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29.09.12 / Irmgard Funk stand Modell für das Kaskaden-Mädchen / Das Rätsel um die Bronzefigur am Königsberger Schlossteich ist teilweise gelöst

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-12 vom 29. September 2012

Irmgard Funk stand Modell für das Kaskaden-Mädchen
Das Rätsel um die Bronzefigur am Königsberger Schlossteich ist teilweise gelöst

Ich freue mich auf Hinweise“ – so hatte ich geschrieben und damit die erhofften Zuschriften zu der in Folge 36 gezeigten Bronzefigur in den Kaskaden am Königsberger Schlossteich gemeint. Ein Leser hatte gefragt, ob sie 1933 als „entartete Kunst“ entfernt worden sei, und wollte ferner wissen, welcher Künstler die schmale „Mädchenfigur“ geschaffen hatte. Als solche hatte ich sie auch in meinem Archiv gesucht, weil sie allgemein so bezeichnet wurde, aber ich war nicht fündig geworden und hatte deshalb unsere Leserschaft bemüht. Als dann die ersten Erklärungen kamen und der Künstler einwandfrei feststand, zog ich noch einmal Mühlpfords „Königsberger Skulpturen und ihre Meister“ zu Rate und siehe da, diesmal fand ich den die Plastik betreffenden Vermerk, wenn auch anders, als ich gedacht hatte. Da noch weitere Zuschriften kamen, die zu neuen Erkenntnissen – aber auch Zweifeln! – führten, muss ich nun dieses interessante Thema aus der Familien-Kolumne ausgliedern und ihm diesen Extraplatz einräumen.

Also vorweg: Geschaffen wurde die Bronzefigur in den Königsberger Kaskaden von dem Bildhauer Hermann Brachert, der das ostpreußische Kunstschaffen in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts mit einer Fülle von Arbeiten bereichert hat. Unter den bei Mühlpfordt aufgeführten 37 Werken steht unter der Nr. 26 dieser Vermerk: „Kinderfigur. Bronze. Um 1930. Standort: Kaskaden am nördlichen Schlossteich. Schicksal: Wurde nach 1933 als entartete Kunst entfernt. Weiteres Schicksal unbekannt“. So oder ähnlich lauteten auch die meisten Zuschriften, die aber schon in Bezug auf das Entstehungsjahr auseinander drifteten (1927 oder 1930) und die unterschiedlichsten Aussagen über die Entfernung enthielten. Vor allem werden in zwei Mitteilungen sehr genaue Angaben gemacht, weil hier die eigenen Erinnerungen eine Rolle spielen. Im Falle unseres Lesers Reinhard Tollkühn aus Neumünster sogar eine Hauptrolle, denn er schreibt:

„Den Bericht habe ich mit großem Interesse gelesen und kann über das Mädchenstandbild bei den Kaskaden etwas aussagen, weil meine Mutter und Tante (Familie Braag), die in der Grolmannstraße 6 wohnten, dazu viel erzählt haben. Von meinen Verwandten wurden ähnliche Aufnahmen wie das in Folge 36 abgebildete Foto gemacht, diese sind mir bekannt und namentlich beschriftet. So kann ich auch über das Mädchen, das dem Bildhauer Brachert Modell gestanden hat, etwas aussagen. Es handelt sich um die Königsbergerin Irmgard Funk, die etwa 1923 geboren wurde und noch drei weitere Geschwister hatte. Da mein Großvater und der Vater dieses Mädchens bei der Stadt Königsberg beschäftigt und damit Arbeitskollegen waren, dazu noch die Familie Funk in dem Nachbarhaus Grolmannstraße 10 gewohnt hat, weiß ich das so genau. Aus den Fotos meiner Verwandten geht hervor, dass die Entfernung der Figur sehr viel später erfolgt sein muss, denn meine Cousine wurde erst 1941 geboren und die Aufnahmen mit ihr und der Bronzefigur wurden also noch später gemacht.“

Das bestätigt auch Herr Walter Perkuhn aus Oldenburg in seinem Schreiben: „Meine Großeltern und meine Tante wohnten in Königsberg, Hintertragheim 58, und ich war oft bei ihnen, denn als Fahrschüler blieb mir reichlich Zeit bis zum nächsten Zug. So bin ich auch in den Kriegsjahren immer wieder an den Kaskaden gewesen und habe dort die Figur gesehen. Insofern kann der Hinweis auf die ,Entfernung entarteter Kunst‘ zeitlich nicht stimmen. Muss allerdings gestehen, dass ich bei der Figur immer von einem Fischerknaben ausgegangen bin – hätte wohl genauer hinschauen müssen! In den 90er Jahren habe ich mit meiner Frau in Georgenswalde das als Museum eingerichtete Wohnhaus und Grundstück des Künstlers Hermann Brachert besucht und dort die Figur ausgestellt gesehen, auch als kleines Modell.“ Das bestätigt auch Herr Peter Perrey in seiner E-Mail, in der er auf die aktuellen Restaurierungspläne der verkommenen Kaskaden Bezug nimmt, über die in unserer Zeitung bereits berichtet wurde. Im Internet wird auf der Königsberger Internetseite Russland-aktuell diese Aktion erwähnt, die Figur wird allerdings als „Tanzendes Mädchen“ bezeichnet. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Kopie der Figur im Brachert-Museum in Georgenswalde [Otradnoje] hingewiesen.

Augenblickliche Bestandsaufnahme: Ob Kinderfigur, Tanzendes Mädchen, Fischerknabe – es handelt sich um eine Bronzeplastik von Hermann Brachert, von der glücklicherweise eine Kopie im Brachert-Museum in Georgenswalde vorhanden ist. Anhand des Geburtsjahres des Modells Irmgard Funk müsste die knabenhafte Figur um 1930 entstanden sein. Wann die Bronzeplastik als „entartete Kunst“ entfernt wurde, dürfte sich wohl nicht mehr klären lassen. Aber unsere Ostpreußische Familie ist ja immer für Überraschungen gut – wie hier und heute bewiesen! R.G.


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