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06.10.12 / Vielflieger-Alarm auf Rügen / Im Herbst machen zehntausende Kraniche an der Ostseeküste Zwischenlandung, ehe sie gen Süden ziehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 40-12 vom 06. Oktober 2012

Vielflieger-Alarm auf Rügen
Im Herbst machen zehntausende Kraniche an der Ostseeküste Zwischenlandung, ehe sie gen Süden ziehen

Mit Beginn des Sonnenuntergangs beginnt der Einflug der Kraniche zu ihren Schlafplätzen in den seichten Ufergewässern von Meer und Bodden an Mecklenburg-Vorpommerns Ostseeküste. Vor allem in der Rügen-Bock-Region im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, wo sich bis Mitte November besonders viele Zugvögel niederlassen, um sich auf den abgeernteten Feldern der Region für den langen Weiterflug nach Süden die nötigen Energiereserven anzufressen.

Etwa 200 Meter vor ihrem zum Schutz vor Feinden ins Wasser verlegten Schlafplatz drosselt der Kapitän der Reederei Kipp aus Breege auf Rügen die Motoren seines Fahrgastschiffes und stoppt die Weiterfahrt im Großen Jasmunder Bodden. Die Passagiere strömen an Deck und fixieren in der Dämmerung mit ihren Ferngläsern das Schilf am fernen Ufer und die Feldmark dahinter. Auf den letzten Kranichfahrten der Saison im Oktober sind die Zugvögel hier schon recht rar geworden. Um so größer ist die Freude, wenn doch noch einige Nachzügler erspäht werden und sich daraufhin alle Augenpaare schwarmartig in dieselbe Richtung bewegen.

Doch selbst mit einem sehr guten Fernglas – und das sollte man schon haben – sind die Vögel des Glücks heute Abend nur schmenenhaft zu erkennen. Um sie in ihrer ganzen Farbenpracht direkt vor Augen zu haben, muss man sich schon wie ein echter Naturforscher auf die Lauer legen. So wie der Naturfotograf Rico Nestmann, der von frühester Jugend an von dem Vogel fasziniert war und seine im Laufe vieler Jahre gemachten Fotos auf der Rückfahrt der Kranichtour in einem eindrucksvollen Dia-Vortrag präsentiert.

„Mit zwischen 50000 und 70000 Kranichen ist die Rügen-Bock-Region eine der bedeutendsten Rastplätze Europas. Der Rast-höhepunkt wird voraussichtlich in der ersten Oktoberhälfte erreicht“, sagt Günter Nowald vom Kranich-Informationszentrum in Groß Mohrdorf bei Stralsund.

Doch auch von Land aus sind die majestätischen Tiere bei ihrem Abendeinflug zu den Schlafplätzen zu bewundern. Der ideale Platz interessierter „Birdwatcher“, wie die Vogelbeobachter neudeutsch heißen, sind die Beobachtungstürme oder Fotohütten, die im Osten der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst, unweit des Kranich-Informationszentrums nordwestlich der Hansestadt Stralsund und im Westen der Insel Rügen aufgestellt sind.

Tagsüber sind die scheuen Vögel sogar vom Auto aus gut zu sehen, wenn sie auf den abgeernteten Getreide- und Maisfeldern ihr Tischlein-deck-dich finden. Ihr bevorzugtes Gebiet ist dabei der Bereich zehn Kilometer nördlich und südlich der Bundesstraße B 105 zwischen Ribnitz-Damgarten und Stralsund.

Der Wappenvogel des Lufthansa zieht es jedoch nicht nur in den Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Auch im Müritz Nationalpark etwa werden bis Ende Oktober Schätzungen zufolge gut 7000 von ihnen Rast machen. Ebenso im Vierländereck, dem Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg jenseits der Landesgrenze, bietet das Rambower Moor beste Beobachtungsmöglichkeiten. Das Naturschutzgebiet nördlich von Lenzen, das Gänse und Kraniche im Herbst zu Tausenden als Schlafplatz nutzen, ist fast noch ein Geheimtipp. „3000 bis 4000 Kraniche sammeln sich dort zur Abenddämmerung“, erklärt Kathrin Heinke von der Naturwacht des Biosphärenreservates.

Susanne Gerstner vom BUND-Besucherzentrum Burg Lenzen ergänzt: „Die Attraktivität des Rambower Moores besonders als Kranichschlafplatz hat stark zugenommen, seit dort vor einigen Jahren im Rahmen des EU-Life-Projektes der zentrale Bereich des Moores durch Anstau wieder stärker vernässt werden konnte.“

Besonders attraktiv für Besucher ist, dass die Tiere sehr konzentriert zur Abenddämmerung ins Moor einfliegen und so in beeindruckender Kulisse und auf ganz engem Raum beobachtet werden können. Beste Möglichkeiten dafür bieten die beiden Beobachtungstürme bei Boberow und vor allem bei Rambow. Die beste Zeit zur Kranichbeobachtung ist hier Mitte bis Ende Ok-­tober. Geführte Fußwanderung zum Einflug der Kraniche finden am 19. Oktober um 17 Uhr von von der Kirche in Rambow statt.

Doch nicht nur Kraniche gastieren im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg, das sich rund um Wittenberge erstreckt. Im Winterhalbjahr lassen sich riesige Trupps von Bläss- und Saatgänsen, Enten, Sägern sowie Sing- und Zwergschwänen in der Elbtalaue rund um Lenzen und in der Lenzer Wische beobachten.

Ein umfangreiches Angebot an Experten-Führungen zu Fuß, per Rad, per Schiff oder mit der Kutsche widmet sich in den genannten Gebieten noch bis Ende Ok-tober dem Vogelflug. Eine gewisse Berühmtheit hat darunter Zingst auf der Ostsee-Halbinsel Fischland-Darß-Zingst erlangt.

Im Natureum Darßer Ort begleitet die Sonderausstellung „Kranich Faszination“ mit Bildern des Naturfotografen Carsten Linde (bis 31. Oktober 2012 täglich 10 bis 18 Uhr) den diesjährigen Vogelflug. Ganzjährig widmet sich die Ausstellung des Kranich-Informationszentrums Groß Mohrdorf (täglich 9.30 bis 17.30 Uhr) dem Weitflieger.

Als perfekte Anlaufstelle für alle Fragen rund um den Zugvogel werden Gäste dort über die aktuell besten Beobachtungsplätze auf seiner Rast in Mecklenburg-Vorpommern informiert (www.kraniche.de). Für das Rambower Moor und die brandenburgische Elbtalaue des Biosphärenreservats empfiehlt es sich sehr, das BUND-Besucherzentrum auf Burg Lenzen zu kontaktieren (www.burg-lenzen.de). Helga Schnehagen


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