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17.11.12 / Aristokraten der Lüfte / »Wilde Gesellen«: Den gefiederten Falknerei-Bewohnern ganz nah

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-12 vom 17. November 2012

Aristokraten der Lüfte
»Wilde Gesellen«: Den gefiederten Falknerei-Bewohnern ganz nah

Pierre Schmidt aus dem rheinischen Gymnich ist Falk­ner von Beruf, aus Berufung und ist voller Stolz, der Berufserbe einer 3500 Jahre zurückreichenden Tradition zu sein, die damit begann, als die Völker Zentralasiens die Greifvögel zur Beizjagd abrichteten.

Von Falknerei-Historie erzählt Schmidt gern, zumal er als Jung-Falkner das „Falkenbuch“ von Kaiser Friedrich II. ehrfurchtsvoll in der Hand hielt. Er bekam es zur Ansicht von der „Falknerlegen­de“, dem Tiermaler und Autor Renz Waller („Der wilde Falk ist mein Gesell“), der einst Görings „Reichsfalkenmeister“ war.

Mit seinem Buch „De arte venandi cum avibus“ oder „Über die Kunst der Vogeljagd“ läutete Fried­rich II. um 1245 den Start der deutschen Falknerei ein, wobei der Stauferkaiser berühmte Vorläufer wie Aristoteles nutzte und der Falknerei für lange Zeit ein aristokratisches Image verlieh. Seit November 2010 hat die Unesco die Falknerei als „immaterielles Kulturerbe der Menschheit“ anerkannt.

Aber richtig stolz ist Schmidt darauf, dass die Falkner nach 1950 auf die verheerenden Folgen von Insektiziden aufmerksam machten und durch gezielten Artenschutz und durch Auswilderung viele Greifvogelarten, vor allem Wanderfalken, vor dem Aussterben bewahrten.

Das setzt Schmidt bis heute fort, mit eigenem Auswilderungsprogramm und seiner Falknerei als „Bundesausbildungsstätte“ mit dem „Schwerpunkt Greifvogelschutz und Greifvogelkunde“. Das bringt Fördermittel und ist Stand­bein neben seinen Flugshows, mit denen er vor Schulklassen auch eine pädagogische Absicht verfolgt. „Wer Vögel nicht nur aus dem Internet kennt, lernt sie in freier Natur erst richtig schätzen und schützen“, sagt Schmidt.

Er spricht heute noch dem Kölner Kurfürst und Erzbischof Clemens August ein Lob aus, weil dieser um 1730 mit seinem Jagdschloss „Falkenlust“ samt „Falkenschule“, von Schmidt vor Jahren liebevoll neu geordnet, die ökologische Nachhaltigkeit von Falknerei (oder Beizjagd) demonstrierte: Allein der gut ausgebildete Vogel bestimmt, wann er jagt und greift, er tut es lautlos, rückstandsfrei im Dienste biologischer Vielfalt und folgenlos für das Beuteopfer, wenn er es verfehlt. Schmidt spricht dabei von einer „fairen Überlebenschance für das Wild“.

Das war schon so, als Mongolenherrscher wie Dschingis-Khan (12. Jahrhundert) oder Kublai-Khan (13. Jahrhundert) mit der Falkenjagd in freier Steppe die Ernährung ihrer großen Heere sicherten. Pierre Schmidt spendet ihnen professionelle Anerkennung wie auch vielen Nachfolgern, am liebsten seinen Vorbildern Renz Waller und dem Kölner Wildfotografen und Falkner Horst Niesters (1937–2009).

Falkner seien Diener ihrer Vögel, tagtäglich, sagt Schmidt aus eigener Erfahrung, und Falken sind für ihn die edelsten Vögel überhaupt, schöner als Raben, Adler, Bussarde und wie sie alle heißen. Und schneller sind sie auch, bis zu 220 Stundenkilometer erreichen sie im Sturzflug.

In der Falknerei leben in fachkundiger Obhut sibirischer Uhu, Weißkopfseeadler, australischer Eisvogel und Schleiereulen. Aber die Falken aller Spielarten sind seine Lieblinge. Womit er in bester Gesellschaft ist vom mittelalterlichen Falken-Lied des Minnesängers „Der von Kürenberg“ („Ich zôch mir einen valken“, 12. Jahrhundert) bis hin zu Maxims Gorkis „Burewesnik“ (Sturmvogel) und zum Verhaltensforscher Konrad Lorenz, der ob seiner Gänse berühmt wurde, dessen Liebe aber den Falken gehörte.

Heute müht sich Pierre Schmidt um einen weltweiten Greifvogelschutz. Die 225 Hauptarten, dazu zahlreiche Unterarten, alle mehr oder minder gefährdet (wie Schmidt in einem Atlas dokumentieren will), sollen gehegt und bewahrt werden. Vorarbeiten dafür leistet er in seiner Gymnicher Falknerei: geräumige Käfige, in denen auch verunglückte Vögel versorgt werden, Studienplätze für wissenschaftlich Interessierte, eine Tierarztpraxis für ornithologisch spezialisierte Veterinäre und vieles mehr.

„Eine Falknerlehre dauert zwei Jahre“, sagt er und fährt fort: „Ich bin seit über 25 Jahren dabei, aber ich stecke noch immer in den ersten Anfängen.“ Wolf Oschlies


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