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27.10.12 / Sie war die größte und holte das Blaue Band / Ein Feuer verhinderte den Umbau des Luxusschiffes »Normandie« in einen Truppentransporter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-12 vom 27. Oktober 2012

Sie war die größte und holte das Blaue Band
Ein Feuer verhinderte den Umbau des Luxusschiffes »Normandie« in einen Truppentransporter

In der Welt der Passagierschifffahrt gibt es keinen Stillstand. Immer schneller, größer und komfortabler müssen die Schiffe sein. Das war auch vor acht Jahrzehnten so. Obwohl durch die Weltwirtschaftskrise alle Reedereien Passagiere verloren und ihre Schiffe sogar vorübergehend außer Dienst stellen mussten, plante man Anfang der 1930er Jahre in Frankreich ein neues Riesenschiff, das die Franzosen im maritimen Bereich wieder an die internationale Spitze führen sollte. Im Wettstreit mit Großbritannien, wo ebenfalls ein großes Schiff – die spätere „Queen Mary“ – unter großer Geheimhaltung geplant wurde, gab die Reederei CGT ab 1931 die „Normandie“ in Auftrag, das mit einer Länge von 313,75 Metern und einer Tonnage von 79280 Bruttoregistertonnen damals größte Schiff der Welt. Nach vorangegangenen lebhaften Debatten über den Sinn und Unsinn eines derartigen Luxusdampfers – in einigen Kreisen galt sie als unbesonnene Extravaganz – subventionierte die französische Regierung den Neubau großzügig mit umgerechnet 60 Millionen US-Dollar.

Am 29. Oktober 1932 um 15 Uhr durchschnitt die Gattin des französischen Präsidenten Albert Lebrun ein Band und ließ damit zu den Klängen der Marseillaise die obligatorische Champagnerflasche am Bug zerschellen. Anschließend glitt der Schiffsrumpf langsam in die Loire. Nach dem Stapellauf ließ man sich jedoch mit der Fertigstellung Zeit, da die Passagierzahlen weiterhin stagnierten, so dass die Ausreise zur Jungfernfahrt erst am 29. Mai 1935 stattfand, als die Krise überwunden war und wieder mehr gereist wurde.

Die „Normandie“ hatte elegante Linien und einen schneidigen Bug, der für eine rasche Vorwärtsbewegung sorgte. Die drei mächtigen Schornsteine wurden nach achtern immer niedriger, der letzte war eine Attrappe, in der die Klimatechnik untergebracht war. Die Passagierdecks auf dem Achterdeck waren terrassenförmig angelegt, damit alle Passagiere unabhängig von der gebuchten Klasse den Blick auf das Meer genießen konnten. Die „Normandie“ war eine Botschafterin der französischen Eleganz und des besonderen Flairs. Ihr Speisesaal für die Erste Klasse war mit 69 Metern länger als der Spiegelsaal von Versailles und mit von innen beleuchteten Glas­kaskaden ausstaffiert. Die Ausstattung im Stil des Art Déco mit Elementen aus Glas, Chrom, Leder, Lack und Bronze war zeitlos elegant und aufsehenerregend.

Die neue Maschine mit turbo-elektrischem Antrieb war leistungsstark und sollte für Geschwindigkeiten zwischen 29 und 32 Knoten sorgen. Auch wenn Jungfernfahrten oft unter einem schlechten Stern stehen, blickte die Welt mit Spannung auf die Ankunft der „Normandie“ in New York nach ihrer Abfahrt aus Le Havre. Nach vier Tagen, drei Stunden und zwei Minuten passierte sie das Feuerschiff „Ambrose“ und holte sich damit das Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung westwärts. In New York wurde die Ankunft des schnellsten Schiffs der Welt enthusiastisch gefeiert. Auch auf der Rückreise wurde der bestehende Geschwindigkeitsrekord mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30,31 Knoten gebrochen. Die CGT besaß 1935 das schnellste Schiff der Welt, die Jagd um das Blaue Band wurde jedoch in den folgenden Jahren weiter gegen den Cunard-Dampfer „Queen Mary“ mit abwechselndem Erfolg geführt.

Nur vier Jahre war die „Normandie“ im Nordatlantikdienst in Fahrt. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges lag sie im Hafen von New York. Nach Kriegseintritt der USA wurde sie im Dezember 1941 von der US-Kriegsmarine als „U.S.S. Lafayette“ übernommen und sollte kurzfristig zum Truppentransporter umgestaltet werden. Bei den aufwendigen Umbauarbeiten im Februar 1942 kam es zu einem Feuer, das trotz aller Bemühungen nicht gelöscht werden konnte. Das Schiff kenterte bei den Löscharbeiten und blieb in Schlagseite liegend als Ruine zurück. Alle äußeren Aufbauten wurden über Monate mühselig entfernt und erst im September 1943 gelang die Drehung, so dass der Schiffskörper geborgen und abgeschleppt werden konnte. Die Marine hatte keine weitere Verwendung mehr für den ehemaligen Luxusliner und erzielte einen Schrottwert von nur 160000 Dollar. Am 6. Ok­tober 1947 fiel der letzte Teil der einst so stolzen „Normandie“ den Schneidbrennern zum Opfer. Britta Heitmann


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