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20.10.12 / Liebesgrüße aus Russland / Ausstellung in Berlin zeigt jahrtausendalte Schicksalsbeziehung zwischen Russen und Deutschen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-12 vom 20. Oktober 2012

Liebesgrüße aus Russland
Ausstellung in Berlin zeigt jahrtausendalte Schicksalsbeziehung zwischen Russen und Deutschen

Auf der Berliner Museumsinsel wurde am 4. Oktober im Beisein von Bundespräsident Joachim Gauck die zuvor schon in Moskau gezeigte Ausstellung „Russen und Deutsche. 1000 Jahre Kunst, Geschichte und Kultur“ eröffnet. In Deutschland ist sie Höhepunkt des derzeit in beiden Ländern laufenden russisch-deutschen Kulturjahres, das mit wechselseitigen Ausstellungen, Gesprächen und Begegnungen zeigen soll, wie intensiv eine tausendjährige gemeinsame Geschichte beide Völker verbindet.

Die unter der Schirmherrschaft der Präsidenten beider Länder, Gauck und Putin, stehende Schau mit über 600 Exponaten aus russischen, deutschen und weiteren internationalen Museen war in Moskau auf bestimmte Schwerpunkte hin angelegt. In Berlin ist sie chronologisch geordnet, beginnt also mit dem ersten Zentrum russischer Kultur, Nowgorod, wo die Hanse im Jahr 1192 ein Kontor errichtete, das bald zu einem Zentrum des Handels wurde. Wachs, Bernstein und Teer, das zeigen einige höchst seltene Ausstellungsstücke, waren begehrte russische Produkte.

Ins Blickfeld auch des politischen Interesses rückte Russland in Europa nach dem Ende der Mongolenherrschaft: Mehrere ausgestellte, in Bild und Text gleichermaßen faszinierende Stiche zeigen die „Moscowitterische“, die berühmte Regensburger Gesandtschaft des Zaren an den deutschen Kaiser von 1576. Was bringen die Russen als Geschenke? Natürlich Pelze. Und für deutsche Würdenträger gibt es gleich haufenweise Zobel.

Kein anderes Volk war bis weit in das 19. Jahrhundert in Russland so präsent wie die Deutschen. Die Ausstellung zeigt das an großartigen, zum Teil bislang im Westen noch nie gezeigten Beispielen: die deutsche Vorstadt im Moskau des 16. und 17. Jahrhunderts (deutsche Grabsteine und Handwerkszeugnisse); die Reformen Peter des Großen; die berühmten Kamtschatka-Expeditionen (gezeigt wird unter anderem der Schädel der legendären „Stellerschen Seekuh“); die Gründung der Akademie der Wissenschaften, von deren ersten 13 Mitgliedern gleich neun Deutsche waren, weshalb die Akademiesprache auch deutsch war; die aus Anhalt-Zerbst stammende Zarin Katharina die Große; das 19. Jahrhundert, beginnend mit der Waffenbrüderschaft gegen Napoleon (gezeigt wird beispielsweise das zur Ikone gewordene Gemälde „Die Konvention von Tauroggen“) und der intensive Kontakt in vielen Bereichen von Technik und Kultur.

Vor dem Eingang zum 20. Jahrhundert steht eine wuchtige, metallisch beschlagene Wand. Sie ist Symbol dafür, dass die Freundschaft zu Ende war und dass vielmehr das 20. Jahrhundert von Terror, Krieg und Verbrechen gekennzeichnet ist. Einfühlsam haben sich hier die Aussteller moderner Medien bedient. Kaum noch Ausstellungstücke, sondern gewaltige Fotografien der schlimmsten Schlachtfelder des Zweiten Weltkrieges (Stalingrad, Leningrad, Kursk, Seelower Höhen), berührende Zeugnisse von Deutschen und Russen aus Gefangenschaft, Hungerjahren und Vertreibung sowie schließlich die von den Machthabern gelenkte, letztlich hohle „deutsch-sowjetische Freundschaft“ in der DDR.

Aber das ist nicht das letzte Wort. Die letzten Tafeln zeigen die unmittelbare Gegenwart: Zu Wort kommen Deutsche, die in Russland leben, und Russen, die in Berlin zu Hause sind. Sie schildern auf annähernd gleiche Fragen ihr Leben und ihre jeweiligen Eindrücke vom Gastland. Die Unterschiede sind deutlich, aber akzeptiert man sie im Alltag, und so komme man, so der Tenor fast aller Aussagen, gut zurecht.

Am Ende der Ausstellung noch einmal ein „Bonbon“: Gezeigt wird das einzig erhaltene Mosaik des berühmten Bernsteinzimmers; inmitten eines breiten, glutroten Rah­mens mit er­lesenster Stein­bearbeitung ist eine Hirten­szene in antiker Landschaft zu sehen – ein Kunstwerk, das man vermutlich sobald wohl nicht wieder in Deutschland sehen wird.

Projektiert wurden die Ausstellungen vom Museum für Vor- und Frühgeschichte der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und vom Moskauer Staatlichen Historischen Museum. Dessen Direktor Aleksej K. Levykin sagte bei der Eröffnung, es gebe keine rein deutsche oder keine rein russische Geschichte, sondern „nur eine gemeinsame Geschichte und Kultur“. Stiftungspräsident Hermann Parzinger äußerte, das schreckliche 20. Jahrhundert solle und dürfe nicht den Blick auf 1000 Jahre Freundschaft und Gemeinsamkeit verstellen.

Mag diese Ausstellung ein Höhepunkt des gemeinsamen Kulturjahres in Deutschland sein, so war es in Moskau im Sommer eine Schau über Joseph Beuys (Parzinger: „Ein wunderbares Ereignis“). Im kommenden Jahr soll in Moskau und in St. Petersburg eine Ausstellung zur Bronzezeit gezeigt werden, hier mit vielen Stücken wie dem Goldschatz aus Eberswalde oder Flussfunden aus Spandau, die als „Beutekunst“ noch immer in russischen Museen lagern.

Nach Angaben von Matthias Wemhoff, dem Kurator der Berliner Ausstellung, befinden sich vermutlich „noch immer“ über eine Million Objekte aus deutschen Museen in russischen Magazinen. Er drückte die leise Hoffnung auf „Bewegung“ in Sachen Beutekunst aus, wenn die Zusammenarbeit „im Geiste guter Freundschaft“ weitergehe. Dirk Klose

Die Ausstellung im Neuen Museum läuft noch bis zum 13. Januar 2013. Der Eintrittspreis beträgt 14 Euro.


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