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24.11.12 / Das Erbe des Bürgerkriegs / Sierra Leone wählt offenbar den Frieden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-12 vom 24. November 2012

Das Erbe des Bürgerkriegs
Sierra Leone wählt offenbar den Frieden

Ein demokratischer Wahlprozess wäre ein weiterer Meilenstein auf dem Weg Sierra Leones in Richtung Demokratie.“ Das sagte Bundesentwick-lungsminister Dirk Niebel bei seinem Besuch in Sierra Leone im August. Vergangenes Wochenende bewies der Staat im Westen Afrikas, dass er für den Frieden bereit ist. Die Wahlen am vergangenen Sonnabend liefen gewaltfrei ab. Zwar öffneten einige Wahllokal mit mehreren Stunden Verspätung, doch laut den EU-Wahlbeobachtern alle Wartenden die Chance gehabt, ihre Stimmen abzugeben. Die Wahlen galten als Indikator. Nicht nur für die weitere Zusicherung von Entwicklungsgeldern, sondern auch, ob das Land endlich Frieden findet oder ob weitere Gewalt jegliche Entwicklung lähmt.

Abgehackte Hände und Waisenkinder in Freetowns Straßen zeugen auch zehn Jahre nach dem Bürgerkrieg von den damaligen Gräueltaten. Beim Bürgerkrieg von 1991 bis 2002 rebellierten die Paramilitärs der Revolutionairy United Front (RUF) gegen die Regierung in Freetown. Kinder im Alter von elf Jahren erzogen sie mithilfe von Kokain zu Kämpfern und sie veranstalteten Massenvergewaltigungen im ganzen Land. In abgelegenen Regionen machte die RUF die Bevölkerung zu Arbeitssklaven, die unter unmenschlichen Bedingungen nach Diamanten suchen mussten. Gegenüber der PAZ sagt Thomas Cargill, Afrikanologe bei der Organisation Chatham House: „Das Erbe des Krieges ist immer noch erkennbar, überall im Alltag. Von Bau-Ruinen im ganzen Land bis hin zu abgetrennten Gliedmaßen.“ Sareta Ashraph, die als UN-Mitarbeiterin fünf Jahre in Freetown lebte, berichtet: „Der Krieg löste einen Flüchtlingsstrom in die Städte aus. Heute leben die Menschen hier in Slums. Viele von ihnen wohnen in der Nähe ihrer Vergewaltiger oder wissen, wo sich diese befinden.“ Die Geschlechtskrankheiten von vergewaltigten Frauen blieben größtenteils unbehandelt und die Kindersoldaten von damals seien heute erwachsen und ein soziales Problem.

2007 hatte der All People’s Congress (APC) die Sierra Leone People’s Party (SLPP) nach 21 Jahren in der Regierung abgelöst. Präsident Ernest Koroma hat dem Staat seitdem Stabilität gebracht und erzielte in den letzten Jahren einige Erfolge in der Landwirtschaft und der Infrastruktur. In Freetown sollen 2014 die Ketten Hilton und Radisson Hotels eröffnen und der Rohstoffhandel erlebt einen Aufschwung. Die Bevölkerung profitierte bisher jedoch kaum davon. Auf dem Human Development Index der Uno rangiert das Land auf Platz 180 von 187. 60 Prozent leben von unter 1,25 Dollar pro Tag.

Deutschland unterstützt Sierra Leone vor allem in der Privatwirtschaft und im Kampf gegen die grassierende Jugendarbeitslosigkeit. Bei seinem Besuch sicherte Niebel der Bevölkerung weitere sechs Millionen Euro für Projekte innerhalb der nächsten drei Jahre zu. Die staatliche Wahlkommission will das endgültige Ergebnis nächste Woche bekanntgeben. Internationalen Beobachtern zufolge machte das Land aber einen Schritt in die richtige Richtung: Laut ersten Hochrechnungen führt Präsident Koroma vor seinem Herausforderer Mada Bio. Bio führt seit 2007 die Opposition an und war als Kandidat nicht unumstritten. Angeblich war er am Putsch beteiligt, dem zu Beginn der Bürgerkriegswirren der Präsident zum Opfer fiel. Der nigerianische Botschafter in Freetown warnte vor Kurzem, „jemandem mit einer solchen Vergangenheit sollte man nicht trauen“. Markus Schönherr


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