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29.09.12 / »Metropolis« des 21. Jahrhunderts / Filmstudio Babelsberg will mit neuen Finanzierungsideen dem Hollywood-Kino die Stirn bieten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-12 vom 29. September 2012

»Metropolis« des 21. Jahrhunderts
Filmstudio Babelsberg will mit neuen Finanzierungsideen dem Hollywood-Kino die Stirn bieten

Diesen Herbst startet mit „Cloud Atlas“ der teuerste deutsche Film überhaupt. „Lola rennt“-Regisseur Tom Tykwer drehte ihn in den Babelsberger Filmstudios. Das war vor einem Jahr. Aber ausgerechnet in diesem 100. Jahr des Bestehens herrscht Flaute an Großproduktionen. Abhilfe soll ein „Englisches Modell“ schaffen.

Hollywood-Star George Clooney auf Besichtigungstour im Harz − so lauteten unlängst Medienberichte, über den Besuch Clooneys in der Weltkulturerbe-Stadt Quedlinburg und dem Besucherbergwerk Rammelsberg in Goslar. Mit den Meldungen verdichten sich die Hinweise, dass die Filmateliers in Potsdam-Babelsberg zum Produktionsort für Clooneys nächstes Filmprojekt „The Monuments Men“ werden.

Clooney will nicht nur im Film eine Rolle übernehmen, sondern auch selbst Regie führen. Auch wenn der Hollywood-Beau im Harz in Begleitung von Babelsberger Studiomitarbeitern gesichtet wurde, noch ist nicht bestätigt, dass die Studios vor den Toren Berlins den Zuschlag erhalten.

Dabei wären die dortigen Studiohallen und die historischen Schauplätze in Deutschland für Clooneys Film ideal. Die Roman-Verfilmung nach Robert Edsel handelt von einer Gruppe US-amerikanischer Kunstexperten, die mit dem Aufspüren von Kulturgütern im Zweiten Weltkrieg betraut waren.

Dass Babelsberg für derartige Großproduktionen attraktiv ist, wurde hinlänglich bewiesen: Filme wie „The International“, „Der Vorleser“ oder „Operation Walküre“ mit Tom Cruise haben Babelsberg wieder zu einem der bedeutendsten Filmproduktionsstandorte der Welt werden lassen.

Die Studios haben sich im internationalen Filmgeschäft fest etabliert: Von der Drehortsuche, der Drehorganisation, über den Kulissenbau bis zur Ausstattung wird den Filmproduzenten ein Komplettservice angeboten.

Das Mega-Projekt Clooneys käme für die Babelsberger Studios zur rechten Zeit. Nachdem der Film „Cloud Atlas“ mit Tom Hanks Ende 2011 abgedreht war, herrscht im hundertsten Jahr des Bestehens der Filmstudios noch weitgehende Flaute. Pro Halbjahr benötigt man im Schnitt eine Großproduktion, um rentabel zu sein. Zwar sind ständig einige der Studios mit Fernsehproduktionen wie dem Dauerbrenner „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ belegt, was in diesem Jahr noch fehlt, ist aber eine Großproduktion fürs Kino. Gleich bis zu neun der insgesamt 16 Studiohallen lassen sich mit Kinoprojekten auslasten. Erst ab Oktober wird die Neuverfilmung des Märchens „Die Schöne und das Biest“ mit Gérard Depardieu für mehr Auslastung auf dem Studiogelände sorgen.

Einen wichtigen Anteil, dass Babelsberg wieder in der ersten Liga der Filmstandorte mitspielt, hat das deutsche Filmförderungssystem: Seit 2007 wurden über den Deutschen Filmförderfonds jährlich 60 Millionen Euro für Filmproduktionen bereitgestellt: Beigesteuert werden pro Film bis zu einem Fünftel der Produktionskosten. So erfolgreich das Modell bisher war, es ist inzwischen an seine Grenzen geraten. Um im internationalen Konkurrenzkampf der Filmstudios um Großaufträge mithalten zu können, reicht es nicht mehr: Die Budgets für große Kinofilme liegen mittlerweile immer öfter über der 100-Millionen-Euro-Grenze. Da die Filmförderung die Explosion der Filmbudgets nicht mitgemacht hat, ist der Förderanteil pro Film relativ gesunken.

Abhilfe soll für die Babelsberger Studios nun das „Englische Modell“ schaffen: Filmproduzenten bietet es die Möglichkeit, nicht nur die deutsche, sondern auch die britische Filmförderung in Anspruch zu nehmen. Zwar müssen dafür auch Dreharbeiten in Großbritannien erfolgen, insgesamt ist das Konzept allerdings immer noch besser, als im Kampf um die Produktion großer Kinofilme immer öfter komplett leer auszugehen, weil international andere öffentliche Förderprogramme attraktiver sind. Dass Babelsberg bei den großen Produktionen auf Augenhöhe mit den Hollywood-Studios agiert, soll jetzt „Cloud Atlas − Der Wolkenatlas“ beweisen. Der Film ist mit einem Budget von über 100 Millionen Euro die bisher teuerste deutsche Filmproduktion überhaupt.

Bei den Dreharbeiten von September bis Dezember letzten Jahres standen Filmstars wie Tom Hanks, Hugh Grant, Susan Sarandon und Halle Berry vor der Kamera. Den Mystery-Film hat der Berliner Tom Tykwer gemeinsam mit dem Brüderpaar aus Hollywood, Andy und Lana Wachowski („Matrix“) gedreht.

Mit dem Mega-Projekt, das über mehrere Jahrhunderte und Kontinente hinweg in einer futuristischen Stadt spielt, wurde in mehrfacher Hinsicht Neuland für Babelsberg beschritten: Bis zu 700 Personen haben an dem Film mitgewirkt. Das dabei erworbene Spezialwissen bleibt in der Region erhalten und macht den Standort für künftige Filmprojekte interessant. Neu war auch das Finanzierungskonzept: Das Geld für den Film wurde bei insgesamt 170 Investoren, verteilt auf fünf Kontinenten eingesammelt.

Für deutsche Verhältnisse war der Aufwand bei „Cloud Atlas“ gewaltig. Doch Babelsberg hat das alles schon einmal überboten: Vor 85 Jahren kamen für Fritz Langs Stummfilm „Metropolis“ an 310 Drehtagen 27000 Komparsen zum Einsatz. Kosten damals: „nur“ fünf Millionen Reichsmark. Der Film wurde zum Klassiker. Norman Hanert


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