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06.10.12 / Der Mann, der der »Seeteufel« war / Felix Graf von Luckner zeichnete eine ungeheure Naivität und fast schmerzhafte Gutgläubigkeit aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-12 vom 06. Oktober 2012

Der Mann, der der »Seeteufel« war
Felix Graf von Luckner zeichnete eine ungeheure Naivität und fast schmerzhafte Gutgläubigkeit aus

Mit der Person des Felix Graf von Luckner haben ganze Generationen Abenteuer und Seefahrtsromantik verbunden. Sein Verhältnis zum Nationalsozialismus und dessen Machthabern wird bis heute unterschiedlich interpretiert.

1881 in Dresden geboren, riss Graf von Luck­ner mit 14 Jahren aus, um Seemann zu werden. 1916 begann das Abenteuer seines Lebens, das ihn zur Legende werden ließ. Er wurde Kommandant des einzigen deutschen Hilfskreuzers unter Segeln SMS „Seeadler“. Kriegsgeschichtlich war diese Kaperfahrt eher unbedeutend, doch in der Öffentlichkeit hat sie das Bild des „Seeteufels“, des Mannes mit der blauen Schiffermütze und der Pfeife, bis in unsere Tage geprägt.

In den 20er Jahren bereiste Graf Luckner mit dem Segelschiff „Vaterland“ die USA und lernte viele Prominente wie Henry Ford oder Charles Lindbergh kennen. In Deutschland stand Luckner, eng mit Kronprinz Wilhelm, dem ältesten Sohn des letzten Deutschen Kaisers befreundet, monarchistischen Kreisen nahe, welche die Restaurierung des preußischen Königs- und deutschen Kaiserhauses zum Ziel hatten. Luckner selbst begrüßte in der Anfangsphase ab 1933 wie viele konservative Deutsche jener Zeit das „neue Deutschland“ unter der Führung Adolf Hitlers, „ließ sich von den Erfolgen blenden“, wie er nach dem Krieg schrieb.

Adolf Hitler seinerseits hatte Luckners Buch „Seeteufel. Abenteuer aus meinem Leben“ fast euphorisch verschlungen. Hitler hatte ein Faible für außergewöhnliche Menschen beispielsweise aus Sport, Kunst und Wissenschaft, mit denen er sich gerne umgab. Was Wunder, dass er Luckner wie viele andere Prominente in die Reichskanzlei einlud. Wer konnte es sich zu dieser Zeit erlauben, nein zu sagen?

Noch im Jahr der „Machtergreifung“ führte das Reichspropagandaministerium in Wirtschaftskreisen eine Sammlung durch zur Finanzierung einer „Aufklärungsreise Luckners nach USA und Werbung für das neue, nationalsozialistische Deutschland und seine Führer“. Sogar der „Führer“ selbst sollte 1000 Reichsmark dazu beisteuern.

War Graf Luckner wirklich so blind, um hier nicht die Fallstricke von Abhängigkeiten zu sehen? Seine Mutter jedenfalls mahnte ihn in einem Brief, nicht so naiv und gutgläubig zu sein.

1935 wurde ihm plötzlich die Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge vorgeworfen und das oberste Parteigericht der NSDAP sprach ein Redeverbot bei allen Veranstaltungen der Partei aus. Ausgerechnet der Chef des SD Reinhard Heydrich setzte sich für Luckner ein, was 1936 die Aufhebung des Verbotes zur Folge hatte. Diese ungewöhnliche „Koalition“ war allerdings privater Natur. Heydrich, gebürtiger Hallenser, war als Junge Klavierschüler bei Luckners Mutter gewesen und hatte dort den „Seeteufel“ kennengelernt.

Spätestens 1936 nach der Eröffnung des Marineehrenmals in Laboe war Luckner davon überzeugt, in diesem nationalsozialistischen Deutschland eine besondere Rolle zu spielen, möglicherweise wegen seines Rufes und der guten Beziehungen in die USA. Eine krasse Fehleinschätzung, wie sich herausstellen sollte. Teilen der NS-Partei war Luckner suspekt; sie trauten ihm nicht.

So gab man ihm 1937 für die Weltreise mit dem Segelschiff „Seeteufel“ zwei zuverlässige Parteigenossen als Aufpasser mit. Die ganze Reise stand unter keinem guten Stern und gipfelte schließlich in einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen Luck­ner und einem Parteigenossen, bei welcher der Graf das NS-Propagandamaterial über Bord warf. Das sollte Folgen haben.

In der Heimat hatte sich inzwischen auch einiges zusammengebraut. Aus unbekannten, möglicherweise persönlichen Gründen, hatten ehemalige Vertraute Luck­ners eine Lawine ins Rollen gebracht und dem Reichsführer SS Heinrich Himmler eine Reihe von Dingen hinterbracht. Zuerst ging es nur um angebliche Devisenvergehen, wieder die Logenmitgliedschaft, parteischädigende Reden und seine Verbindung zu Kaufleuten jüdischer Herkunft, schließlich wurden ihm sittliche Verfehlungen vorgeworfen. Dazu kamen dann noch die Negativ-Meldungen über die Weltreise. Das alles gipfelte darin, dass Hitler persönlich ein Sonderehrengerichtsverfahren anordnete. Luckner selbst befand sich zu dieser Zeit noch an Bord des „Seeteufel“ in England und wurde dringend gewarnt zurückzukehren. Aber er ignorierte das und wollte um seine Ehre kämpfen. 1940 ordnete Hitler persönlich eine Quasi-Verbannung Luckners an, möglichst ohne großes Aufsehen im Ausland. Der „Seeteufel“ war für das „Tausendjährige Reich“ erledigt.

Aber dann wieder ein typischer Luckner: Im zerbombten Berlin rettete er die Jüdin Rose Janson vor dem Holocaust, in dem er ihr einfach zuvor gefundene Personalpapiere einer ums Leben gekommenen Frieda Schäfer gab und sie bei einer Freundin versteckte. Für diese Tat wurden Luckner „zu Ehren und zum Andenken an den bewährten Freund Israels“ in seinem Todesjahr 1966 postum – vom Vorsitzenden des Jüdischen Nationalfonds in Deutschland Herbert Lewin beurkundet – fünf Bäume im Thomas-Mann-Wald in Israel gepflanzt.

„Männer und Frauen von Halle – vollkommene Vernichtung droht eurer Stadt – es gibt nur eine Wahl – Übergabe oder Vernichtung.“ Flugblätter mit dieser Überschrift warfen US-amerikanische Truppen der 104. US-Division „Timber-Wolf“ in den Apriltagen 1945 über der Stadt ab. Der deutsche Kampfkommandant lehnte eine kampflose Übergabe ab. Es gab den „Führerbefehl“. Luckner wurde von vielen Bürgern gedrängt, mit den US-Truppen wegen einer Übergabe zu verhandeln. Man wusste um seine Ehrenbürgerschaft von einigen US-amerikanischen Städten. Zusammen mit einem Oberst der Schutzpolizei und einigen Vertrauten machte er sich auf den gefährlichen Weg durch die Linien. Das Risiko für die Unterhändler war enorm und es kostete Luck­ner mit seinen Begleitern ein großes Stück Überredungskunst, den US-General Terry Allen zu überzeugen, die Stadt nicht dem Erdboden gleichzumachen. Schließlich war Halle vor der Zerstörung verschont – der Krieg war aus.

Will man mit heutigem Wissen um die jüngere deutsche Geschichte eine Persönlichkeit wie Luckner charakterisieren, könnte man ihn vordergründig und einfach einen Opportunisten nennen. Damit aber wird man ihm sicher nicht gerecht. Er war kein Widerstandskämpfer und kein Heiliger, aber auch nie Mitglied der NSDAP. Seine Merkmale waren Spontanität, Hilfsbereitschaft, Kameradschaft und Loyalität, allerdings auch eine ungeheure Naivität und fast schmerzhafte Gutgläubigkeit, eigentlich ungewöhnlich für einen normalerweise taktisch kühl denkenden Marineoffizier. Aber wahrscheinlich ist das genau der Punkt. Im tiefsten Innern war und blieb er immer der, als der er einst zur See gegangen war – der träumerische, Abenteuer suchende einfache Segelschiffsjunge vor dem Mast. Und vielleicht wollte er auch nie etwas anderes sein. Michael Buschow


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