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29.09.12 / Peking pfeift Demonstranten zurück / Eine Eskalation im Inselstreit mit Japan hätte für beide Länder gravierende wirtschaftliche Folgen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-12 vom 29. September 2012

Peking pfeift Demonstranten zurück
Eine Eskalation im Inselstreit mit Japan hätte für beide Länder gravierende wirtschaftliche Folgen

Im neu entflammten Streit um eine Inselgruppe im Ostchinesischen Meer gehen zehntausende Chinesen gegen Japan auf die Straße. Nun pfeift Peking die aufgebrachten Massen zurück. Denn eine Eskalation in dem historischen Territorialkonflikt nützt keiner der beiden Parteien.

Zu den Mysterien der chinesischen Außenpolitik gehört die ungeheure Aggressivität, mit der das aufstrebende Riesenreich den Streit um völlig unbedeutende Grenzstreifen und Inselchen durchzieht. Das war schon zu Maos Zeiten so: 1962 ein blutiger Grenzkrieg mit Indien um die völlig unterentwickelte Dschungelprovinz Arunchal Pradesch, das die Chinesen sinnigerweise Südtibet nennen, 1969 die Grenzkämpfe um den Ussuri mit der Sowjetunion und später (1979) der Grenzkrieg mit Vietnam, den China beinahe verlor. Das harte Auftreten hat oft Erfolg. So trat Putin in seiner ersten Amtszeit seinen chinesischen Freunden die umstrittenen Ussuri-Inseln und die Überschwemmungsgebiete des Amur-Zuflusses trotz des Protestes der ostsibirischen Gouverneure einfach ab. Auch Kirgisien verzichtete nach chinesischem Druck auf einige unbewohnte, kahle Gebirgszüge. Großbritannien und Portugal gaben 1997 sang- und klanglos Hongkong und Macao zurück.

Jetzt beansprucht China weiter das von tibetischen und thaiburmesischen Stämmen bewohnte nordostindische Arunchal Pradesch, aber auch den Großteil des Südchinesichen Meeres bis zum Äquator, dessen Atolle und unbewohnte Inseln näher an Vietnam, den Philippinen, Malaysia, Brunei und Indonesien, liegen und von diesen auch beansprucht werden. Schließlich fordert China die Rückgabe der seit 1885 in japanischen Besitz befindlichen unbewohnten Sentaku Inseln, die als Teil der Präfektur Okinawa nördlich von Taiwan liegen.

In den 1930er Jahren hatten dort gelegentlich japanische Fischer vor Stürmen Zuflucht gesucht und im Sommer ihren Fang getrocknet. 1945 nahmen die Amerikaner die Inseln zusammen mit dem von ihnen blutig eroberten Okinawa in Besitz und gaben alles 1972 an Japan zurück. Das störte China zunächst einmal überhaupt nicht. Erst als in den 80er Jahren unter dem die Sentaku umgebenden Meeressockel Gasvorkommen entdeckt wurden, behauptete China, die Inseln seien seit Urzeiten chinesisches Territorium, das von Japan illegal besetzt sei. Das Thema kochte hoch, als bekannt wurde, dass die japanischen Eigentümer drei der fünf Inseln verkaufen wollten. Als erstes meldete Shintaro Ishihara, der nationalpatriotische Gouverneur von Tokio, sein Interesse an. Er bot 20 Millionen Euro und versprach, die Inseln mit Häfen, Leuchttürmen, Rettungsstationen und Herbergen ordentlich zu entwickeln. Die Angst, damit die Chinesen zu provozieren, rief die Regierung von Premier Yoshihiko Noda auf den Plan. Sie überbot Ishihara und ist nun stolzer Besitzer der Inseln, die sie jetzt weiter unberührt in friedlicher Ruhe lassen will.

Doch statt die Chinesen zu beruhigen, bewirkte dies genau das Gegenteil. Trotz Erklärungen und Beschwichtigungen der japanischen Seite verkündeten Pekinger Regierungssprecher, der Kauf sei nichtig und illegal, stelle eine Verletzung der territorialen Integrität Chinas dar und werde Konsequenzen haben. Die traten sofort ein. Die KP gab das Internet für antijapanische Agitation frei – prompt wurde dort zur Zerstörung japanischen Eigentums und zum Krieg aufgerufen. Auch wurden erstmals wieder seit den anti-japanischen Krawallen, für die die von einschlägigen Geschichtsbüchern verhetzten Chinesen gegen den verhassten erfolgreicheren Nachbarn immer zu haben sind, die Straßen für Demonstrationen freigegeben. So wurde die japanische Botschaft in Peking sofort von 20000 Demonstranten belagert. Bei einem versuchten Sturm gelang es ihnen jedoch nicht, den 2000 Mann starken Polizeikordon zu durchbrechen. Doch wurden die Botschaft ebenso wie alle Konsulate Japans mit Eiern und Farbflaschen reichlich eingedeckt. Im ehemals deutschen Tsingtao wurden das Panasonic-Werk von den eigenen Arbeitern angezündet und die Schauräume von Toyota und Honda demoliert. Japanische Restaurants und Geschäfte hissten die chinesische Flagge, um sich durch den Ausweis patriotischer Gesinnung zu schützen.

Nach einigen Tagen drehte die Pekinger Führung den anti-japanischen Volkszorn wieder ab. Es bleiben jedoch die Aufrufe zum Boykott japanischer Produkte, die als Markenartikel meist gut sichtbar sind, in den Staatsmedien. Das Staatsfernsehen stellte alle Werbeschaltungen für japanische Waren ein. Die nationale Fremdenver­kehrsagentur befahl den Reisebüros, alle Japanreisen, die für die nationale Urlaubswoche Anfang Ok-tober gebucht worden waren, abzusagen. Der Zoll begann, alle Warensendungen von und nach Japan besonders gründlich und langsam zu prüfen. Dazu wurde bald in New York das Gerücht gestreut, das chinesische Schatzamt wolle alle japanischen Staatsanleihen in seinem Besitz auf einen Streich auf den Markt werfen.

Keine Frage, bei einem gegenseitigen Handel mit einem Volumen von umgerechnet 300 Milliarden Euro jährlich sind die Abhängigkeiten zu groß, um den Streit um die menschenleeren Inseln über Gebühr willentlich eskalieren zu lassen. Ohnehin ist Japan entschlossen, sich nicht provozieren zu lassen, zumal auch die amerikanische Schutzmacht beim jüngsten Besuch von Verteidigungsminister Leon Panetta deutlich klarmachte, dass sie derzeit Ruhe in Fernost will. Die chinesische Wirtschaft leidet unter dem Einbruch der Exportmärkte in Europa und Nordamerika. Die Überkapazitäten sind groß, die Lager voll und die Unternehmensgewinne schrumpfen. Die Börsenwerte sind auf ein Drittel der Spitzenwerte von 2007 gefallen.

Der Krawall mit Japan war sicher willkommen, um von diesen Schwierigkeiten und den Machtkämpfen in der Kommunistischen Partei Chinas vor deren 18. Parteitag, bei dem eine neue Führung vorgestellt wird, abzulenken, aber die chinesische Wirtschaft, deren größter Auslandsinvestor Japan ist, darf er trotzdem nicht ernsthaft schädigen. Die Frage ist, ob dies die Japaner ebenso sehen, und ob sie ihre Investitionen nicht doch beschleunigt nach Südostasien, wo sie willkommener und sicherer sind, verlegen werden. Diese Frage wird derzeit in allen japanischen Führungsetagen aufgeworfen und es gibt keinen Zweifel über die Antwort. Albrecht Rothacher


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