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06.10.12 / Mit Laptop und Dirndl / CSU auf den Spuren von Goppel und Strauß – Aigner soll Bayern wieder auf Kurs bringen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-12 vom 06. Oktober 2012

Mit Laptop und Dirndl
CSU auf den Spuren von Goppel und Strauß – Aigner soll Bayern wieder auf Kurs bringen

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. In diesem Falle die Dritte, nämlich Ilse Aigner: Die Noch-Bundesministerin zieht es von der Spree zurück an die Isar – als Kronprinzessin für die Zeit nach Seehofer.

Auch wenn Horst Seehofer keine Gelegenheit auslässt, Spekulationen über eine angebliche Amtsmüdigkeit energisch entgegenzutreten – längst ist in München der Streit um die Kronprinzenrolle entbrannt. Markus Söder hat sich mit der Übernahme des wichtigen Finanzressorts in Stellung gebracht. Kabinettskollegin Christine Haderthauer wurde als Gegenentwurf des amtierenden Partei- und Freistaatschefs gehandelt. Politische Kaffeesatzleser rätseln noch darüber, ob man es hier eher mit einer altbayerischen Feminismus-Variante oder mit dem uralten Zwist zwischen katholischem Oberbayern und protestantischem Franken zu tun hat.

Und mitten in diese Frühphase des innerparteilichen Wahlkampfes platzt die Nachricht: Ilse Aigner, die man in sicherer Entfernung in Angela Merkels Berliner Bundeskabinett wähnte, hat (oder wurde) beschlossen, sich in die eigenen Angelegenheiten einzumischen. Sie ist nämlich – was nördlich des Weißwurst-Äquators irrtümlich zur Randnotiz verkommen ist – Chefin des mächtigen CSU-Bezirks Oberbayern. Und als solche hat sie bei staatserhaltenden Personalien in München ein gewichtiges Wort mitzureden. Als Bundesministerin hat sie genügend Selbstbewusstsein aufgebaut, um sich mit dem Mitreden nicht zu bescheiden. Sie will, auch wenn das als konkretes Ziel noch unausgesprochen bleibt, an die Spitze. Und sie hat beste Chancen, das auch zu erreichen. Nicht im Hauruck-Verfahren, sondern Stufe um Stufe, in aller Ruhe. Mit 48 Jahren hat sie Zeit genug. Seite an Seite mit Ministerpräsident Seehofer wird sie die CSU in das Wahljahr 2013 führen. Dass sie für den Landtag kandidiert und nicht mehr für den Bundestag (dem sie seit 14 Jahren angehört), ist ein klares Signal. Ihre politische Zukunft sieht sie in München und nicht in Berlin. Für die CSU wurde sie damit sozusagen über Nacht zur großen Hoffnungsträgerin.

Die Partei, jahrzehntelang unangefochtene Alleinherrscherin im weißblauen Freistaat, dümpelt derzeit in der Wählergunst knapp oberhalb von 40 Prozent, was im bescheidenen Rest der Republik Anlass zu Jubelstürmen wäre, in Bayern hingegen zu tiefer Depression. Die Hoffnung, dass Seehofers verbale Kraftakte nicht nur den eigenen Koalitionspartner dezimieren, sondern auch zur absoluten Mehrheit der Mandate führen, ist eher vage. Auch von den bisher gehandelten Kronprinzenkandidaten war kaum Besserung zu erwarten. Markus Söder, vom Landeschef der Jungen Union zum Finanzminister aufgestiegen, stößt vor allem in den traditionellen CSU-Hochburgen im Süden des Freistaats auf große Vorbehalte: Er ist Franke, und er ist evangelisch. Seit der wenig ruhmreichen Regentschaft Günter Becksteins gilt das in weiten Teilen Bayerns nicht gerade als Empfehlung für höhere Weihen. So sehen Münchner Kabarettisten den Höhepunkt der Söder’schen Karriere bereits da-rin, dass ein Ikea-Hängeleuchter seinen Namen trägt. Mitbewerberin Christine Haderthauer, als Staatsministerin für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie zuständig, ist zwar katholisch und trägt einen auch am Alpenrand wohlklingenden Namen, ist aber nicht in Bayern zur Welt gekommen, sondern hoch im Norden, im schleswig-holsteinischen Neumünster – ein Hauch von „Preiss“, der manchen CSU-Stammwähler abschrecken dürfte. Erschwerend kommt hinzu, dass sie sich einmal abfällig über CSU-Übervater FJS geäußert haben soll.

Ilse Aigner hingegen bringt alles mit, was man braucht, um in Bayern gut anzukommen. Sie stammt aus Feldkirchen-Westerham, auf halbem Wege zwischen München und Rosenheim, also da, wo zumindest nach Meinung des CSU-Bezirks Oberbayern das Herz Bavarias schlägt. Ihre politische Karriere führte sie vom Gemeinderat über Kreis-, Land- und Bundestag in die Bundesregierung. Zuvor aber hatte sie eine Handwerkslehre und ein Fachstudium absolviert und an der Entwicklung sensibler Systemelektronik für Hubschrauber gearbeitet. Über Parteigrenzen hinweg wird ihre Fähigkeit geschätzt, auf der sicheren Basis konservativer Wertvorstellungen sachorientiert und im Ton verbindlich zu agieren. Als Sympathieträgerin kann sie bei allen Stämmen Bayerns punkten – und auch darüber hinaus. Ilse Aigner, das ist Laptop und Dirndl, nicht nur, weil sie gern in Tracht auftritt und damit auch in Berlin eine gute Figur macht. Übrigens ist sie als Nachfolgerin des derzeitigen Ministerpräsidenten nicht gänzlich unerfahren: 2008 war sie dem damaligen Bundesminister für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Horst Seehofer schon einmal nachgefolgt. Hans-Jürgen Mahlitz


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