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27.10.12 / Der unterdrückte Arabische Frühling / Die USA, Saudi-Arabien und andere Golf-Staaten spielen, wenn es um Bahrain geht, ein doppeltes Spiel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-12 vom 27. Oktober 2012

Der unterdrückte Arabische Frühling
Die USA, Saudi-Arabien und andere Golf-Staaten spielen, wenn es um Bahrain geht, ein doppeltes Spiel

Im Fall von Syrien spielen sich autoritäre Regime wie Saudi-Arabien und Katar als Beschützer von Menschenrechten auf. Gleichzeitig unterdrücken sie selbst – mit Duldung der USA – in Bahrain blutig einen Volksaufstand.

Reformen und Mäßigung waren es, die ausgerechnet König Abdullah von Saudi-Arabien vor einiger Zeit bei der syrischen Führung anmahnte. Das Land, in dem der Abfall vom Islam immer noch die Todesstrafe nach sich zieht, zog passenderweise auch als eines der ersten seinen Botschafter aus Da-

maskus ab – aus Protest gegen die syrische „Todesmaschinerie“. Sehr viel weniger Wert auf Menschenrechte legt Saudi-Arabien dagegen im eigenen Land und beim kleinen Nachbarn Bahrain. Saudische Truppen waren es, die im März 2011 in Bahrain einmarschierten und einen Volksaufstand blutig niederschlugen. Geschätzte 1500 saudische Soldaten sorgen seitdem dafür, dass vor der Haustür Saudi-Arabiens keine neue Variante des Arabischen Frühlings entsteht. Bei den auseinandergeknüppelten Demonstrationen wurden nicht nur Oppositionelle schwer misshandelt, sondern sogar Rettungskräfte. In den Gefängnissen ist Folter die Regel, sind lange Haftstrafen oder Todesurteile für die politischen Gefangenen keine Seltenheit.

Trotz des saudischen Eingreifens bleibt Bahrain ein Pulverfass: 70 Prozent der 500000 Einwohner sind Schiiten, das von den Saudis gestützte Herrscherhaus der Al-Chalifa gehört dagegen den Sunniten an. Vor diesem Hintergrund läuft in dem Land bereits seit Jahrzehnten eine systematische Benachteiligung der schiitischen Bevölkerungsmehrheit, die man getrost als Apartheitspolitik bezeichnen kann. Führungsposten in der Wirtschaft werden nur mit Schiiten besetzt, wenn sich kein sunnitischer Bewerber meldet. Völlig verschlossen ist Schiiten der gesamte öffentliche Dienst. Posten bei Polizei und Armee werden bewusst mit Sunniten aus dem arabischen Ausland oder Pakistan besetzt.

Mit der gleichen Zielsetzung läuft Bahrains Einbürgerungspolitik. Massenweise wird Arbeitskräften aus Pakistan oder Jordanien die Staatsbürgerschaft von Bahrain verliehen, um die demografischen Zusammensetzung des Landes zu verschieben. Die Ungleichbehandlung der Schiiten hat nicht nur einen religiösen, sondern auch einen massiven materiellen Hintergrund. Mit einer Fördermenge von täglich nur 200000 Barrel Öl fließen in Bahrain die Petro-Dollars wesentlich spärlicher als bei den ölreichen Nachbarn. Im Falle Bahrains reichen die Einnahmen nicht aus, um die Loyalität weiter Teile der Bevölkerung regelrecht zu erkaufen, wie dies in Saudi-Arabien, Katar und andere Golf-Staaten praktiziert wird. Bahrains Öleinnahmen landen zum größten Teil nur beim Herrscherhaus sowie der sunnitischen Ober- und Mittelschicht. Das sunnitische Saudi-Arabien hat nicht nur religiöse Motive, die Zustände im Nachbarland mit blutiger Gewalt aufrechterhalten. In der Erdölprovinz Hasa besitzen die Saudis in den eigenen Grenzen eine schiitische Bevölkerungsgruppe, die ethnisch mit den bahrainischen Schiiten verwandt ist und deren Aufbegehren gefürchtet wird.

Die Saudis stehen in ihrem Bemühen, in Bahrain weiter den bisherigen Diktator an der Macht zu halten, nicht allein. Der Einmarsch der saudischen Verbände im Jahr 2011 geschah mit voller Billigung des Golf-Kooperationsrates, zu dem Länder wie Katar, Kuwait und Oman gehören. Mittlerweile unübersehbar verfolgen die Golfratsmitglieder eine Doppelstrategie. Im eigenen Land wird mit Repressionen, dosierten Reformankündigungen und finanziellen Geschenken dafür gesorgt, dass keine Revolutionsstimmung aufkommt. In Libyen und Syrien dagegen werden Umstürze regelrecht angezettelt und bereitwillig unterstützt. Vom Westen – vor allem von den USA – perfekt kopiert wurde dabei inzwischen die Verwendung des Begriffs „Menschenrechte“ als Allzweck-waffe der Außenpolitik. Auch im Fall Bahrains waren es die USA, die bestes Anschauungsmaterial für doppelbödige Moral lieferten: „Das ist keine Invasion eines Landes“, so der Presse-Sekretär des Weißen Hauses nach dem Einmarsch der Golf-Truppen. Ähnlich wortkarg gibt man sich in anderen westlichen Hauptstädten.

Dass es nach Washingtoner Lesart in Syrien um Menschenrechte geht, im Falle Bahrains dagegen von der „Herstellung von Sicherheit“ gesprochen wird, hat handfeste Gründe: Die US-Regierung sieht in Bahrains Herrscherfamilie einen wichtigen Verbündeten. Die Insel ist Stationierungsbasis der

5. US-Flotte: Mit etwa 3000 Soldaten ist Bahrain der wichtigste amerikanische Stützpunkt in der gesamten Golf-Region und spielt im Hinblick auf sämtliche US-Planspiele für den Iran eine entscheidenden Rolle. Bis 2015 wollen die USA 580 Millionen Dollar in den Stützpunkt investieren.

Es ist nicht der einzige Anlass für die USA, mit zweierlei Maß zu messen. Mit ihren Petro-Dollars gehören die Golf-Staaten zu den gefragtesten Waffenkäufern der Welt. Das Regime in Saudi-Arabien verfügt darüber hinaus aus Sicht der USA noch über ein strategisches Pfand. Unter den großen Ölproduzenten der Welt können die Saudis als einzige die Förderung im Notfall um mehrere Millionen Barrel täglich nach oben fahren. Saudi-Arabien ist so in der Lage, einen Förderausfall des Irans weitgehend auszugleichen. Norman Hanert


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