sind die festen Programmpunkte des Holmerschen Enkelcamps. Da gibt es viel zu organisieren. Essen muss eingekauft, gekocht und zum Grillplatz gebracht werden. Die älteren Enkel packen fleißig mit an, keiner beklagt sich. Fußball, Volleyball oder andere Spiele stehen am Nachmittag auf dem Programm. Durch die große Zahl der Enkel lassen sich mühelos mehrere Mannschaften bilden.

Wer von den Enkeln den fünften Geburtstag gefeiert hat, darf mit auf das Sommerlager. Doch auch die schon über 20-Jährigen lassen sich das Camp nicht entgehen, wenn sie nicht gerade im Ausland sind: „Es ist immer toll, alle Cousinen und Cousins zu treffen“, sagt die 23-jährige Marie, die gerade ein Jahr in den USA verbracht hat. Die Kleinen allerdings behalten bei der weitverzweigten Verwandtschaft nicht immer den Überblick. „Ich kenne gar nicht alle“, beklagt sich die siebenjährige Jette.

Traurig sind aber alle, wenn das Oma-Opa-Enkelcamp nach nur fünf Tagen an einem Sonntag mit einem Gottesdienst endet. Dann holen die Eltern ihre Kinder wieder ab. Dieser Tag ist aber auch ein Fest, weil dann die ganze Großfamilie zumindest einmal im Jahr fast vollständig zusammen ist. Für die Großeltern gehen anstrengende und schöne Tage zu Ende. Doch klagen wollen die Holmers nicht: „Wir sind dankbar, dass wir das noch können.“

Und natürlich freuen sich alle auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr − dann ja vielleicht mit Enkel Nr. 62? Hinrich E. Bues


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