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03.11.12 / Wer macht die EU-Gesetze? / Entlassung des EU-Kommissars John Dalli lässt viele Fragen offen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-12 vom 03. November 2012

Wer macht die EU-Gesetze?
Entlassung des EU-Kommissars John Dalli lässt viele Fragen offen

Die Neufassung der EU-Tabakrichtlinie, eines der heikelsten und umstrittensten Projekte der EU-Kommission, wird von einer Affäre überschattet. Erneut könnte die Diskussion aufflammen, welche demokratische Legitimation die Gesetze eigentlich haben, die in Brüssel für ganz Europa beschlossen werden. Anlass für solche Überlegungen bietet der Rücktritt des maltesischen EU-Gesundheits- und Verbraucherkommissars John Dalli.

Noch immer ungeklärt ist, was sich bei einem Gespräch zwischen EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Dalli wirklich zugetragen hat. Nach Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit der Tabak-Richtlinie habe Dalli unter Zeugen seinen Rücktritt angeboten, so Barroso. Dalli selbst behauptet, vom Kommissionspräsidenten zu seinem Rücktritt gezwungen worden zu sein. Vorangegangen waren Vorwürfe des EU-Amts zur Betrugsbekämpfung (OLAF) an die Adresse von Dalli. Der EU-Kommissar soll gewusst haben, dass ein Parteifreund und Landsmann von ihm einem Unternehmen ein Angebot gemacht hat, gegen Schmiergeld Einfluss auf die neue Tabakrichtlinie zu nehmen. Konkret soll das Tabakunternehmen Swedish Match die Offerte erhalten haben, gegen Zahlung von 60 Millionen Euro seinen rauchfreien Lutschtabak „Snus“ künftig europaweit verkaufen zu dürfen. Bisher darf der Lutschtabak als lokale Spezialität nur in Schweden angeboten werden. Nach eigenen Angaben hat Swedish Match das illegale Angebot zurückgewiesen. So detailliert die Vorwürfe gegen Dalli auch klingen, das Material, das OLAF vorgelegt wurde, scheint – zumindest bisher – sehr dürftig zu sein.

Beweise einer direkten Verwick-lung Dallis seien nicht gefunden worden, musste selbst Behördenchef Giovanni Kessler einräumen. Aus den zusammengetragenen Indizien lasse sich aber nach Ansicht des OLAF-Chefs schlüssig folgern, dass Dalli über die Avancen seines Landsmannes im Bilde war und nichts dagegen unternommen habe. Beim derzeitigen Erkenntnisstand ist allerdings nicht einmal auszuschließen, dass Dalli gezielt in eine Falle von

Lobbyisten der Tabakindustrie gelockt wurde, um ihn aus dem Amt zu kippen.

Was bisher an Details zur Reform der Tabak-Richtlinie von 2001 bekannt geworden ist, wäre zumindest Anlass genug. Vom Verbot sämtlicher Markenlogos auf den Zigarettenpackungen bis hin zur Pflicht, nahezu die gesamte Packung mit Warnungen auf gesundheitliche Gefahren zu bedrucken, ist einiges im Gespräch, was die Tabakindustrie empfindlich treffen würde. Sollte die Behauptung Dallis zutreffen, dass er gezielt zu Fall gebracht wurde, dann hätten die Strippenzieher in seinem Fall einen Ansatzpunkt gehabt, um einer Kampagne gegen ihn Glaubwürdigkeit zu verleihen. Bereits als maltesischer Außenminister musste Dalli 2004 sein Amt aufgeben – wegen Korruptionsvorwürfen.

Zumindest finanziell wird sich für Dalli der Schaden durch seinen Rücktritt – erzwungen oder nicht – in Grenzen halten. Bis Anfang 2015, wenn die Amtsperiode der gegenwärtigen EU-Kommission endet, hat Dalli Anspruch auf ein Übergangsgehalt von 45 Prozent seines Grundbezugs. Bei monatlich 20667 Euro bedeutet dies für den ehemaligen EU-Kommissar Dalli immerhin 9300 Euro pro Monat. Zusätzlich hat er durch die zweieinhalb Jahre, die er in Brüssel gedient hat, einen Anspruch auf eine EU-Pension erworben. In seinem Fall 2356 Euro. N.H.


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