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10.11.12 / Abrechnung mit Politikern / Hans-Werner Sinn erklärt Fehler im Euro-System

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 45-12 vom 10. November 2012

Abrechnung mit Politikern
Hans-Werner Sinn erklärt Fehler im Euro-System

Thilo Sarrazin und sein „Europa braucht den Euro nicht“ war gestern, jetzt spricht Hans-Werner Sinn. Sein Buch „Die Target-Falle. Gefahren für unser Geld und unsere Kinder“ verliert sich nicht ganz so tief wie Sarrazin in Statistiken, sondern Sinn trifft so manche leicht verständliche, alles auf den Punkt bringende, die Regierenden provozierende Aussage mehr, als es der Ex-Bundesbanker Sarrazin vermag.

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitut ifo schafft es zudem, obwohl bereits so viel über die Euro-Krise geschrieben wurde, noch Informationen zu liefern, die aus der Perspektive noch nicht geboten wurden. Dabei geht es nur bedingt um das dem Buch seinen Namen gebende Target-System der Europäischen Zentralbank. Das Verrechnungssystem zwischen den verschiedenen Zentralbanken der Euro-Zone verdeutlicht aber den Irrsinn der von der Politik geschaffenen Rahmenbedingungen zum Euro. So muss die Deutsche Bundesbank andere Euro-Zentralbanken bei sich „anschreiben“ lassen, ohne dass sie ein Recht hat, das so – im Grunde geliehene – Geld einzufordern. Als Sinn das Buch im August dieses Jahres in den Druck geben ließ, lagen diese Forderungen der Deutschen Bundesbank bei 751 Milliarden Euro, die zu lächerlichen 0,75 Prozent verzinst werden. Wenn man überlegt, was Griechenland und Co. sonst für Zinsen zahlen müssen, ist das ein Witz.

Überhaupt nimmt sich Sinn des Sinns von Zinsen als Preis für Kredite an. Er schildert, warum die Höhe des Zinses auch ein Schutzmechanismus für den Schuldner ist. Und er zeigt auch auf, wieso beispielsweise Italien seine jetzige Krise gar nicht hätte haben müssen. Hätte das Land, das mit seinem Beitritt zum Euro weniger Zinsen für seine Schulden zahlen musste, diesen Zinsvorteil sinnvoll genutzt, statt zu verkonsumieren, dann sähe die Lage ganz anders aus. Mitte der 90er Jahre zahlte Rom 11,5 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Zinsen. Hätte es, nachdem die Zinsen deutlich sanken, den gleichen Anteil für Zins und Tilgung verwandt, läge die italienische Staatsschuld jetzt bei 18 Prozent.

Sinn macht deutlich, warum viele Erklärungen der Politiker und auch ihre Lösungen zur Euro-Krise falsch sind. Schon die Aussage „Deutschland habe am meisten vom Euro profitiert“ hält der Ökonom für Blödsinn. „Wenn die Wahrheit durch die Häufigkeit einer öffentlichen Behauptung definiert wird, dann hat Deutschland tatsächlich stärker als andere Länder vom Euro profitiert“, so der Autor trocken. Zwar stehe Deutschland derzeit wirtschaftlich sehr gut da, aber das läge nur da-ran, dass das Land aus seiner Euro-Krise zu Beginn des Jahrtausends die richtigen Schlüsse gezogen habe. Und ja, Deutschland hatte schon seine Euro-Krise, denn nach der Euro-Einführung floss viel Geld ins südliche und östliche Europa, da die Anleger sich dort bessere Gewinnchancen versprachen. Das hatte zur Folge, dass in Deutschland weniger investiert wurde, Arbeitsplätze und danach der Konsum wegbrachen. Zwischen 2002 und 2007 hätte Deutschland die drittniedrigste Nettoinvestitionsquote aller 34 führenden Industrienationen der OECD aufzuweisen gehabt. Dafür floss Geld in den Süden, wurde dort verfrühstückt und schuf Blasen, die inzwischen geplatzt sind, siehe Immobilienblase in Spanien.

Sinn verweist darauf, dass Griechenland und Portugal um gut 30 Prozent ihre Preise senken müssten, um mit ihren Produkten und Dienstleistungen wieder wettbewerbsfähig zu sein. Selbst Frankreich müsste seine Preise um 20 Prozent senken, so der Autor, der damit der „Bild“, die vor wenigen Tagen titelte „Ist Frankreich das neue Griechenland“, einen seriösen Anstrich gibt. Hätte jedes dieser Länder noch seine eigene Währung, könnte es einfach abwerten, doch durch die Gemeinschaftswährung ist diese Möglichkeit genommen. Daher empfiehlt Sinn Griechenland auch einen „temporären“ Austritt aus dem Euro, da die Parteien im Land und die starken Gewerkschaften nicht willens sind, die notwendigen Preissenkungen beziehungsweise Lohnsenkungen in einem derart hohen Ausmaß durchzusetzen.

Es bereitet einem als Deutscher Freude, wenn Sinn mit den ganzen Behauptungen der Politiker aufräumt und Fakten dagegenstellt, die absolut überzeugend sind. Wer sich noch mit der Euro-Krise befassen mag und ein wenig volkswirtschaftliches Grundverständnis mitbringt, der wird die „Target-Falle“ mit Gewinn lesen. Rebecca Bellano

Hans-Werner Sinn: „Die Target-Falle. Gefahren für unser Geld und unsere Kinder“, Hanser, München 2012, gebunden, 417 Seiten, 19,90 Euro


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