20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
27.10.12 / Front gegen Verbraucher / EU: Auch Sozialdemokraten für Beibehaltung von Provisionen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-12 vom 27. Oktober 2012

Front gegen Verbraucher
EU: Auch Sozialdemokraten für Beibehaltung von Provisionen

Noch am 24. September herrschte europaweit bei Verbraucherschutzverbänden Hochstimmung. Ein seit langem von ihnen gefordertes Verbot von Provisionszahlungen beim Verkauf von Finanzprodukten hatte endlich Eingang in einen Entwurf zur neuen EU-Finanzmarktrichtlinie gefunden. Bereits am 26. September war wieder Ernüchterung eingekehrt. In einer regelrechten Nacht-und-Nebel-Aktion ist in einem 400-seitigen Dokument zwar nur das Wort „und“ gegen ein „oder“ ausgetauscht worden, die Wirkung ist allerdings durchschlagend: Provisionen, die Banken ihren Beratern beim Verkauf von Finanzprodukten an Kunden zahlen, sollten künftig offengelegt „und“ an den Kunden weitergegeben werden, so sah dies zumindest ein von allen Parteien ausgehandeltem Kompromiss im EU-Parlament noch am 24. September vor. Zwar nicht der Form nach, aber de facto wäre diese Regelung das Ende von Provisionen bei Finanzprodukten gewesen.

Quasi in letzter Minute haben am 26. September die europäischen Sozialdemokraten beantragt, dass im Gesetzentwurf die Provisionsabschaffung wieder gekippt wird. Provisionen sollen demnach entweder offengelegt oder an die Kunden durchgereicht werden. Kaum lag der überraschende Änderungsantrag der europäischen Sozialdemokraten vor, wurde er mit den Stimmen der Europäischen Volkspartei und der europäischen Liberalen noch in einer Nachtsitzung angenommen. In der Praxis hat sich damit das Provisionsverbot erledigt. Ziel des Vorhabens war es eigentlich gewesen, Fehlanreize bei der Beratung von Kunden auszuschalten. Kunden sollten nicht nur wissen, in welcher Höhe Provisionen in einen Vertragsabschluss einfließen, sondern den Beratern sollte auch der Anreiz genommen werden, aus eigenem finanziellen Interesse bewusst falsch zu beraten.

Bereits seit längerem wird von Verbraucherschützern kritisiert, dass die Aussicht auf Provisionen dazu führe, dass nicht unbedingt das Finanzprodukt offeriert werde, dass am besten für den Kunden geeignet ist, sondern jenes, das für den Verkäufer die meisten Provisionen abwirft. Von Verbraucherschützern wird der Schaden durch falsche Finanzberatung in Deutschland auf jährlich 98 Milliarden Euro geschätzt.

Die Alternative zur derzeit vorherrschenden provisionsbasierten Beratung wäre eine Honorarberatung. Statt durch eine Provision – die nach Vertragsabschluss letzt-endlich ohnehin der Kunde bezahlt – wird dabei gegen ein fest vereinbartes Honorar eine Finanzberatung angeboten. Zwar existieren derartige Angebote bereits, im Vergleich zu der provisionsbasierten Beratung führen sie allerdings bisher ein Nischendasein. Über 90 Prozent des Vertriebs von Finanzprodukten basiert immer noch auf Provisionsberatungen. Bleibt es beim derzeitigen Stand, dann wird der im Ausschuss geänderte Gesetzentwurf noch diesen Monat im EU-Parlament zur Abstimmung gestellt. In Kraft treten soll die neue Finanzmarktrichtlinie „Mifid II“ (Markets in Financial Instruments Directive) im Jahr 2014. Norman Hanert


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren