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17.11.12 / Berlins Polizei blutet aus / Senat peitscht weitere Sparrunden durch – Sicherheitslage spitzt sich zu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-12 vom 17. November 2012

Berlins Polizei blutet aus
Senat peitscht weitere Sparrunden durch – Sicherheitslage spitzt sich zu

Berlins Polizei ächzt unter Überlastung und Personalmangel. Brutale Straftaten an zentralen Orten wie der Totschlag vom Alexanderplatz weisen auf ein ernstes Sicherheitsproblem hin. Doch Rot-Schwarz will weiter sparen.

Die Berliner Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers gesteht aktuell einen Personalmangel bei der Hauptstadtpolizei ein. Für Objektschutz und Inhaftierte fehlten gut 300 Kräfte. 500000 Überstunden hätten sich allein in diesen Bereichen angesammelt. Die Verantwortlichen erwägen Privatisierungen und die Schließung von Gefangenensammelstellen. Interne Studien schlagen sogar die Abschaffung von Pausen und Urlaubsstreichungen für die Beamten vor.

Dem Polizeiberuf fehlt es aufgrund der Berliner Arbeitsbedingungen an Nachwuchs. Die Stellenkürzungen des Senats seit 2009 werden zum echten Polizeiproblem, denn die Zahl polizeilicher Aufgaben wächst, während Ausstattung und politische Rückendeckung schwinden.

Schon im März blockte die regierende SPD-CDU-Koalition Forderungen der Opposition ab, künftige Polizeieinsparungen aufzuschlüsseln. Sie hält es seither nicht einmal für nötig zu erklären, wo und warum im Haushalt 2012/2013 bei Polizisten weiter gekürzt wird. Innen-Staatssekretär Bernd Krömer (CDU) sagte jüngst wieder, wo genau gespart werde, sei noch offen. Bereits im Frühjahr plante der Senat, die Personalausgaben bei der Polizei bis 2013 pauschal um 11,3 Millionen Euro zu reduzieren. Die Koalition legte fest, im „vollzugsnahen Dienst der Polizei“ bis 2016 rund 250 Stellen zu streichen.

Das Polizeipräsidium hat nun intern über ein Gutachten die Folgen untersucht. Als Ergebnis erteilt Koppers privaten Objektschützern eine Absage. Dessen ungeachtet müssten mit Blick auf die Ziele des Senats weitere Sparmaßnahmen bei der Hauptstadtpolizei geprüft werden, so Koppers. Wie das praktisch funktionieren soll, bleibt ungewiss. Schon jetzt müssen Beamte von ihren eigentlichen Aufgaben abberufen werden, um bei akut unterbesetzten Stellen auszuhelfen. Die von Innensenator Frank Henkel (CDU) zu Jahresanfang angekündigten 250 zusätzlichen Polizisten für den Dienst auf der Straße („Vollzugsdienst“) dürften nicht ansatzweise die von der Politik in die polizeiliche Personaldecke gerissenen Löcher füllen.

Laut Gewerkschaft der Polizei (GdP) wurden in Berlin binnen zehn Jahren rund 4000 Stellen abgebaut. Und damit ist das Ende nicht erreicht. Trotz erschreckender Gewalttaten im öffentlichen Raum (die PAZ berichtete) und allenthalben sichtbarer Überlastung von Polizei und Justiz plant Henkel, 2013 noch einmal mehr als drei Prozent bei der Verwaltung der Polizei und 2,4 Prozent im Vollzug einzusparen.

Gerade dort, wo weitere Stellen bedroht sind, steigt die Arbeit der Beamten jetzt schon an: Gab es 2009 bereits stadtweit 592 Objekte zu schützen, so sind es inzwischen 643. Doch nicht nur bei den Objektschützern, vor allem auch beim Strafvollzug soll der Rotstift greifen und damit zwangsläufig bei der in politischen Sonntagsreden gern geforderten Resozialisierung. Die Schließung von „Gewahrsamsstellen“ ist senatsintern im Gespräch, ebenso die Abgabe vieler damit verbundener Aufgaben an private Sicherheitsunternehmen. So ließen sich jährlich mehrere Millionen Euro einsparen, hofft das Innenressort.

Teilweise oder ganz mit Privatpersonal betriebene Haft ist nicht neu: Im Mutterland von Kapitalismus und Privatisierung, in England, setzte der Tower of London im 16. und 17. Jahrhundert negative Maßstäbe hinsichtlich Überbelegung und Gefangenenausbeutung, die noch heute schaudern lassen. Berlins an heutigen rechtsstaatlichen Normen orientierte Gefängnisse sind bereits überbelegt. In der Haftanstalt Tegel waren im Frühjahr zudem zeitweise 70 von 470 Bediensteten krank. Ein Brandbrief der Vollzugsbeamten blieb ohne Ergebnis, die Anstalt sei sicher, hieß es offiziell.

Was in Berlins Justizvollzug mittlerweile möglich ist, zeigte der Fall Ekhard E. Der Häftling des offenen Vollzugs pflegte 2010 bis 2011 bei täglichen Freigängen eine Cannabisplantage mit gut 3000 Pflanzen. Der Justizvollzugsdienst blieb monatelang ahnungslos, obwohl es Mittäter gab und die vermeintliche Resozialisierung in der Zeit sogar ein Gericht beschäftigte. Doch laut einem Bericht des Senders RBB vermochte kein Verantwortlicher dem Richter zu sagen, wo genau E. tagsüber wiedereingegliedert wurde. Der von Polizisten wie Anwälten als „krasser Einzelfall“ beschriebene Anbau brachte nicht nur geschätzte 70 Kilo Drogen auf den Markt, im Zusammenhang fiel auch ein wegen Nebenjobs übermüdeter Vollzugsbeamter auf. Er war Teilhaber der Drogenfarm.

Die Überlastung des Justizvollzugs ist auch dem Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG), Bodo Pfalzgraf, bekannt. Anlässlich einer Studie zum Dunkelfeld von Straftaten warnte er jüngst: „Die personelle Magersucht der Polizei wird von den Ganoven gut ausgenutzt. Dies ist ein Notruf für Berlin. Wir brauchen Personal!“ Der jetzige Senat setze offenbar die alte Politik der schmutzigen Tricks fort, denn was nützten 250 versprochene Beamte, wenn dafür hunderte an anderer Stelle entfallen würden, so Pfalzgraf im Gespräch mit der PAZ. „Wir haben so am Ende weniger als jetzt!“ Zudem gibt es besonders bei Betrug und Diebstahl hohe Dunkelziffern und somit weit mehr Arbeit für Berlins Polizei, als von der Politik angenommen. Sverre Gutschmidt


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