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20.10.12 / Bodenständig, genügsam und robust / Die Ostpreußische Skudde steht auf der Roten Liste der bedrohten Nutztierrassen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 42-12 vom 20. Oktober 2012

Bodenständig, genügsam und robust
Die Ostpreußische Skudde steht auf der Roten Liste der bedrohten Nutztierrassen

Eigentlich gehört dieser Beitrag in die obige Kolumne, denn es werden in dem betreffenden Schreiben mehrere Fragen gestellt, aber dann kristallisierte sich doch ein Thema heraus, das mehr als einige Zeilen beansprucht. Es handelt sich nämlich in dem Brief von Herrn Johann-Willy Matzpreiksch aus Mannheim-Seckenheim um die Skudden, unsere heimischen Schafe, bodenständig wie wir alten Ostpreußen und mit dieser und anderen ausgeprägten Eigenschaften auch durchaus mit uns vergleichbar. Doch zuerst zu einer anderen Frage, die Herr Matzpreiksch in seinem Schreiben aufwirft. Sie betrifft ein kurzes Erlebnis, das er nicht vergessen hat, obgleich es schon Jahrzehnte zurückliegt. Es war in Mannheim, als unserem Landsmann ein älteres Ehepaar auffiel, das vor ihm auf der Straße ging und sich lebhaft unterhielt. In einer Sprache, die Herr Matzpreiksch nicht einordnen konnte. Jedenfalls nicht deutsch oder holländisch, wie er meinte, und deshalb sprach er das Ehepaar an. Die Antwort kam kurz und knapp: „So hat man im Königsberger Hafen gesprochen!“ Nun lebten die beiden in Speyer, soviel verrieten sie noch. Herr Matzpreiksch war so perplex, dass er nicht nachhaken konnte, jetzt will er die Frage nachholen. Bei uns! Die Antwort dürfte ebenso kurz und knapp ausfallen: plattdeutsch – was denn sonst? Unser gutes, altes, gemütliches Platt oder Niederpreußisch, wie es sprachwissenschaftlich eingeordnet wird. Natürlich hörte man in dem großen Seehafen auch andere Idiome, vor allem osteuropäische, aber sie blieben Sprachinseln, die sich auf bestimmte Gruppen der im Hafen Tätigen beschränkte. Sollte das in Speyer lebende Ehepaar trotz der langen Zeitspanne sich an die Begegnung in Mannheim erinnern – und auch diese Zeilen lesen –. könnte es sicher meine Erklärung bestätigen. (Johann-Willy Matzpreiksch, Gaggenauer Straße 15 in 68239 Mannheim-Seckenheim.)

Doch nun zu den Skudden, mit denen Herr Matzpreiksch wohl weder privat noch beruflich zu tun hat, aber er interessiert sich für diese alte Hausschafrasse und vor allem für den Namen. Der mag für fremde Ohren eigenartig erklingen, uns Ostpreußen aber ist er vertraut und heimatlich. Herr Matzpreiksch listet nun bezüglich der Herkunft viele (Un-)Möglichkeiten auf, auf die ich gar nicht näher eingehen will bis auf die Frage, ob der Name mit der litauischen Stadt Skuodas in Verbindung gebracht werden kann. Nun gehört die Skudde zu den ältesten Hausschafarten Europas. Sichere Nachweise für ihre Existenz in Ostpreußen und im Baltikum gibt es seit der Ordenszeit. Ungeklärt ist noch, ob es sich bei dieser Haustierrasse um das „Schaf der Wikinger“ oder um direkte Nachfahren jungsteinzeitlicher Schafe handelt.

Auch der Name führt in die graue Vorzeit zurück. Wenn auch die genaue Herkunft ungewiss ist, so kommt er zweifellos aus dem westbaltischen Sprachraum, also aus dem prussisch-litauischen Sprachbereich. Im Deutschen ist für das ehemalige Grenzgebiet zu Litauen „Skudde“ sowohl in der Bedeutung als „Schaf“ als auch in der Bezeichnung einer Rasse nachgewiesen. Es gibt auch den Namen „Skudde“ als deutschen Familiennamen prussischer Herkunft. Das prussische Wort „skudan“, das so viel wie „Schaden“ bedeutet, sowie das litauische „skuodimas“ für „hüpfen, springen“ weisen auf einen gemeinsamen Wortstamm hin. Im litauischen Sprachbereich werden Schafe und Ziegen mit „skudi“ oder „skuis“ gelockt oder gescheucht. In der von Herrn Matzpreiksch erwähnen litauischen Stadt „Skuodas“ wurden bis in die Nachkriegszeit hinein primitive Landschafe gehalten.

Für unsere prussischen Vorfahren war die Skudde jedenfalls das ideale Hausschaf. Es überstand die langen, kalten Winter auch im Freien gut, da das mischwollige Vlies das Tier perfekt vor der Auskühlung oder Durchnässung schützt. Die Skudde ist ein genügsames Schaf, das auch mit mageren Böden zufrieden ist, weil sie weder Brennnesseln noch Disteln oder Ampfer verschmäht. Für unsere Vorfahren waren aber noch weitere Eigenschaften wichtig: Das mischwollige Vlies, das durch einen jahreszeitlichen selbständigen Wechsel eine Schur überflüssig machte, die guten Fortpflanzungsmöglichkeiten durch die Frühreife der weiblichen Skudden, die bereits im ersten Lebensjahr trächtig wurden und deren vorzügliche Mütterlichkeit bewirkte, dass es kaum Lämmerverluste gab. Ein guter Fleischlieferant war und ist die Skudde, bedingt durch die geringe Größe – die Skudde ist die kleinste deutsche Schafrasse – und das geringe Lebendgewicht, leider nicht. Dafür weist das Fleisch aufgrund der Ursprünglichkeit der Rasse einen deutlichen Wildbretgeschmack auf, der ihm eine herb-würzige Note gibt.

Soviel unsere Ausführungen zur Beantwortung der Frage von Herrn Matzpreiksch, dessen Name ja übrigens in das Ursprungsgebiet der Skudden weist. Sicherlich haben auch seine Vorfahren dieses genügsame, robuste Schaf gehalten, das für den Lebensunterhalt unserer ältesten Vorfahren unentbehrlich war. Und es hat sich mit seiner Zähigkeit durch alle Wirren unserer Zeit gerettet und blieb uns, obgleich es schon zeitweilig als ausgestorben galt, reinrassig erhalten – dank passionierter Züchter, die bewusst diese ostpreußische Tradition pflegen. Wie wichtig ihre Arbeit ist, bezeugt die Tatsache, dass die Ostpreußische Skudde auf der Roten Liste der bedrohten Nutztierrassen steht. R.G.


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