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29.09.12 / Jesus und Heroin / Ein Leben in Extremen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 39-12 vom 29. September 2012

Jesus und Heroin
Ein Leben in Extremen

Jesus Freaks nannte sich eine Gemeinschaft junger Christen aus der Hamburger Szene, die sich 1992 auf Initiative von Martin Dreyer und einigen Gleichgesinnten gründete und bundesweit bekannt wurde. „Jesus-Freak. Leben zwischen Kiez, Koks und Kirche“ ist der Titel der Autobiografie von Martin Dreyer, in der er mit großer Offenheit aus seinem Leben erzählt. Erst Junkie, dann begeisterter, engagierter Christ, danach erneut ein Absturz vor 13 Jahre nach einem Burnout: Dreyer verfiel in Depressionen, nahm wieder Drogen und überlebte 1999 wie durch ein Wunder die Folgen einer Überdosis Heroin. Ihm ist nun bewusst, dass Gott nicht nur einmal vergibt und dass es nie zu spät ist für einen Neuanfang.

Geboren wurde der Autor 1965 in gutbürgerlichen Verhältnissen in Hamburg-Poppenbüttel. Sein Buch beginnt in der Drogenentzugsstation einer Klinik, in die er im August 1999 nach mehrtägigem Koma eingeliefert worden war. In einer christlichen Einrichtung erholte er sich nach und nach. Um sich darüber klar zu werden, was genau in seinem Leben schief gelaufen ist und warum er immer wieder zu Drogen griff, begann er, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben. Um es vorweg zu nehmen: Gerade dieser Punkt wird nicht geklärt. Die Neigung, sich mit Drogen zu berauschen, kam frühzeitig bei ihm zum Vorschein. Da war er 15 Jahre alt, Gymnasiast und kleidete sich als Punk. Dann beeindruckte ihn die Bekehrung seiner ganzen Familie – Mutter, Vater und drei Schwestern – bei den charismatischen Abendgottesdiensten von Pastor Kopfermann. Mit Anfang 20 bereiteten er und sein erste Frau Ulrike sich auf ein Leben als Vollzeitmissionare auf Spendenbasis vor. Einige Monate war er als Straßenmissionar in Amsterdam im Einsatz, anschließend in Sibirien. 1991 fanden im Wohnzimmer des jungen Ehepaars sogenannte „Jesusabhängabende“ statt. Die Gruppe, die sich dort traf, nannte sich „Jesus Freaks“ und mietete Räumlichkeiten im Stadtteil St. Pauli an. Mehrere Zeitungen berichteten in den 90er Jahren über ihre radikalen, schrillen und provozierenden Straßenaktionen. Parallel zu seiner Arbeit als Gemeindeleiter machte Dreyer eine Ausbildung als Suchttherapeut und Theologe, wurde als Redner zu christlichen Konferenzen eingeladen, war „Christ des Jahres“ beim christlichen Medienmagazin „idea“. Nach seinem Absturz in die Heroinsucht wandten sich die Leiter der Gemeinde, die er einst gegründet hatte, von ihm ab. Dreyer heiratete erneut und hat seit 2010 eine kleine Tochter. Beruflich fand er nach seiner Gesundung einen neuen Weg, wobei er seinem Ansatz, Menschen ohne christliche Prägung mit der Botschaft der Bibel zu erreichen, treu blieb. 2005 veröffentlichte er die „Volxbibel“, eine in christlichen Kreisen umstrittene, äußerst freie Bibelübersetzung im Jugendslang. Seine ansprechende Autobiografie wird man so leicht nicht aus der Hand legen, sofern die Bereitschaft vorhanden ist, sich auf die Erfahrungen eines Lebens in Extremen einzulassen. D. Jestrzemski

Martin Dreyer: „Jesus-Freak. Leben zwischen Kiez, Koks und Kirche“, Pattloch, München 2012, broschiert, 304 Seiten, 18 Euro


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