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29.09.12 / Konzept zur Entmachtung der Politik / »Geistiger Vater des Euro« sieht in der Währungskrise Chance zu radikalisierter Marktwirtschaft in der EU

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-12 vom 29. September 2012

Konzept zur Entmachtung der Politik
»Geistiger Vater des Euro« sieht in der Währungskrise Chance zu radikalisierter Marktwirtschaft in der EU

Relativ ungewöhnlich erscheint der Gedanke, dass es noch jemanden geben könnte, der den bisherigen Verlauf der europäischen Währungsunion als vollen Erfolg wertet. Ein einflussreicher Nobelpreisträger ist allerdings genau dieser Ansicht – es ist der „geistige Vater“ des Euro, Robert Mundell.

Das Vertrauen der Deutschen in den Euro scheint mittlerweile auf einem Tiefpunkt angelangt zu sein. Gemessen an den Versprechen, die vor allem den Deutschen zu Beginn der europäischen Währungsunion gemacht worden waren, ist der Euro tatsächlich grandios gescheitert. Dass ein am Rande des Abgrunds balancierender Euro allerdings genau das ist, was jemand beabsichtigt haben könnte, mag zunächst etwas gewöhnungsbedürftig erscheinen: „Die Idee, dass der Euro fehlgeschlagen sei, zeugt von gefährlicher Naivität. Der Euro ist genau das, was sein Erzeuger und die ein Prozent Reichen, die ihn unterstützten, vorhersahen und beabsichtigten“, so die Warnung des britischen Journalisten Greg Palast im „Guardian“, der sich auf einen hochkarätigen Kronzeugen berufen kann. Über die gemeinsame Bekanntschaft mit dem Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman hatte Palast die Gelegenheit, sich mit dem Ökonomen Robert Mundell über das Thema Euro zu unterhalten. Mundell gilt mit seiner „Theorie des optimalen Währungsraums“ als niemand Geringerer als der „geistige Vater“ des Euro. Abseits der Vorzüge, die sonst dem Euro von offizieller Seite angedichtet werden, scheint Mundell mit dem Euro ganz eigene Zwecke im Sinn zu haben: Mit dem Euro „wird die Finanzpolitik aus der Reichweite der Politiker entfernt“, so gibt Palast sein Gespräch mit Mundell wieder. Ohne Rückgriff auf Fiskalpolitik könnten Nationen nur dann ihre Arbeitsplätze erhalten, wenn sie Marktregulierungen abbauen und damit wettbewerbsfähig würden. Aufschlussreich ist, was durch die Macht des Euro alles hinweggefegt werden soll: Arbeitsrecht, Umweltgesetze und Steuern.

Letztendlich läuft das Konzept auf eine Entmachtung der Politik und damit die Demokratie hinaus, die dem Markt nicht mehr in die Quere kommen soll. Wirklich erfüllen würde der Euro seinen Zweck, wenn die Krise zuschlägt, so Mundell. Tatsächlich ist die Entmachtung der demokratisch legitimierten Nationalstaaten im Zuge der Euro-Krise in vollem Gange. Noch vor wenigen Jahren wäre etwa die Forderung undenkbar gewesen, die Kontrolle über das „Königsrecht“ der Parlamente, die Budgethoheit, überhaupt anzutasten, geschweige denn, nichtgewählten Funktionären in Brüssel weitgehende Eingriffsrechte zu geben. Profiteur ist aber nicht – wie von Mundell erhofft – der reine, freie Markt. Das Vakuum, das die entmachteten Nationalstaaten hinterlassen, wird gefüllt von der EU, welche die Euro-Krise als Chance nutzt, endgültig alle politischen Kompetenzen an sich zu reißen.

Wohin die Entwicklung geht, dürfte spätestens mit den vom EU-Ratspräsidenten Van Rompuy vorgelegten Zukunftsvisionen und vor allem mit der Rede des Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso vor dem EU-Parlament klar sein: Auf der Agenda steht die Schaffung eines EU-Zentralstaats auf den Trümmern der entmachteten Nationalstaaten. Mit Begriffen wie „Föderation der Nationalstaaten“ versucht Barroso zwar, den Eindruck zu vermeiden, dass ein „Superstaat“ entstehen soll, tatsächlich laufen seine Pläne aber auf nichts anderes hinaus. Über die Kompetenzen, die ohnehin bereits nach Brüssel verlagert wurden, sollen noch „vor den nächsten Wahlen zum Europaparlament 2014„ weitere Vorschläge vorgelegt werden, wie die von Barroso gewünschte „Föderation“ geschaffen werden kann. Nachdem im Zuge der Euro-Krise bereits die Parlamente weitgehend entmachtet wurden, schweben dem EU-Kommissionspräsidenten als weitere Zwischenschritte nun EU-eigene Streitkräfte samt gemeinsamem Verteidigungsplan und eine EU-Staatsanwaltschaft vor. Installiert würden damit weitere Institutionen, die der EU zur eigenen Staatlichkeit noch fehlen. Die Unfähigkeit einiger Euro-Länder, ein funktionierendes Steuer­system aufzubauen, dürfte alsbald die Begründung dafür liefern, der EU auch eine eigene vollständige Steuerhoheit zu verschaffen. Barrosos Fahrplan in einen europäischen Superstaat steht noch die schwierige Änderung der EU-Verträge im Wege. Entsprechend sieht der Zeitplan des EU-Kommissionspräsidenten aus.

Weitergeführt würde mit diesem schrittweisen Schaffen vollendeter Tatsachen eine Praxis, zu der sich Jean Claude Juncker bereits im Jahr 1999 mit bemerkenswerter Offenherzigkeit bekannt hatte: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert.“ Es sind vor allem die von Mundell gewünschten Krisenzeiten, in denen sich die Junkersche Vorgehensweise noch forcieren lässt. Anders als von Mundell erhofft, könnten am Ende allerdings nicht eine radikalisierte Marktwirtschaft und das Ende der Politik stehen, sondern ein übermächtiger Superstaat, der sich um Marktwirtschaft nicht mehr scheren wird. Norman Hanert


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