19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
27.10.12 / Vergessener ostpreußischer Reformator / Johannes Graumann, alias Poliander, war ein enger Weggefährte Martin Luthers − Forschung zuletzt 1941

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-12 vom 27. Oktober 2012

Vergessener ostpreußischer Reformator
Johannes Graumann, alias Poliander, war ein enger Weggefährte Martin Luthers − Forschung zuletzt 1941

Eine der interessantesten Persönlichkeiten der Frühzeit des Humanismus in Ostpreußen ist der Reformator und Dichter Johannes Graumann oder Poliander (1487–1541), wie er sich nach der Gräzisierung seines Namens nannte. – Unter Gräzisierung versteht man die Übersetzung eines deutschen Namens in das Altgriechische. – Es überrascht, wie wenig Aufmerksamkeit die Forschung bisher dem Anhänger und Vertrauten Luthers zuteilwerden ließ. Ausführlich hat sich wohl der Königsberger Bibliothekar und Archivar Christian Krollmann († 1944) mit Poliander beschäftigt, zuletzt 1941 in dem Aufsatz „Poliander und sein Freundeskreis“ anlässlich der Vierhundertjahrfeier der Stadtbibliothek Königsberg. Neben dem Bischof Paul Speratus war Johannes Poliander, Pfarrer der Altstädter Kirche zu Königsberg, eine der Säulen der evangelischen Kirche in Preußen. Mit der Stiftung seiner theologischen Bibliothek legte er die Grundlage für die Königsberger Stadtbibliothek. Im Dezember 1541 wurde Polianders Vermächtnis feierlich bekundet: Seine nach Umfang und Inhalt bedeutende Bibliothek hinterließ er der Altstadt mit der Auflage, sie künftig als „gemeine Liberei“ zu verwalten, also als öffentliche Biobliothek. Auch war er bei der Vorbereitung für die Gründung der Königsberger Universität im Jahre 1544 richtunggebend beteiligt. Heute ist der Name Johannes Poliander noch bekannt durch das Lied „Nun lob, mein Seel, den Herren“, das er im Auftrag des Herzogs Albrecht von Preußen nach dem 103. Psalm dichtete (Evangelisches Gesangbuch 188, 1-4). Es ist das erste Loblied der evangelischen Kirche. Vermutlich ist er auch Urheber des Liedes „Fröhlich muss ich singen“.

Poliander wurde am 5. Juli 1487 als Sohn eines Schneiders in Neustadt an der Aisch geboren.

Seit 1503 studierte er in Leipzig, war 1516 Magister der Philosophie. 1519 wirkte er an der Thomasschule als Kantor und Lehrer, ab 1520 als Rektor. Er galt als ein herausragender Pädagoge. 1519 nahm er auf der Pleißenburg als Protokollant an der „Leipziger Disputation“ über die päpstliche Gewalt zwischen Johann Eck, Luther und Karlstadt teil. Von Luthers theologischer Argumentation beeindruckt, nahm er das Theologiestudium auf und erlangte das theologische Bakkalaureat. 1522 hielt sich Poliander in Wittenberg in der Umgebung Luthers auf, bevor er im Jahr darauf in Würzburg das Amt des Dompredigers antrat. Wegen des Bauernaufstands verließ er wenig später die Stadt. 1525 war er Pfarrer an der Kirche St. Klara in Nürnberg. Auf Luthers Empfehlung bestellte ihn Herzog Albrecht von Preußen als Pfarrer der Altstädter Kirche nach Königsberg, wo er 1525 mit seiner Frau eintraf. An der Seite von Paul Speratus und Johannes Brießmann verkündete er in der Hauptstadt des Herzogtums Preußen das Evangelium nach reformatorischer Auslegung. Speratus war 1524 ebenfalls durch Luthers Vermittlung nach Königsberg berufen worden. Als Schlossprediger wurde er 1529 Bischof von Pomesanien. Brießmann war theologischer Berater des Bischofs von Samland Georg von Plentz, bevor er 1531 die Pfarrstelle am Königsberger Dom übernahm.

1525 hatte sich in Preußen die grundlegende politische und konfessionelle Wende vollzogen. Der letzte Hochmeister der Deutschen Ordens Albrecht I. von Brandenburg-Ansbach empfing mit dem Vertrag von Krakau vom 8. April 1525 den östlichen Teil des ehemaligen Deutschordenslands von König Sigismund I. von Polen als erbliches Herzogtum zu Lehen. Den Ordensstaat Preußen wandelte er auf Anraten Luthers in ein weltliches Herzogtum um. Nach kursächsischem Vorbild und in engem Kontakt mit den Wittenberger Reformatoren führte er in Preußen die Reformation ein. Als seinen Ratgeber in kirchlichen und schulischen Angelegenheiten wählte der Herzog Johannes Poliander. Dieser war zeitweilig auch sein Reisebegleiter. Nach der Säkularisation bestand Bedarf nach einer Ausbildungsstätte für Theologen. Auf Polianders Vorschlag wurde im Kneiphof eine Schule errichtet, die nicht nur den Söhnen des Adels, sondern dem männlichen Nachwuchs der gesamten Bevölkerung offenstand. 1544 erfolgte die Umwandlung in eine Universität, die nach Herzog Albrecht „Albertus-Universität“ benannt wurde.

1526 wandte sich der religiöse Sektierer Kaspar Schwenckfeldt mit einer Schrift an den Herzog, welche dieser den Predigern Brießmann, Poliander und Speratus zur Begutachtung übergab. Die Schrift warb für eine von Luther abweichende Lehre vom Abendmahl. 1528 kamen einige Prediger aus Schlesien nach Preußen, um Schwenckfeldts Lehre zu verbreiten. Demnach sollten äußere Handlungen im Gottesdienst durch das „innere Wort“ und fortwährende Eingebungen der Gläubigen ersetzt werden.

In den entschiedenen Lutheranern Poliander und Speratus trafen diese Verkünder auf großen Widerstand. Seit 1530 verbreitete auch der Amtshauptmann von Lötzen Friedrich von Heydeck, ein Schwager Herzogs Friedrich II. von Liegnitz, die schwenck-feldtische Lehre in Preußen. Besonders Masuren wurde davon erfasst. Heydeck gelang es, Herzog Albrecht auf seine Seite zu ziehen. In seinen (nur spärlich überlieferten) Predigten griff Poliander ab 1530 die umtriebigen Schwarmgeister scharf an. 1531 nahm er an der „freundlichen stillen brüderlichen Unterredung“ teil, die der Herzog auf der Burg Rastenburg eröffnete. Bekannt wurde dieser Diskurs unter dem Begriff „Rastenburger Religionsgespräch“. Dazu meldete der Königsberger Chronist Johannes Freybergk: „Unser treuer Poliander, der einige Mann widerlegte dieselbigen Schwärmer, wie klug Ding sie vorgaben, Alles mit Gottes Wort und Hülse. Wenn Gott und der einige Mann Poliander solches nicht gethan, dies Preußen wär ganz und gar mit der Schwärmer Lehr vergiftet und verführt worden; der andern Prediger halber wär es wohl geschehn“. Dennoch neigte Herzog Albrecht persönlich weiterhin den Schweckfeldtianern zu. Fast hätte Poliander darüber dessen Gunst verloren. Er war nahe daran, seine Königsberger Pfarrstelle aufzugeben. 1532 forderte Luther Herzog Albrecht in einem gedruckten Sendschreiben auf, die „Rottengeister“ aus seinem Herzogtum auszuweisen. Neben den eindringlichen Mahnungen des pomesanischen Bischofs und Polianders bewirkten endlich auch die bekannt gewordenen Exzesse des Täuferreichs zu Münster, dass die Sympathien des Herzogs für die Täuferlehre schwanden. Zuletzt kam 1535 ein „Haufen Wiedertäufer“ nach Preußen. Sie wurden von Poliander und Brießmann verhört und zu einem Widerruf gebracht.

Poliander war ein heiterer Mensch von angenehmen Umgangsformen, nicht nur beliebt bei Hofe, sondern auch in der Bürgerschaft Königsbergs. In seinen lateinischen und deutschen Dichtungen befasste er sich unter anderem mit seinem engeren Königsberger Freundeskreis. Dieser versammelte sich in dem Gärtchen des Bürgermeisters Beler, um zu trinken und zu singen. Eine Reihe von neckischen Gedichten bezog sich auf seine Schlafsucht, die Enge seines Gärtchens, Tauschgeschäfte von Büchern mit Bernstein sowie freundliche Ermahnungen an einen ehemaligen Zögling. Mehrere Gedichte betrafen Bildnisse des Maler Crispin, eines Schülers von Dürer, der in Königsberg als herzoglicher Hofmaler tätig war. Freunde hatte Poliander auch im Kreise der Musiker und Musikfreunde, die der Herzog in Königsberg um sich versammelte. 1540, ein Jahr nach dem Tod seiner Frau, erlitt Poliander einen Schlaganfall. Er starb nach langem Siechtum am 29. April 1541. Dagmar Jestrzemski


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren