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29.09.12 / Wie es zur Schuldenunion kam / Auf Wunsch von Paris verzichtete Bonn auf die für eine Währungsunion notwendigen Voraussetzungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-12 vom 29. September 2012

Wie es zur Schuldenunion kam
Auf Wunsch von Paris verzichtete Bonn auf die für eine Währungsunion notwendigen Voraussetzungen

Auch nachdem das Bundesverfassungsgericht den umstrittenen ESM-Rettungsschirm weitgehend durchgewunken hat, lohnt sich die Frage: Braucht Europa den Euro? Brauchen die in der EU vereinten europäischen Nationen eine gemeinsame Währung, damit der Frieden erhalten bleibt, wie es Politiker „alternativlos“ verkünden? Das scheint nicht der Fall zu sein, wenn man in die Geschichte der europäischen Nationen und Währungen schaut, bevor es 1999 zur Einführung des Euro (ab 2002 als Bargeld) kam. Es muss also andere Gründe geben, aber welche?

Nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges sagte der Visionär des Europa-Gedankens, Richard Coudenhove-Kalergi, auf einer Europa-Konferenz, die auf Initiative des englischen Premiers Winston Churchill 1948 in Den Haag stattfand: „Wir wollen Europa einigen, um durch einen freien kontinentalen Markt mit einer stabilen Währung den Lebensstandard von Millionen Europäern zu heben und sie aus dem unbeschreiblichen Elend zu retten, unter dem sie leiden.“ Auch Jahre später erläuterte er seine Vision von einem europäischen Bundesstaat, wo die bisherigen Nationalstaaten dann „Kantone“, eine gemeinsame Außenpolitik, Verteidigung, Währung und Wirtschaft auf der Basis einer „Garantie europäischer Menschenrechte“ bilden sollten.

Doch bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts dauerte es, dass nach der deutsch-französischen Aussöhnung unter dem Deutschen Walter Hallstein die Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahr 1962 ihre Arbeit aufnahm. Zwei Jahre später arbeitete bereits ein Gouverneursausschuss, in dem die Präsidenten der Zentralbanken Europas tagten. Auf dem EWG-Gipfel 1969 beauftragten die Staats- und Regierungschefs dann den luxemburgischen Ministerpräsidenten Pierre Werner mit der Erarbeitung eines Plans für die Währungs- und Wirtschaftsunion.

Der 1970 offiziell vorgelegte sogenannte Werner-Plan schlug vor, binnen eines Jahrzehnts eine Währungsunion zu gründen. Zunächst sollte die Wirtschaft, die Geld- und Kreditpolitik koordiniert und schließlich eine Harmonisierung der Steuern erfolgen. Der Plan scheiterte an strittigen Fragen zwischen Deutschland und Frankreich. Bonn war für eine Harmonisierung der Wirtschaft, Paris dagegen und wollte zuerst die Währungsunion einführen.

So wurde an Stelle des Werner-Plans, unter der Ägide des SPD-Kanzlers Helmut Schmidt und des französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing, im Jahr 1979 das „Europäische Währungssystem“ (EWS) in Betrieb genommen. Die Wechselkursschwankungen der Währungen einzelner europäischer Länder sollten so in einem gewissen Rahmen gehalten, der freie Verkehr von Waren, Kapital und Dienstleistungen erleichtert und intensiviert werden. Als europäische Währungseinheit diente der ECU (European Currency Unit).

Bereits zu diesem Zeitpunkt, vor über 30 Jahren, verpflichteten sich die europäischen Länder zu einer gewissen wechselseitigen Solidarität. Sobald nämlich eine der europäischen Währungen eine vorher vereinbarte Bandbreite verließ, waren die anderen Länder gehalten, durch An- oder Verkauf von Devisen zu intervenieren. Deutschland tat dies mehrmals zugunsten von Frankreich, womit letztere sich als Profiteure dieses Systems sehen konnten. Auch die Bereitstellung von „Beistandskrediten“ in wirtschaftlichen Spannungszeiten gehörte zum Interventionsarsenal des ECU, wovon Frankreich ebenfalls profitierte.

1988 schließlich erhielt der damalige Kommissionspräsident Jacques Delors vom EG-Gipfel den Auftrag, einen neuen Plan zur Währungsunion zu erarbeiten. Der sogenannte Delors-Plan bekam dann 1992 mit dem Maastricht-Vertrag eine rechtliche Grundlage. Die bereits bestehende Zusammenarbeit der Zentralbanken erhielt mit dem „Europäischen Währungsinstitut“ (EWI) einen neuen Rahmen. Das EWI sollte die nationalen Geldpolitiken kontrollieren und die Unabhängigkeit der jeweiligen Nationalbanken sichern. Am 1. Januar 1999 trat dann die „Europäische Wirtschafts- und Währungsunion“ in Kraft und die EWI wurde gleichzeitig durch die „Europäische Zentralbank“ (EZB) ersetzt. Alle EU-Mitglieder mit Ausnahme von Griechenland, Großbritannien, Dänemark und Schweden führten den „Euro“ als Parallelwährung zu den noch im Umlauf befindlichen nationalen Währungen ein.

Als maßgebliche Motoren wirkten der damalige CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl und sein Finanzminister Theo Waigel (CSU). Mit den „Konvergenzkriterien“ versuchte Deutschland ein System zu installieren, das die Stabilität der Währungen garantieren sollte. Da Griechenland diese Kriterien nicht erfüllte, blieb es außen vor und konnte erst – nach Fälschung der eigenen Bilanzzahlen – im Jahr 2002 unter dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder aufgenommen werden. In der Folgezeit wurden die vier Konvergenzkriterien (Inflationsrate, Zinssatz für langfristige Staatsanleihen, Gesamtschuldenstand, jährliche Neuverschuldung) auch von Deutschland und Frankreich mehrfach verletzt, ohne dass es zu Sanktionen kam. Wo ein Regelwerk aufgestellt wird, muss es auch die Möglichkeiten zu Sanktionen und Strafen geben, um die Einhaltung der festgelegten Grenzen kontrollieren zu können. Genau dies aber fehlte dem Regelwerk. So gab es nicht die Möglichkeit, einen „Euro-Sünder“ auszuschließen. Zudem verhinderten die Regierungen von Gerhard Schröder und

Jacques Chirac aktiv, dass die von der EU-Kommission eingeleiteten Sanktionen wirksam werden konnten. Daher stand dem fröhlichen Schuldenmachen zulasten anderer nichts mehr im Wege. Der Weg in die Schuldenunion war beschritten. Jetzt steckt der Euro-Karren im Dreck, weil man die lange geforderten Voraussetzungen für eine Währungsunion (gemeinsame Wirtschaftspolitik, Steuer-, Finanz- und Außenpolitik) in sträflicher Weise übergangen hat. Hinrich E. Bues


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