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27.10.12 / Hüter der Artikel / Die Geschichte des Bundesverfassungsgerichtes

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 43-12 vom 27. Oktober 2012

Hüter der Artikel
Die Geschichte des Bundesverfassungsgerichtes

Eigentlich ist es ein schöner Ansatz: Rolf Lamprecht berichtete über 30 Jahre für den „Spiegel“ als Korrespondent aus Karlsruhe, der „Residenz des Rechts“. Nun hat der inzwischen über 80-jährige Journalist eine Geschichte des 1951 gegründeten Bundesverfassungsgerichts vorgelegt. Das Buch ist offensichtlich nicht für ein Fachpublikum bestimmt. Allerdings setzt Lamprecht zu viele Kenntnisse voraus. Bewertungen und Einordnungen werden oftmals abgegeben, bevor die Fakten des jeweiligen Streitfalles erläutert werden. Das ist bedauerlich, da Lamprecht zweifelsfrei ein großer Kenner der Materie ist. Erzählt wird chronologisch, entlang der Amtszeiten der bislang neun Präsidenten, beginnend mit Hermann Höpker-Aschoff bis hin zu Andreas Voßkuhle, der dem Gericht seit 2010 vorsteht. Einige der Präsidenten dürften heute weniger bekannt sein, so zum Beispiel Josef Wintrich, der sich dafür stark machte, dass die Bürger gegen Willkürakte der öffentlichen Gewalt Verfassungsbeschwerde einlegen können. Bemüht wirkt es jedoch, wenn Privates eingestreut wird, etwa, dass Voßkuhle gern Krimis liest und einen kurzen Mittagsschlaf zu halten pflegt.

Besonders in der Anfangszeit hatte das Gericht noch mit der Tatsache zu kämpfen, dass Politiker sich mit der Anerkennung der Entscheidungen schwer taten. Adenauer erklärte ein ihm nicht genehmes Urteil schon mal schlichtweg für „falsch“.

Anhand von wegweisenden und umstrittenen Entscheidungen stellt Lamprecht die im Laufe der Entwicklung der Bundesrepublik „zunehmende Doppelfunktion“ des Bundesverfassungsgerichts dar: Als „Schlichter zwischen den politischen Kräften im Staat und als schöpferischer Interpret der Grund- und Bürgerrechte“. Für äußerst wichtig hält es der Autor, dass die bei den Abstimmungen unterlegenen Richter ihre „abweichende Meinung“ seit 1970 publizieren können.

Lamprecht hat deutliche Sympathien für Entscheidungen, die die individuelle Freiheit gegen „Sicherheitsfanatiker“ verteidigen. Nahezu triumphierend vermerkt er, wie der „Große Lauschangriff“, das Luftsicherheitsgesetz sowie die sogenannte Rasterfahndung dem „Karlsruher Rotstift“ zum Opfer fielen – entweder ganz oder durch massive Einschränkungen. Allerdings liest er auch dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert die Leviten. Lammert hatte am Lissabon-Urteil die Betonung der nationalen Souveränität missfallen, die doch als Begriff im Grundgesetz nicht vorkomme. Lamprecht setzt dagegen: Hier sei, auch ohne explizite Formulierung, von dieser Souveränität ständig die Rede. Wer das nicht erkenne, habe den Geist der Verfassung nicht verstanden.

Erik Lommatzsch

Rolf Lamprecht: „Ich gehe bis nach Karlsruhe. Eine Geschichte des Bundesverfassungsgerichts“, DVA, München 2011, geb., 350 Seiten, 19,99 Euro


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