19.04.2024

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13.10.12 / Endlich Oma! / Ein Baby lässt uns manchmal alt aussehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 41-12 vom 13. Oktober 2012

Endlich Oma!
Ein Baby lässt uns manchmal alt aussehen

Die Kinder sind ihr entwachsen. Mutter ist nicht mehr jung, aber auch längst noch nicht alt. Endlich hat sie die wehmütigen Gedanken über die vergangenen arbeitsreichen, aber glücklichen Jahre mit dem letzten Wintermief zum Fenster hinausgeschüttelt und sieht nun ein wenig abgeklärt neuen ereignisreichen Zeiten entgegen − da klingelt das Telefon. Die jubelnde Stimme ihrer ältesten Tochter dringt an Mutters Ohr: „Mama, du wirst Oma!“

Mutter schnappt nach Luft. Das haut sie glatt vom Stuhl. Gerade hat sie das wirklich noch jugendliche Alter von etwas über Vierzig erreicht, fühlt nun eine dynamische, spritzige, frühlingshafte Kraft in sich, überlegt, welches Hobby sie wohl pflegen, was für ein Kleid und welche Haarfarbe ihr am besten stehen, und schon macht man sie zur Großmutter. Sie denkt an das dritte Gebiss, an Krückstöcke, Latschen und altersbedingte Gebrechen. Man wird sie irgendwann nur noch „Oma“ nennen. Neiiiiin, das darf doch nicht wahr sein!

Doch dann keimt gleich einem zarten Pflänzchen der Gedanke an ein rosiges, nuckelndes Bündel in ihr auf, an winzige geballte Fäustchen, die sich öffnen und dargebotene Finger umklammern,  an den typischen Geruch von Babywäsche, an Märchenbücher, Karussells, vertrauensvoll bli­ckende Kinderaugen. Sie wird ja keine alte Oma sein, sondern richtig ausgesprochen: Eine Großmutter! Eine noch junge Großmutter! Plötzlich ist sie gerührt und ihr Glückwunsch an die Tochter klingt herzlich.

Es gibt doch auch junge Omas, die mit ihren Enkeln mitten in eine Pfütze springen, statt darüber, die sich trauen, Äpfel von fremden Bäumen zu pflücken, die bunte Käfer bewundern und durchaus noch bis Drei zählen können.

Eins steht jedenfalls fest: Sie wird ihren Kindern niemals in die Erziehung hineinreden, wird auch nie Moralpredigten halten, nie, niemals! Ob Oma sich aber später an die guten Vorsätze halten wird, ist eine andere Frage.

Lebertran jedoch muss der Kleine gleich von Anfang an unbedingt bekommen und natürlich bald eine Eisenbahn. Und wenn es ein Mädchen ist, kriegt es die Puppe mit echtem Haar, die sie sich selbst als Kind immer gewünscht hat.

Nein, heutzutage ist das ja anders. Mädchen spielen mit Traktoren und Motorrädern. Na, Oma wird das alles deichseln, wenn es erst so weit ist!

Doch jetzt muss sie schnell Papa benachrichtigen, damit er sich sofort an das Schreinern der Wiege macht. Die werdende Oma lächelt verträumt, bewegt sich dann elastisch vorwärts. Wo sind die Babybilder ihrer Ältesten? Ach, die war ja so süß! Und die anderen beiden erst!

Nach dem Durchblättern alter Fotoalben steppt die werdende Oma durch das Wohnzimmer, schwingt die Arme und singt mit lauter Stimme: „Ich bin die fesche Oma, der Liebling der Saison ...“. Was wohl die Nachbarn denken werden? Unsinn! Die werden sie als Erste um den süßen Fratz im Kinderwagen beneiden, den sie mit stolzer Miene durch die Straße schiebt.

Also dann! Dies wird das Jahr der Oma sein – ihr Jahr! Gabriele Lins


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