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29.09.12 / Sie war »die Dame«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-12 vom 29. September 2012

Sie war »die Dame«

Ich war die Dame“ lautet der Titel der 1979 erschienenen Memoiren der Lil Dagover. Und in der Tat wird sie uns insbesondere in derartigen Rollen im Gedächtnis bleiben.

Ähnlich wie Mata Hari trat auch sie in jungen Jahren mit indischen Tänzen auf und auch sie hatte vorher in Niederländisch-Indien gelebt. Lil Dagover ist dort sogar unter dem Namen Martha Seibert vor 125 Jahren, am 30. September 1887, als Tochter eines aus Württemberg stammenden Försters in niederländischen Diensten und dessen Ehefrau aus dem Rheinland zur Welt gekommen. Im Jahr 1913 heiratete sie nicht nur den Schauspieler Fritz Daghofer, von dem sich ihr Künstlername Lil Dagover ableitet, sondern sie folgte auch dem Rat eines Fotografen, indische Tänze vor der Kamera vorzuführen. Mit diesen Aufnahmen, die heute noch existieren, stellte sie der mit ihr befreundete Regisseur Robert Wiene in Berlin bei Filmproduzenten und Regisseuren vor. Es war auch Wiene, unter dessen Regie sie 1920 die Hauptrolle des expressionistischen Kultfilms „Das Cabinet des Dr. Caligari“ spielte. Weitere Rollen folgten, wobei schon in der damaligen Stummfilmzeit eine Spezialisierung auf den Typus der Dame festzustellen ist.

Durch den Durchbruch beim Film wurde Max Reinhardt auf sie aufmerksam und holte sie auf die Bühne. 1931 übertrug er ihr die Rolle der „Schönheit“ in Hugo von Hofmannsthals „Das Salzburger große Welttheater“. In über 30 Aufführungen verkörperte sie die „Schönheit“. Außer bei den Salzburger Festspielen trat sie am Berliner Theater und am Theater in der Josefstadt auf.

Der ebenfalls 1931 unternommene Versuch, mit der Produktion „The Woman from Monte Carlo“ in Hollywood Fuß zu fassen, misslang zwar, aber das Theaterspiel war eine gute Übung für den Übergang vom Stumm- zum Tonfilm, der bei Dagover bruchlos verlief.

Auch der Übergang von der Weimarer Republik zum Dritten Reich führte zu keinem Bruch in ihrer Karriere. Ihre Rollen sind eher unpolitisch. Die Spezialisierung auf die galante Dame, auf Kaiserinnen, andere Adlige sowie Künstler- und Unternehmersgattinen fand ihre Fortsetzung. Mit insgesamt 23 Rollen bis 1944 gehörte sie zu den bekanntesten und beliebtesten Leinwanddarstellern der NS-Zeit.

Nach Kriegsende und Entnazifizierung konnte Dagover bei Theater wie Film relativ bruchlos an die alten Erfolge anknüpfen. Hatte sie das NS-Regime mit dem Titel Staatsschauspieler und dem Kriegsverdienstkreuz für ihr Engagement in der Truppenbetreuung geehrt, so erhielt sie in den 50er und 60er Jahren das Filmband in Silber und Gold, den Bambi und das Große Bundesverdienstkreuz.

In diesen 50er und 60er Jahren ist eine gewisse Spezialisierung auf seltsame alte Damen festzustellen. So spielte sie mit Erfolg die Titelrollen in Friedrich Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“ und John Patricks „Eine etwas sonderbare Dame“, aber auch im Edgar-Wallace-Film „Die seltsame Gräfin“.

Auch in den 70er Jahren ist Lil Dagover noch gut im Geschäft. So ist es bezeichnend, dass sie ein Haus auf dem Bavaria-Filmgelände in Grünwald-Geiselgasteig bewohnte und dort auch am 23. Januar 1980 verstorben ist. Manuel Ruoff


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