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17.11.12 / Zu viele »kleine Kaiser« / Chinas Bevölkerungspolitik in der Sackgasse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-12 vom 17. November 2012

Zu viele »kleine Kaiser«
Chinas Bevölkerungspolitik in der Sackgasse

Nach mehr als 30 Jahren staatlich verordneter Ein-Kind-Politik warnt ein regierungsnahes chinesisches Forschungsinstitut vor den Folgen des weltweit einmaligen Experiments in der Bevölkerungspolitik: Gefordert wird nichts anderes, als dass schon im Jahr 2015 allen Paaren gestattet wird, zwei Kinder zu bekommen, bis 2020 sollen sämtliche Geburtenbeschränkungen aufgehoben werden. Die gleichzeitige Warnung, dass zum Umsteuern nur noch drei Jahre Zeit bleiben, um Schlimmeres zu verhindern, kommt nicht von ungefähr. Der seit 1979 unternommene Versuch, mit Druck und Belohnungen in die Familienplanung einzugreifen, hat zwar verhindert, dass Chinas Bevölkerung um weitere 300 Millionen angewachsen ist, mittlerweile werden aber die Nebenwirkungen der Bevölkerungspolitik immer mehr zur Bedrohung für die Zukunft: Schon in wenigen Jahren wird China global die Gesellschaft sein, die am schnellsten altert. Der Rückgang der Geburtenzahlen hat die Bevölkerungspyramide auf den Kopf gestellt. Die Alterung der chinesischen Gesellschaft schreitet voran, ein flächendeckendes Rentensystem ist aber nur rudimentär vorhanden.

Damit nicht genug. Der Bericht der Pekinger Entwicklungs-Stiftung spricht noch eine weitere Fehlentwicklung an, die ähnlich brisant wie die Überalterung ist. Die Ein-Kind-Politik hat zu einem drastischen Ungleichgewicht der Geschlechter in der chinesischen Bevölkerung geführt. Auf 118 Jungen werden nur 100 Mädchen geboren. Der inzwischen immer offenkundiger werdenden Frauenmangel Chinas ist die Folge der rigiden Bevölkerungspolitik und der kulturellen Bevorzugung von männlichem Nachwuchs. Unter der Prämisse, nur ein Kind haben zu können, sind eine vorgeburtliche Geschlechtsbestimmung und eine Abtreibung, wenn weiblicher Nachwuchs zu erwarten ist, zum selbstverständlichen Teil der Familienplanung vieler Chinesen geworden. Das hat zur Folge, dass bereits im Jahr 2020 rund 40 Millionen chinesische Männer keine Chance haben werden, eine eigene Familie zu gründen, denn ihnen werden die Frauen dazu fehlen.

Noch immer rätseln Soziologen, welche Auswirkungen diese „Heiratskrise“ auf die chinesische Gesellschaft insgesamt haben wird. Die Vermutungen gehen von der Ausbreitung neuer Beziehungsmodelle – eine Frau, die eheähnlich gleich mehrere Männer hat – über vermehrte Auslandsheiraten bis hin zur Befürchtung, dass ein China, das vom Männerüberschuss geprägt ist, im Innern und Äußeren ein enormes Aggressionspotenzial aufbauen wird.

Gespeist wird diese Befürchtung noch aus einer anderen Quelle: Die Ein-Kind-Politik der letzten Jahrzehnte hat dazu geführt, dass inzwischen eine Generation herangewachsen ist, die keine Geschwister kennt, dafür aber von Eltern und Großeltern häufig regelrecht verhätschelt wurde. „Die nach 1980 Geborenen“ ist inzwischen zum festen Begriff geworden – gemeint ist damit allerdings häufig nichts Positives. Die herangewachsenen „kleinen chinesischen Kaiser“ drängen inzwischen auf den Arbeitsmarkt. Was sie häufig auszeichnet, ist eine Mischung aus Egoismus, Anspruchsdenken und Defiziten im sozialen Umgang. Gepaart mit dem zunehmenden Männerüberschuss in der chinesischen Gesellschaft ist damit eine brisante Mischung entstanden, die China für die nächsten Jahrzehnte prägen könnte. N. Hanert


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