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03.11.12 / Allgegenwärtiger Dinosaurier / Historikerin rechnet mit Alice Schwarzer ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-12 vom 03. November 2012

Allgegenwärtiger Dinosaurier
Historikerin rechnet mit Alice Schwarzer ab

Am 3. Dezember werden Politik und Medien sich vermutlich dabei gegenseitig überbieten, Loblieder auf das Geburtstagskind Alice Schwarzer zu singen, die an dem Tag 70 Jahre alt wird. Da man an so einem Ehrentag nichts Schlechtes über den Jubilar sagt, hat die Historikern Miriam Gebhardt dies bereits vorweggenommen. In ihrem Buch mit dem wunderbaren Titel „Alice im Niemandsland. Wie die deutsche Frauenbewegung die Frauen verlor“ rechnet sie mit Schwarzer ab. Doch leider ist der Inhalt des Buches nicht so brillant wie der Titel. Gebhardt selbst sieht sich als Frauenrechtlerin, was dazu führt, dass ihre Aussagen subjektiv sind und man nicht immer durchschaut, aus welcher Position heraus sie Schwarzer kritisiert, und so ist das Buch auch deutlich weniger unterhaltend, als der Titel vermuten lässt. Stattdessen geht es viel um Theorie und Historie, und Gebhardt, die auch Journalistin ist, lässt hier die Historikerin raushängen, sprich der Stil ist teilweise zu wissenschaftlich, die Begründungen sind zu abstrakt, es fehlt der Pfeffer und ein wenig Polemik.

Doch bei aller Kritik kann man mit Gebhardt mitfühlen, denn auch sie nervt es, wie Schwarzer sich inszeniert und das Thema Frauenbewegung auf ihre Person bezieht. Das würde dazu führen, dass vor allem junge Frauen von dem Thema Frauenbewegung abgestoßen würden, da sie Schwarzers altmodischen Interpretationen nicht mehr folgen wollten.

Die 50-jährige Autorin schildert nach der ersten Kritik an Schwarzer die Historie der Frauenbewegung und hebt einige Persönlichkeiten und Positionen hervor. Das ist informativ, aber zieht sich ein wenig hin. Bis sie dann auf Alice Schwarzers Vita zu sprechen kommt, hat der Leser schon fast vergessen, dass es vor allem um Schwarzer gehen soll. Gebhardts Ekel über Schwarzers eigene Interpretation ihres Lebens springt auch auf den Leser über. So fragt man sich, wie kaltherzig die Frauenrechtlerin sein muss, wenn sie ihrer eigenen Mutter vorwirft, sie nicht genug geliebt zu haben. Schwarzer selbst hat immer wieder betont, dass Frauen ihr eigener Körper gehört und dass sie ein Recht auf Abtreibung hätten, um nicht von ungewollten Kindern in ihrer Entwicklung behindert zu werden. Wenn man so denkt, dann darf man aber nicht gleichzeitig der eigenen Mutter vorwerfen, dass sie, die ungewollt von einem Wehrmachtssoldaten im Alter von 22 Jahren schwanger wurde, von ihrer Rolle als alleinerziehende Mutter mitten im Weltkrieg nicht gerade begeistert war und die Tochter den eigenen Eltern übergab, um sich dann besser selbstverwirklichen zu können. Hat ihre Mutter nicht also genau das gelebt, was Schwarzer, die Mütterlichkeit abfällig betrachtet und übrigens genau wie Sexualität als Mittel des Patriarchats sieht, die Frauen kleinzuhalten, fordert? Aber das ist nicht der einzige Widerspruch in der Denke von Alice Schwarzer.

Und bei aller Kritik von Gebhardt ist anzumerken, dass die Frauenbewegung ja zugelassen hat, dass sich Alice Schwarzer überall als oberste und im Grunde einzige Repräsentantin inszeniert hat. Am Ende des Buches macht die Autorin dann noch einige Vorschläge, wie sich die Frauenbewegung revitalisieren könnte. Aber ob die kinderlose 50-jährige Gebhardt immer die Wünsche der heute jungen Frauen an die Frauenbewegung nachvollziehen kann, ist ungewiss. Diese wollen zwar Karriere, sich aber auch sexy fühlen, einen Mann an ihrer Seite sowie Kinder haben und bei all dem gleichberechtigt sein, aber nicht irgendwie besonders und vor allem besser, wie die Frauenbewegung ihnen oft zu vermitteln versucht. Eine selbstbestimmte Frau zu sein, ohne wie ein Mann werden zu müssen, wie Teile der Frauenbewegung immer mal wieder propagieren, liegt heute im Trend, den auch Gebhardt nicht voll erfasst hat. Rebecca Bellano

Miriam Gebhardt: „Alice im Niemandsland. Wie die deutsche Frauenbewegung die Frauen verlor“, DVA, München 2012, 348 Seiten, 19,99 Euro


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