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20.10.12 / Nichts dazugelernt / Trotz deprimierender Resultate hält Brandenburg an linkem Schul-Reformismus fest

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-12 vom 20. Oktober 2012

Nichts dazugelernt
Trotz deprimierender Resultate hält Brandenburg an linkem Schul-Reformismus fest

Nur mäßig bis schlecht haben Brandenburgs Schüler in einem bundesweiten Grundschultest abgeschnitten. Unter den 16 Bundesländern rangierten sie beim Lesen und Rechnen auf hinteren Rängen, Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) ist dennoch zufrieden.

Brandenburg liege im guten Mittelfeld, beim Lesen gebe es einen positiven Trend, so die Ministerin. Insgesamt bestätigt die Grundschulstudie Altbekanntes: Den größten Nachholbedarf haben die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg. Wie üblich schneiden die Schüler aus Bayern und Sachsen am erfolgreichsten ab. Bestätigen könnte sich damit, was inzwischen von einigen Bildungsforschern unumwunden eingeräumt wird: Im Bundesvergleich liefern die Schulsysteme die besten Ergebnisse, an denen bisher wenig herumreformiert wurde, in denen sich die Schüler statt auf neue Schul- und Unterrichtsmodelle einfach auf das Lernen konzentrieren können.

Doch die Freude an Schulreformen scheint zumindest bei Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch noch nicht erloschen zu sein: Aktuell ist es die „Inklusive Schule“, eine der Lieblingsideen der Bildungsministerin, die auf der Tagesordnung steht. Mit Beginn des Schuljahrs 2012/13 wurde an 85 märkischen Grundschulen ein entsprechendes Pilotprojekt gestartet: Statt an Spezialschulen sollen Schüler mit sonderpädagogischen Förderbedarf nun an regulären Grundschulen unterrichtet werden.

Damit das Konzept überhaupt eine Erfolgsaussicht hat, ist an den Grundschulen ein entsprechend aufgestock-ter Bestand an Lehrkräften nötig. Dass der auch gegeben ist, wird inzwischen allerdings bezweifelt. Günther Fuchs, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), wirft der Bildungsministerin bereits vor, ihr Versprechen nicht gehalten zu haben, für das Projekt ausreichend neue Lehrerstellen zu schaffen. Seine Befürchtung: Lehrer werden einfach von anderen Schulen abgezogen statt zusätzlich eingestellt.

Auch ohne Vorhaben wie die „Inklusive Schule“ stehen dem Brandenburger Schulsystem genug Herausforderungen ins Haus: Ab 2017 wird zunächst im ländlichen Raum, ab 2020 im gesamten Land Brandenburg mit einem starken Rück­gang der Schülerzahlen gerechnet. Ursache sind die geringen Geburtenzahlen der 90er Jahre, die eine Generation später einen zweiten Geburtenknick zur Folge haben.

Was auf das Schulsystem damit zukommt, wird mit Blick auf die vergangenen 20 Jahre deutlich: Schon die gesunkenen Geburtenzahlen nach 1990 haben dazu geführt, dass knapp 40 Prozent der Brandenburger Schulstandorte geschlossen werden muss­ten. Die Stabilisierung der Schülerzahlen, die sich seit dem Jahr 2008 eingestellt hat, wird nur vorübergehend sein. Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg geht davon aus, dass sich bis 2030 die Zahl der Geburten in Brandenburg halbieren wird. Von 19000 im Jahr 2011 auf dann 9900. In abgelegenen Regionen wird sogar mit einem Einbruch der Geburtenzahlen um bis zu zwei Drittel gerechnet.

Stundenlange Schulwege sind allerdings schon jetzt in einigen ländlichen Regionen Brandenburgs keine Seltenheit. Mit den Auswirkungen dieser demografischen Ent­wick­lung und Lösungsmöglichkeiten für das Schulsystem wird sich nun eine Kommission befassen, die bis August 2013 Vorschläge ausarbeiten soll. Als Vorbild gelten Skandinavien und Südtirol, die bereits jetzt mit ähnlichen Problemen bei der Schulversorgung in dünnbesiedelten Gebieten zu kämpfen haben.

Obwohl der 18-köpfigen Kommission „alle mit der schulischen Bildung im Land Brandenburg befassten Akteure“ angehören sollen, haben Vertreter der freien Schulen vom Bildungsministerium keine Einladung erhalten. Ein erstaunlicher Vorgang: In Brandenburg spielen die freien Schulen keineswegs eine so unbedeutende Rolle, wie es die Bildungsministerin anscheinend gern hätte. Auf 445 staatliche Grundschulen kommen immerhin 60 Grundschulen in freier Trägerschaft. Erstaunlich ist die Begründung der Ministerin, warum sie angesichts der demografischen Herausforderung auf die freien Schulen verzichten will: Die Kommission solle sich in erster Linie um den Versorgungsauftrag der öffentlichen Schulen kümmern, so Münch.

Selbst in der eigenen Partei scheint der Erkenntnisstand da schon weiter zu sein: „In Ostdeutschland ist als Trend zu beobachten, dass im Primarschulbereich vielfach private (insbesondere kirchliche) Träger einspringen, um ein fehlendes öffentliches Angebot zu substituieren“, so der Bildungsforscher Manfred Weiß in einer Studie für die Friedrich-Ebert-Stiftung der SPD.

Tatsächlich reiht sich die jüngste Ausgrenzung der freien Träger bei der Demografie-Kommission in die systematische finanzielle Benachteiligung der freien Schulen ein. Seit dem Jahr 2003 werden die Zuwendungen des Landes an die freien Träger stufenweise heruntergefahren, so dass sie mittlerweile nur noch 60 bis 70 Prozent der Sach- und Personalkosten abdecken. Die Situation hat inzwischen dazu geführt, dass mehrere Projekte für weitere freie Schulen auf Eis gelegt wurden. Umso beachtlicher ist die Erfolgsbilanz für die „Freien“ – trotz der augenscheinlichen Bemühungen, das Rad rückwärts zu drehen: Während die Zahl der Schüler in den öffentlichen Schulen um fast 40 Prozent auf gut 243000 gesunken ist, verdreifachte sie sich in den freien Schulen auf fast 27000. Norman Hanert


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