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03.11.12 / Allein die Größe zählt noch / Gemeinsame Werte und Lebensstandards spielen bei EU-Erweiterung kaum noch eine Rolle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-12 vom 03. November 2012

Allein die Größe zählt noch
Gemeinsame Werte und Lebensstandards spielen bei EU-Erweiterung kaum noch eine Rolle

Im Oktober verlieh EU-Erweite-rungskommissar Stefan Füle dem Armenhaus Albanien offiziell den EU-Kandidatenstatus, obwohl Albanien wirtschaftlich und auch unter demokratischen Gesichtspunkten meilenweit selbst von Ländern wie Rumänien und Bulgarien entfernt ist. Allmählich stellt sich die Frage, anhand welcher Maßstäbe Brüssel seinen Einflussbereich ausweitet.

„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören“, heißt es salbungsvoll in Artikel 2 des Vertrages der Europäischen Union. Ist ein Land der Meinung, dass es diese Werte erfüllt, darf es beim Europäischen Rat, also dem EU-Gremium der Staats- und Regierungschefs, einen Antrag auf Mitgliedschaft stellen. Dieser beschließt einstimmig nach Anhörung der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments über die Aufnahme. 2009 stellte die damalige Regierung in Tirana den Antrag auf EU-Beitritt, worauf man dem Land zwölf Schlüsselprioritäten vorgab, die es zuvor zu erfüllen hatte. Doch während im Märchen der Held nur vorwärtskommt, wenn er alle Aufgaben erledigt hat, reichen in der EU schon vier, um in den Kreis der EU-Aufnahmekandidaten aufgenommen zu werden.

Die Aufgaben, die Brüssel Albanien stellte, um EU-Mitglied zu werden und somit an die EU-Fördertöpfe zu kommen, weisen da-rauf hin, dass das Land noch weit von zumindest westeuropäischen Werten entfernt ist. Da ist von einem reibungsloses Funktionieren des Parlaments die Rede, von demokratischeren Ernennungsverfahren und Ernennungen für die zentralen Institutionen, Wahlreform, Durchführung von Wahlen, Reform der öffentlichen Verwaltung, mehr Rechtsstaatlichkeit und Justizreform, Bekämpfung der Korruption, Bekämpfung der organisierten Kriminalität, Lösung von Eigentumsfragen und Stärkung der Menschenrechte, um nur einige Beispiele zu nennen. Und all das deutet nur abstrakt an, wie weit Albanien von dem entfernt ist, was man hierzulande trotz aller Unzufriedenheit einen funktionierenden Staat nennt.

Während das monatliche Durchschnittss-einkommen in Rumänien 2011 bei nur rund 350 Euro lag, liegt es in Albanien sogar nur bei etwas über 200 Euro. 40 Prozent der Beschäftigten sind noch in der Landwirtschaft tätig, obwohl diese nur 18 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Dafür sind die organisierte Kriminalität und Korruption in dem Land häufige Einkommensquellen. Doch obwohl man all das in Brüssel weiß, wird Albanien wohl in naher Zukunft Mitglied werden, wie es für Kroatien Mitte 2013 vorgesehen ist. Zwar erfüllt Kroatien bis heute zahlreiche der verlangten Vorgaben nicht, doch Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündete erst dieser Tage, dass sie an einem Beitritt Kroatiens festhalte. Daran ändert auch der Hinweis von Bundestagspräsident Norbert Lammert nichts, der meinte, dass die EU gerade nach den Erfahrungen mit Bulgarien und Rumänien den jüngsten Fortschrittsbericht der EU-Kommission ernst nehmen solle, der besagt, dass Kroatien noch nicht beitrittsreif sei. Worauf er sofort von Seiten der SPD zu hören bekam, wer den Beitritt Kroatiens infrage stelle, der spreche der EU die Kraft ab, auch in Zukunft Frieden in Europa zu stiften. Dass aber genau diese Denke, ja Ideologie, die Realitäten verleugnet, dafür sorgt, dass sich die EU überhebt und die Menschen sie immer weniger wertschätzen, die EU zu zerstören droht, sehen nur wenige Entscheidungsträger. Rebecca Bellano


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