29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
27.10.12 / Schlappe für die Politik / Historisch niedrige Beteiligung bei Wahl des Stadtoberhaupts − Alexander Jaroschuk bleibt Bürgermeister

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-12 vom 27. Oktober 2012

Schlappe für die Politik
Historisch niedrige Beteiligung bei Wahl des Stadtoberhaupts − Alexander Jaroschuk bleibt Bürgermeister

Die Bürgermeisterwahl in Königsberg hat keine Überraschungen gebracht: Der neue Bürgermeister ist der alte, Alexander Jaroschuk. Neu und etwas bisher nie Dagewesenes ist dagegen die niedrige Wahlbeteiligung von nur knapp über 20 Prozent.

„Die Leute sind müde, es fehlt an kreativen Kandidaten und überzeugenden Wahlkampagnen.“ So beurteilt Michail Pljuchin, Chef des Gebietswahlkomitees, die Gründe für die erdrutschartig zurückgegangene Wahlbeteiligung. Nicht zur Wahl zu gehen, ist heute in der Russischen Föderation möglicherweise die einzige Methode, Opposition auszuüben. Die Erfahrungen der vergangenen Monate und das verschärfte Demonstrationsgesetz lassen den Menschen nur wenig Raum, ihren Prostest kundzutun.

Auch bei der Bürgermeisterwahl in Königsberg hat es wieder 25 Beschwerden über Manipulationen gegeben, von denen das Wahlkomitee vier bestätigt hat, die restlichen will man untersuchen lassen. Großen Lärm gab es deswegen nicht. Insgesamt war von einem Wahlkampf in Königsberg kaum etwas zu spüren, obwohl eine Bürgermeisterwahl kurz vor dem Urnengang doch Tagesthema sein sollte. Diesmal verlief der Wahlkampf tatsächlich äußerst matt, langweilig und uninteressant. Am Wahlsonntag selbst merkte man kaum, dass die Bürger ihr Stadtoberhaupt bestimmen sollten, die Straßen blieben menschenleer. Und das, obwohl bei dieser Wahl zwölf Kandidaten zugelassen worden waren, für russische Verhältnisse sind das ungewöhnlich viele. Dass Amtsinhaber Alexander Jaroschuk, Kandidat der Regierungspartei „Einiges Russland“, wiedergewählt wurde, hatte sich schon seit längerem abgezeichnet. Die Oppositionsparteien taten sich schwer damit, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. Vorgeschlagen wurde zunächst Jurij Galanin, Chef der Kommunisten und Duma-Abgeordneter, jedoch kam es zu keiner Einigung. Die Parteien „Gerechtes Russland“ und „Patrioten Russlands“ stellten Jewgenij Gan als gemeinsamen Kandidaten auf, der schon einmal Vorsitzender des Königsberger Stadtrats gewesen war und auch an vorhergehenden Wahlen teilgenommen hatte.

Lediglich die Liberal-De­mo­kra­tische Partei des bekannten Mos­kauer Politikers Wladimir Schirnowskij führte einen weithin präsenten Wahlkampf. Etwa einen Monat vor dem Termin tauchten überall Plakate mit dem Konterfei ihres Kandidaten Alexander Wetoschkin auf: Am Straßenrand, auf Tafeln und sogar die städtischen Straßenbahnen trugen die Werbung der Liberal-Demokraten. Das war auch schon so ziemlich die einzige sichtbare Wahlaktion.

Die „Piratenpartei“ verteilte ein Heftchen mit dem Programm ihres Kandidaten Dmitrij Jewsjutkin, der sich am Denkmal „Mutter Russland“ den Wählern stellte. Eine bemerkenswerte Episode dieses Wahlkampfes war der Antrag, den Jewgenij Gan gegen Alexander Jaroschuk bei Gericht stellte: Mit der Begründung unrechtmäßiger Wahlagitationen forderte er, Jaroschuk von der Wahlliste zu streichen. Doch das Gericht lehnte diese Beschwerde ab.

Nach geltendem Statut der Stadt reicht für den Sieg eines Kandidaten die einfache Mehrheit der Stimmen. Damit die Wahl gültig ist, darf die Beteiligung der stimmberechtigten Wähler 20 Prozent nicht unterschreiten. Als sich die dramatisch niedrige Wahlbeteiligung abzeichnete, wurde diese Schwelle um 0,35 Prozentpunkte abgesenkt, damit die Wahl überhaupt anerkannt werden konnte.

56,6 Prozent der Bürger, die zur Wahlurne gegangen waren, stimmten für den bisherigen Bürgermeister. Das sind 41537 Stimmen. Bei der Wahl von 2007 lag die Wahlbeteiligung bei 57,2 Prozent, und Jaroschuk wählten damals 100000 Bürger. Jurij Galanin belegte mit 13,6 Prozent den zweiten Platz, dicht gefolgt von Jewgenij Gan mit 12,2 Prozent. Die übrigen Kandidaten, von denen die Mehrheit den Wählern fast unbekannt ist und von denen einige nicht einmal im Königsberger Gebiet wohnen, erhielten jeweils nicht mehr als vier Prozent, scheiterten also an der Fünf-Prozent-Hürde. Das Ergebnis der Wahl war vorhersehbar. Sieger Alexander Jaroschuk sagte: „Es waren einfach keine strahlenden Persönlichkeiten unter den Bewerbern.“ Es entstand sogar der Eindruck, als ob die zur Wahl angetretenen Kandidaten dieses nur getan hatten, um den Schein einer demokratischen Wahl aufrecht zu erhalten. Dafür spricht der lasche Wahlkampf. Alexander Jaroschuk ist das Ergebnis recht, er behält sein Amt für weitere fünf Jahre.

Dass eine knappe Zustimmung nicht auf ewig trägt, zeigt das Beispiel Palmnicken. Dort erlitt der Kandidat von „Einiges Russland“ eine derbe Schlappe. Den Sieg trug Wladimir Serdjukow von „Gerechtes Russland“ davon. Nicht weil man ihn für den Besseren gehalten hätte, sondern weil man seinen Protest gegen Entscheidungen der örtlichen Regierungspartei zum Ausdruck bringen wollte. Jurij Tschernyschew/MRK


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren