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03.11.12 / Aneinander vorbeigelebt / Erst das Sterben eines Freundes führt Menschen wieder zusammen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 44-12 vom 03. November 2012

Aneinander vorbeigelebt
Erst das Sterben eines Freundes führt Menschen wieder zusammen

„Fenster nach innen“ ist der Titel des neuen Romans der englischen Schriftstellerin Nicci Gerrard. Es ist eine feinsinnig erzählte Geschichte von Freundschaft und Liebe, vom Scheitern, von Trauer und vielen schmerzlichen Verlusten. Bei all den Höhen und Tiefen soll das Buch dennoch Mut machen, nicht zuletzt weil die Autorin die fünf sehr unterschiedlichen Hauptfiguren als liebenswürdige Menschen gezeichnet hat und damit die Möglichkeit der Identifikation eröffnet. Im Mittelpunkt steht die sympathische 40-jährige unverheiratete Marnie. Sie arbeitet als einzige Angestellte in einem Marionettenmuseum im Londoner Stadtteil Soho und lebte seit dem Ende ihrer letzten Beziehung allein, bis sie vor kurzem Eva bei sich aufnahm, die vor einiger Zeit fast ihre Stieftochter geworden wäre. Eines Morgens im Dezember erhält Marnie überraschend einen Anruf von Oliver, ihrem Jugendfreund, den sie früher geliebt hat. Er fordert sie auf, noch am selben Nachmittag eine Maschine nach Schottland zu nehmen. Ihrem früheren gemeinsamen Freund Ralph ginge es sehr schlecht. Er liege im Sterben und wolle sie noch einmal sehen. Marnie zögert keinen Moment, packt ihre Sachen und schickt Eva als Vertretung in das Museum. Erst nach ihrer Ankunft in dem winzigen Cottage im Norden Schottlands, wo sie Oliver und Ralph nach vielen Jahren zum ersten Mal wiedersieht, erfährt man Näheres über die enge Beziehung, die diese Menschen gegen Ende der Schulzeit einmal verband.

Damals lebten sie mit ihren Familien in einem kleinen Ort am Meer in Suffolk und gingen auf dieselbe Schule. Marnie und Ralphs Bruder David waren ein Paar. Nachdem David nach einem familiären Streit durch einen Autounfall ums Leben gekommen ist, wird Ralph von Gewissensbissen geplagt. Immer mehr Zeit verbringt er bei Marnie und ihrer Mutter Emma. Bei ihnen sucht der sensible und etwas chaotische Junge Wärme, denn zu Hause schlägt ihn sein Vater. Mit von der Partie sind auch Marnies Freundin Lucy und Ralphs neuer Freund Oliver. Ungetrübt bleibt diese Viererfreundschaft allerdings nicht lange. Ralphs bedingungslose Liebe zu Marnie bleibt unerwidert, denn diese liebt Oliver. Doch Oliver und Marnie finden lange Zeit keinen Weg zueinander. Unterdessen vergehen in der Hütte im winterlich verschneiten schottischen Bergland die Stunden. Ralphs Zustand im fortgeschrittenen Stadium seiner Krankheit ist erschreckend. Nicci Gerrard, die keine Einzelheit ausspart, mindert den Schock ihrer Leser, indem sie Olivers und Marnies warmherzige Fürsorge für den Freund herausstellt. Dagmar Jestrzemski

Nicci Gerrard: „Das Fenster nach innen“, Bastei Lübbe, Köln 2012, broschiert, 365 Seiten, 8,99 Euro


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