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17.11.12 / Gibt es eine spezifisch preußische Musik? / Die Preußische Historische Kommission geht der Frage nach, inwieweit der Hohenzollernstaat eine eigene Kunst hervorbrachte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-12 vom 17. November 2012

Gibt es eine spezifisch preußische Musik?
Die Preußische Historische Kommission geht der Frage nach, inwieweit der Hohenzollernstaat eine eigene Kunst hervorbrachte

Gibt es eine „preußische Musik“? Oder sollte man sich darauf beschränken, lediglich von „Musik in Preußen“ zu sprechen? Mit diesen Fragen eröffnete Frank-Lothar Kroll, Vorsitzender der Preußischen Historischen Kommission, die dreitägige Jahrestagung, die diesen Monat im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin stattfand. Es handelte sich um die zweite von insgesamt drei Tagungen der Kommission, die dem Problem der Existenz einer genuin preußischen Kunst gewidmet sind. Ambivalent war das Urteil bei der vorhergehenden Tagung über die bildende Kunst ausgefallen, klar abgrenzbar „Preußisches“ vermochten viele der Referenten hier nicht zu erkennen.

Dieses Jahr nun war die Musik Gegenstand. In einem Einführungsvortrag, der das gesamte 18. und 19. Jahrhundert umspannte, variierte der Berliner Professor Hartmut Grimm die Leitfrage, indem er von „Musikkultur in Preußen“ sprach. In den folgenden Beiträgen beschäftigten sich weitere 15 Musikwissenschaftler jeweils mit einem Spezialaspekt und stellten sich der Diskussion mit den anwesenden Preußen-Experten. Etwas bedauerlich ist, dass der zeitliche Rahmen der Existenz des Königreichs Preußen nicht verlassen wurde. Nur sporadisch fanden sich Hinweise auf frühere Epochen, etwa darauf, dass der brandenburgische Kurfürst Joachim II. die Kirchenmusik im 16. Jahrhundert reformierte oder dass der Große Kurfürst ein „begnadeter Gambenspieler“ war.

Panja Mücke fragte in ihrem Vortag, ob sich das mit der (Selbst-) Erhebung Friedrichs III. zum ersten preußischen König Friedrich I. gesteigerte Repräsentationsbedürfnis auch im Bereich der Musik widerspiegelte. Zunächst sei bei diesem Monarchen eine Aufwertung der Hofmusik zu konstatieren. Weiterhin spiele die Königin Sophie Charlotte, selbst eine gute Cembalistin, eine große Rolle. Als einmalig im frühneuzeitlichen Europa konstatierte Mücke, dass sich zwei kulturelle und damit auch zwei musikalische Zentren ausbildeten: im Berliner Schloss um den König sowie in Lietzenburg, dem späteren Charlottenburg, um die Königin. Fried-rich I. verpflichtete, entgegen der an anderen Höfen üblichen Praxis, keine italienischen Musiker, das deutsche Singspiel gewann an Bedeutung. Umstritten war die These der Referentin, dass dahinter eine programmatische Absicht zu erkennen sei.

Jürgen Kloosterhuis, Direktor des Geheimen Staatsarchivs, brach mehrfach in der Diskussion eine Lanze für Friedrich Wilhelm I., den „Soldatenkönig“. Zwar sei er im Gegensatz zu seinem Vorgänger alles andere als ein Förderer der Künste und Freund von prunkvoller Repräsentation gewesen. Dennoch sei auch er im Bereich „Musik“ durchaus einer Betrachtung wert, wenn auch auf gänzlich andere Weise. Durch seine tief verwurzelte Religiosität und durch die von ihm veranlassten Kirchenbauten, die auch mit einer Orgel ausgestattet waren, komme ihm durchaus eine Rolle bei der Verbreitung von kirchenmusikalischer Praxis zu.

An Friedrich dem Großen ist beim Thema Musik natürlich kein Vorbeikommen. Nicht zuletzt Adolph Menzels Gemälde „Das Flötenkonzert von Sanssouci“ hat dies im allgemeinen Bewusstsein verankert. Dass Friedrich selbst ein begnadeter Virtuose war, unterstrichen gleich mehrere Vortragende. Sein Rang als Komponist ist nicht bestreitbar, allein 121 Flötensonaten sollen von ihm stammen. Auch als Librettist hat sich der König betätigt. Zu relativieren ist aber der Anteil, den er letztlich an verschiedenen Werken hatte, mitunter dürfte er lediglich Ideengeber gewesen sei. Andererseits widerlegte Sabine Henze-Döhring die gängige These von der „trostlosen Gestrigkeit der friderizianischen Hofmusik“ nach dem Siebenjährigen Krieg.

Christoph Huntgeburth, selbst als Flötist tätig, wies darauf hin, dass eine adäquate Aufführung der im 18. Jahrhundert komponierten Stücke allein mit historischen Instrumenten möglich sei.

Aber nicht nur die Hofmusik kam zur Sprache. Christoph Henzel konnte zeigen, dass im Berlin des 18. Jahrhunderts das bürgerliche Emanzipationsstreben eben nicht – wie vielfach angenommen – im Konzertleben seinen Niederschlag fand. Vielmehr waren hier Patriotismus und Königstreue sichtbar. Der Militärmusik widmete sich Achim Hofer. Enthielt die ab 1817 zusammengestellte „Königlich-Preußische Armeemarschsammlung“ zunächst noch eine Reihe von Opernmärschen, so ist später eine Zunahme von Märschen zu erkennen, die preußischen Schlachten huldigen. Fried-rich der Große hatte übrigens – allen Legenden zum Trotz – kein sonderliches Interesse an dieser Art Musik. Der ihm oft zugeschriebene „Hohenfriedberger Marsch“ stammt nicht aus seiner Feder.

Mehrfach stand der Komponist und Musikschriftsteller Johann Friedrich Reichardt im Mittelpunkt der Betrachtung. Reichardts Urteil über die Musik des 18. Jahrhunderts wirkt bis heute nach. Untersucht wurde zudem die Frage, warum die Oper „Agnes von Hohenstaufen“ von Gaspare Spontini die angestrebte Rezeption nahezu völlig verfehlte, während Carl Maria von Webers „Der Freischütz“ bis heute als deutsche Nationaloper gilt. Hier bewegte sich die Diskussion aber schon eher auf „gesamtdeutschem“ Feld. Eindeutig positiv im Sinne der Leitfrage der Tagung konnte Andreas Sieling den Organisten und Komponisten August Wilhelm Bach als „preußischen Kirchenmusiker par excellence“ präsentieren.

Giacomo Meyerbeers 1844 uraufgeführte Oper „Ein Feldlager in Schlesien“ dürfte König Friedrich Wilhelm IV. zugesagt haben. Kaiser Wilhelm II. hingegen konnte sich mehr als ein halbes Jahrhundert später nicht so recht für die Kompositionen seines Hofkapellmeisters Richard Strauss begeistern. Gefördert hat er ihn dennoch.

Eindeutig entschieden wurde die Frage nach der Existenz einer preußischen Musik letztendlich nicht. Vergleicht man das Ergebnis mit dem der Tagung zur bildenden Kunst, so bleibt der Eindruck, dass es zumindest im weiteren Bereich der „Musikkultur“ wesentlich mehr Ansatzpunkte gibt, um das „Preußische“ herauszustellen. Im nächsten Jahr wird die Literatur im Mittelpunkt stehen, auf das Ergebnis darf man gespannt sein. Erik Lommatzsch


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