20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
13.10.12 / Er gilt als Begründer der Ideengeschichte / Friedrich Meinecke: Vor 150 Jahren wurde der Gründungsrektor der Freien Universität Berlin im altmärkischen Salzwedel geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-12 vom 13. Oktober 2012

Er gilt als Begründer der Ideengeschichte
Friedrich Meinecke: Vor 150 Jahren wurde der Gründungsrektor der Freien Universität Berlin im altmärkischen Salzwedel geboren

Nach dem Deutsch-Französischen Krieg sah der am 30. Oktober 1862 in der kleinen altmärkischen Stadt Salz­wedel geborene Postmeisterssohn Friedrich Meinecke das siegreiche deutsche Heer durch das Brandenburger Tor nach Berlin einziehen. Vor ihnen „ein Häuflein alter Herren mit hohem Zylinder“, die letzten Veteranen der Befreiungskriege von 1813. Dieses Bild vergaß der Preuße Meinecke zeitlebens nie.

Nach dem Abitur schwankte Meinecke, ob er Historiker, Archivar oder doch lieber Gymnasiallehrer werden sollte. In Berlin und Bonn studierte er Geschichte und Germanistik, womit er sich alle Optionen offen hielt. Möglicherweise trug zu seiner Entscheidung für das Historikerdasein bei, dass er im Rahmen seines Studiums die Möglichkeit hatte, fast alle damals namhaften Historiker persönlich kennen zu lernen und deren Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Den zweifellos stärksten Eindruck auf Meinecke hinterließ der 74-jährige Johann Gustav Droysen, dessen Vorlesungszyklus „Methodologie und Enzyklopädie der Geschichte“ er im ersten Semester hörte. Der berühmte Heinrich von Treitschke, ein feuriger und impulsiver Redner, konnte dagegen den jungen Geschichtsstudenten nicht ganz so stark beeindrucken. Unter Droysens Aufsicht verfasste Friedrich Meinecke seine aufsehenerregende Dissertation über das sogenannte Strahlendorfsche Gutachten von 1609. Darin warnte angeblich der Reichsvizekanzler Leopold von Stralendorf  den habsburgischen Kaiser und die katholische Kirche vor einem bedrohlichen Machtanwuchs des Hauses Brandenburg. Jenes „Strahlendorfsche Gutachten“ war von Droysen bis dato für echt gehalten worden und hatte dem strikt antihabsburgisch gesinnten Treitschke zur Bekräftigung seiner Vorurteile gedient. Doch jetzt bewies der junge Doktorand Meinecke, dass es sich um eine Fälschung handelte, die nicht vor 1610 entstanden sein konnte.

Diese Dissertation zog die Aufmerksamkeit des berühmten Historikers und Leiters des Geheimen Staatsarchivs Heinrich von Sybel auf sich, der dem jungen Doktor 1887 eine Stelle als Archivar in der von ihm geleiteten Einrichtung verschaffte und ihn zur Habilitation aufforderte. Da die Amtspflichten eines Archivars nur fünf Dienststunden pro Tag umfassten, blieb Meinecke nämlich genug freie Zeit, sich mit einer zweibändigen politischen Biographie des preußischen Militärreformers und Kriegsministers Hermann von Boyen zu habilitieren.

1901 folgte daraufhin seine Berufung als Geschichtsprofessor nach Straßburg, 1906 ein Ruf nach Freiburg. Und schließlich erhielt Meinecke 1914 mit dem Ruf auf eine Professur in Berlin jene Stelle, die er bis zum Ruhestand 1928 innehaben sollte. Als Historiker begründete er mit seinen Werken „Weltbürgertum und Nationalstaat. Studien zur Genesis des deutschen Nationalstaates“ und „Die Idee der Staatsräson in der neueren Geschichte“ die sogenannte Ideengeschichte in der deutschen Historiographie und bildete seine eigene Schule der Geschichtsschreibung, deren bekanntester Vertreter Hans Rothfels wurde.

„Ich bleibe, der Vergangenheit zugewandt, Herzensmonarchist und werde, der Zukunft zugewandt, Vernunftrepublikaner.“ So beschrieb Meinecke selbst seine Reaktion auf die Novemberrevolution. Seine offene Einstellung gegenüber der Weimarer Republik zeigt sich auch in seiner Teilnahme an der Gründung der staatstragenden Deutschen Demokratischen Partei. Bereits vor deren „Machtergreifung“ geriet er mit den Nationalsozialisten in Konflikt. Daraufhin wurde ihm 1935 die Redaktion der renommierten „Historischen Zeitschrift“ entzogen. Weitere Repressalien blieben indes aus.

Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verfasste der 82-jährige Meinecke sein wohl populärstes historisches Werk: „Die deutsche Katastrophe“. In ihm sucht Meinecke nach Ursachen für das Dritte Reich. Nicht zuletzt durch diesen Versuch galt Meinecke nach der Kriegszeit als historische Autorität, wie überhaupt die Nachkriegszeit die wirkungsmächtigste Zeit dieses Historikers war. Hochbetagt wurde er Gründungsrektor der Freien Universität Berlin, deren Historisches Seminar den Namen „Friedrich-Meinecke-Institut“ erhielt. Fast 92-jährig verstarb Meinecke am 6. Februar 1954 in Berlin.

Bereits in den 60er Jahren wurde Meinecke seitens der nächsten Historikergeneration, die damals auf die Lehrstühle der deutschen Universitäten vorrückte, heftig attackiert. Am weitesten ging dabei der Fritz-Fischer-Schüler Immanuel Geiss, der den kurz zuvor noch hochgerühmten Historiker als „typischen Repräsentanten der reaktionären deutschen Historikerzunft“ und als „historisierenden Schamanen seiner Klasse“ schmähte. In der DDR wurde Meinecke vom marxistisch-leninistisch(-stalinistisch)en Standpunkt aus als Historiker verunglimpft, den stets eine „imperialistische Konzeption“, „reaktionäre Lehren“ und „Antidemokratismus“ ausgezeichnet hätten. Seit 1985, als Bundespräsident Richard von Weizsäcker das Jahr 1945 als „Befreiung“ bezeichnete und nicht etwa, wie Meinecke im Jahr 1946 als große deutsche „Katastrophe“, nahm Meineckes historisches Renommee weiteren Schaden. Unlängst hat zudem der namhafte Bonner Osteuropahistoriker Hans Rothe in seinem Werk „Hermann von Boyen und die polnische Frage“ Meinecke gewisse fachliche Mängel, beruhend auf einem teilweise oberflächlichen Umgang mit den Quellen, vorgeworfen. Mag auch Fried­rich Meineckes Historikerruhm in den letzten 50 Jahren stark verblasst sein, so verkörpert er doch in seiner Person wie kein anderer den Übergang von der preußischen Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts hin zur modernen deutschen Geschichtsschreibung im 20. Jahrhundert.   Jürgen W. Schmidt


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren