29.03.2024

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06.10.12 / Ungezogene Kinder

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-12 vom 06. Oktober 2012

Ungezogene Kinder
von Hinrich E. Bues

Das vergangene Wochenende machte auch dem gutgläubigsten Freund Europas deutlich, wohin die Euro-Rettungspolitik läuft. Die Griechen bekommen trotz fehlender Reformfortschritte ihre Milliarden; in Madrid, Lissabon und Paris demonstrieren Menschen, teils gewalttätig, gegen die Sparbemühungen ihrer verschuldeten Staaten. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird wieder mal als Diktatorin Europas, abgebildet mit Nazi-Armbinde, verunglimpft. Wie wird „Mutti“ Merkel nun auf den Krawall ihrer ungezogenen südeuropäischen „Kinder“ reagieren?

Diese ganze Szene aus dem Makrokosmos Europa erinnert in fataler Weise an den Mikrokosmos des Familienlebens. Da ist man bei Verwandten oder Bekannten eingeladen und dann passiert das: Der 22-jährige Sprössling knallt mit den Türen, pöbelt seine Eltern an und ist „schlecht drauf“. Wo ist das Problem? Der junge Bursche wuchs in einem gutbürgerlichen Elternhaus auf, bekam letztlich alles, was er brauchte. Ohne den nötigen Fleiß baute er ein schlechtes Abitur und ohne den rechten Antrieb bewarb er sich erfolglos bei einigen Ausbildungseinrichtungen. Schließlich war die teure Privathochschule der letzte Ausweg. Nun aber hat er sich in den Kopf gesetzt, eine eigene Wohnung beziehen zu wollen, die ihm die eigenen Eltern aber nicht bezahlen können. Von den 400 Euro, die der Junge im Monat mit einem Studentenjob verdient, kann er weder seinen Lebensunterhalt noch sein Studium oder gar eine Miete bezahlen.

Die Ansprüche sind hoch, aber die eigenen Einnahmen gering. Den Sparvorschlag, kostenlos bei der Oma in einer Souterrainwohnung unterzukommen, findet der junge Mann unannehmbar. Für die Eltern spitzt sich die Lage derweil zu. Sie streiten sich immer öfter und die Frau des Hauses droht inzwischen mit dem Auszug. Als letzte Lösung erscheint, dem Sohn doch noch das verlangte Geld für die Miete zu geben, wofür sich nun die Eltern verschulden müssten.

In diesem Zwiespalt steckt auch die Politik. Die in der Vergangenheit herangezüchteten Ansprüche der Menschen in Südeuropa sind hoch. Sie denken gar nicht daran, aus ihren schönen warmen Ländern auszuziehen und sich einen Arbeitsplatz im kalten Norden Europas zu suchen. Stattdessen schlagen Italiener vor, Deutschland solle doch aus dem Euro austreten, dann wäre das Problem gelöst. Schließlich sei Deutschland ja ein „Hegemonialstaat“.

Wer also soll das warme Nest verlassen – die Eltern oder die Kinder, die Nord- oder die Südeuropäer? So gesehen erscheinen die Perspektiven für die Rauswerfer wie für die Rausgeworfenen gleichermaßen unerquicklich. Viel Psychologie ist da im Spiel, wie so oft in der Politik. Da zögern und zaudern die Entscheidungsträger und nichts wird damit besser. Die Schulden wachsen, das Klima der Gemeinschaft leidet und Mutti Merkel muss sich von ihren ungezogenen Kindern allerhand Hässlichkeiten gefallen lassen – gleichzeitig wird unsere mühsam angesparte Altersvorsorge per Inflation gen Süden transferiert werden. Wie öfters im Leben sind zuweilen beide Alternativen negativ, aber ohne eine Entscheidung wird alles nur noch schlimmer.


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