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17.11.12 / Berliner Seidenstraße / Globalisierung auch bei der Mode: Ethno-Design für Europäer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 46-12 vom 17. November 2012

Berliner Seidenstraße
Globalisierung auch bei der Mode: Ethno-Design für Europäer

Die sogenannte „Ethno-Mode“ ist inzwischen ein alter Hut. Designermarken wie Etro, Kenzo oder Dries van Noten verstehen es seit Langem, die Muster und Applikationen aus den Trachten ferner Kulturen in ihre Schnitte zu integrieren. Modeschöpfer wie Vivienne Westwood und Donna Karan haben bereits spezielle Kollektionen direkt in Afrika entwickelt.

Doch es geht auch anders. In den letzten Jahren hat sich das Selbstbewusstsein derjenigen, die bisher lediglich Inspirationen für hochpreisige Modeschöpfer lieferten, verstärkt. Junge Kreative erarbeiten unter eigenen Labels selber Kollektionen für den europäischen Markt. Ein Testfeld für ihre Produkte bietet ihnen zum Beispiel der „Import Shop Berlin“. Die Verkaufsmesse, die immer Anfang November stattfindet, präsentiert seit 50 Jahren Kunsthandwerk aus aller Welt, diesmal waren es fast 600 Aussteller aus 60 Ländern.

Einen gelungenen Spagat zwischen uralter Tradition und schlichtem modernen Design legt das kirgisische Unternehmen „Tumar“ hin. Vor 15 Jahren wurde es von drei Frauen in der Hauptstadt Bischkek gegründet. Sie betrachten das Material Filz aus einem modernen Blickwinkel und zeigen, in welcher Vielfalt es eingesetzt werden kann, zu welchen Produkten es passt, ohne seine Funktionalität zu verlieren. Neben Filzpantoffeln in ocker oder hellgrün bieten sie Clutchbags (Handtaschen), Schalen und Mützen aus Filz in warmen modernen Tönen an. Dazu riesige gewebte Schals aus Seide und Wolle. Tumar kam im Mai unter die zwölf Finalisten des internationalen Wettbewerbs der Stuttgarter Kunst- und Designmesse Eunique.

„Wir können hier eine Art Marktforschung machen, schauen, welche Farben oder Schuhe gerne getragen werden“, erklärt die Geschäftsführerin Chinara Maka­shova auf dem Import Shop. Sie präsentiert hier ihre erste Modelinie, zu der schlichte weite Jacken und reich bestickte schwarze Röcke gehören.

Unikate in hoher handwerklicher Qualität stehen auch bei der „Cairo Fashion Art“ im Vordergrund. Das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick­lung geförderte Projekt unterstützt 40 junge Designerinnen an der Helwan-Universität in Kairo.

An dieser Universität richtete Designdozentin Susanne Kümper aus Oldenburg vor 13 Jahren den Studiengang Modedesign ein, den ersten seiner Art in Ägypten. Sie leitet dort ihre Studentinnen an, kulturelle Überlieferungen mit eigenen Ideen weiterzuentwi­ckeln: „Es ist eine spannende Zeit. Themen, die vorher tabuisiert waren, kommen jetzt auf die Bühne. Die Designerinnen experimentieren viel offener.“

Koptische Symbole, islamische Intarsien, die altägyptische Patchworktechnik oder Beduinen­stickereien treffen hier auf mo­derne Schnitte. Es sind Grenzgängerinnen wie Christine Sedky, die in Kalifornien Entwicklungspolitik studierte und nun große Handtaschen mit ägyptischer Patchworkornamentik präsentiert: „Als ich vor fünf Jahren nach Kairo zurückkam, sah ich, dass die Handwerker hauptsächlich billige Massenware herstellten. Der Respekt vor dem traditionellen Handwerk war in Ägypten offenbar verschwunden.“

Sedky begann damals, direkt mit den Kunsthandwerkern zu arbeiten, sie vom Entwurf bis zum Verkauf zu begleiten. Sie gründete ihren eigenen Kunsthandwerks­betrieb, „Ayadi“. Der Name be­deutet „Helfende Hände“.

Experimentierfreudig ist auch die nigerianische Malerin und Designerin Adebimpe Adebambo aus Lagos. Auch ihre Marke „Beampeh“ arbeitet lokal und schaut auf den globalen Markt. Adebambo verwendet die Naturfarbe Indigo in vielen Abstufungen und Mustern, batikt, druckt oder malt sie auf schwungvoll geschnittene schmale Kleider, Röcke und korallenbestickte Oberteile. Die Messe Import Shop ist für sie „ein Augenöffner“. Für ihre neue Kollektion „Printplosion“ ließ sie sich von der Berliner Mauer inspirieren.

So bietet der Mauerfall auch für Afrikaner neu„modische“ Aussichten. Dorothee Tackmann


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