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03.11.12 / Eine Frage der Perspektive / Das Thema Fachkräftemangel ist stark

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-12 vom 03. November 2012

Eine Frage der Perspektive
Das Thema Fachkräftemangel ist stark von Eigeninteressen geleitet

Die Rezeption der Studie des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in den Medien hat uns sehr überrascht“, so Oliver Koppel vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln, „denn die Daten der Studie sprechen eine völlig andere Sprache.“ 410000 Stellen hätten demnach im ersten Halbjahr 2011 nicht besetzt werden können, was jeder vierten offenen Stelle entspräche. Leider würde „das Problem der Besetzungsprobleme im IAB-Bericht auch nicht differenziert nach Qualifikationsniveaus betrachtet“. Die als gering kolportierten acht Prozent der Betriebe mit nicht besetzten Fachkräftestellen bezögen sich auf nahezu alle vom IAB befragten Unternehmen, „also auch solche, die im fraglichen Zeitraum überhaupt keine Fachkräfte gesucht haben.

Den aktuell höheren Bedarf an Fachkräften erklärt das IAB selbst aber mit der derzeit guten konjunkturellen Lage in Deutschland: „Die Ergebnisse deuten insgesamt auf einen eher mäßigen Problemdruck durch unbesetzte Fachkräftestellen hin. Insgesamt ist die Nachfrage nach Fachkräften und damit einhergehend der Umfang 2011 sicherlich stark angestiegen. Im Zeitverlauf sind das aktuell aber doch stark konjunkturabhängige Größen. Das Problem der unbesetzten Fachkräftestellen betrifft darüber hinaus nur einen geringen Teil der Betriebe.“

Das Wirtschaftsministerium merkt gegenüber der PAZ sachlich an, dass es Aufgabe der Politik sei, „frühzeitig und verantwortungsvoll Weichen für die Zukunft zu stellen. Deshalb ist es notwendig, auch klugen Köpfen aus dem Ausland Karrierewege in Deutschland zu eröffnen.“ Auch würden sich laut Daten der Bundesagentur für Arbeit die aktuellen Besetzungsprobleme in Art und Niveau der gesuchten Qualifikation stark unterscheiden. So würden neben Ärzten und Pflegekräften technische Akademiker wie Ingenieure oder Informatiker, aber auch zahlreiche gewerblich-technische Facharbeiter (Dreher, Fräser, Schweißer) nahezu deutschlandweit dringend gesucht.

Und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag e.V. verweist die PAZ auf eine aktuelle DIHK-Umfrage bei 28000 Betrieben, nach der jedes dritte Unternehmen Fachkräftemangel als Risiko für die eigene wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Monaten genannt habe. Zudem falle es „Betrieben immer schwerer, Azubis zu finden – nicht zuletzt weil die Zahl der Schulabgänger deutlich gesunken ist – insbesondere in Ostdeutschland“.

Die Gewerkschaft verdi wiederum will bezüglich des von der Wirtschaft beschrienen Fachkräftemangels die Möglichkeit des Lohndumpings nicht ausschließen. Schließlich wanderten noch viele qualifizierte Deutsche aus und Personen mit höherer Bildung seien auch oft noch unter ihrer Qualifikation beschäftigt. Die Gewerkschaft IG Metall gibt gegenüber der PAZ zu bedenken, dass es noch viel ungenutztes eigenes Potenzial gebe: „Da sind die vielen Teilzeitkräfte, die mehr arbeiten möchten, da sind die 1,5 Millionen jungen Menschen unter 25 Jahren die keine Ausbildung bekommen und da gibt es 300000 Schulabgänger, die in sinnlose Warteschleifen gedrückt werden.“ Einen generellen und umfassenden Fachkräftemangel habe es 2011 und 2012 nicht gegeben, so die IG Metall. R. Bellano


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