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24.11.12 / Erbitte Ihre nicht aussagefähige Bewerbung ...

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-12 vom 24. November 2012

Gastbeitrag
Erbitte Ihre nicht aussagefähige Bewerbung ...
von Norbert J. Breuer

Stellen Sie sich doch bitte einmal vor, Sie selbst seien Leiter einer Personalabteilung, Personal- oder Managementberater, und suchten für Ihr Unternehmen oder Ihren Mandanten einen neuen Mitarbeiter. Sagen wir einen „Vertriebsleiter Frankreich“. Ein Grundpfeiler des Exportmarketing lautet: „Passe Dich dem Exportmarkt an, da Du nämlich kaum erwarten darfst, dass der Markt sich Dir selber anpasst.“ Sie möchten demgemäß eine möglichst vollständige Adaptation an die im französischen Markt gängigen Usancen und Gepflogenheiten vornehmen. Es ist keine Neuigkeit, dass man vertrieblich in Frankreich allemal mit Franzosen arbeiten sollte, wofür es sachlich die allerbesten Gründe gibt.

Sollten Sie nun arglos der folgerichtigen Idee anheimfallen, in Ihrem Inserat „Sie sind Franzose“ oder „Ihre Muttersprache ist Französisch“ zu postulieren, stehen Sie in unserem Lande bereits voll im Abseits. Und müssen damit rechnen, zur Strafe drei Monatsgehälter eines sich zurückgesetzt wähnenden Bewerbers zahlen zu müssen, weil solcherlei Nationalitätsvorgabe (zwingend) eine Benachteiligung aufgrund ethnischer Herkunft darstellen soll. „Akzentfreies Mongolisch“ dürfen Sie hingegen noch gerne fordern, lieber jedoch nicht mehr „akzentfreies Deutsch“, denn da könnte doch so mancher radebrechende Zugewanderte sauer werden. Also Vorsicht: Bei der Abfassung einer Stellenanzeige werden Ihnen inzwischen vom zunehmend EU-hörigen deutschen Gesetzgeber dermaßen viele Fußfesseln umgelegt, dass Sie sich auf rundum vermintem Terrain befinden. Auch „dynamisch“ sollte man mitnichten mehr von den „Bewerber/-innen“ fordern, da dies – man staunt – auch einer „Altersbegrenzung“ gleichkommen könnte. Die Forderung nach zum Beispiel „zwei bis vier Jahren Berufserfahrung“ ist ebenfalls hochproblematisch, weil ein Bewerber mit fünf Jahren Berufserfahrung damit unter Umständen quasi als zu alt eingestuft werden könnte.

Es wird nun von Fachleuten der Gleichstellungsmanie sogar allen Ernstes empfohlen, Stellenbezeichnungen nur noch in englischer Sprache anzugeben, weil die Bezeichnung dann per se geschlechtsneutral ausfalle. So als lebten wir jetzt in Texas. Aber Achtung: Der englische Begriff „Young Professional“ sollte ebenfalls vermieden werden, so wie um Himmels willen „Mitarbeit in jüngerem Team“. Weil sonst womöglich karrierewilde Bewohner von Altenheimen rebellieren und sich mit tränen-

erstickter Stimme die Inserate gegenseitig vorlesen. Selbst ein Lebenslauf sollte bitteschön auch nicht mehr ausdrücklich angefordert werden, da dieser, wie erschröcklich, das Geburtsdatum enthalten könnte; und der Arbeitgeber somit ja das Alter des Bewerbers erführe – was natürlich ganz schlecht wäre, da bekanntermaßen alle Unternehmer dem Jugendwahn verfallen sind und als gestandene internationale Vertriebschefs am liebsten pubertierende, picklige Teenager verpflichten. Auf keinen Fall sollten Sie sportliche Agilität verheißende Begriffe wie „körperlich belastbar“, „mobil“ oder gar „geistig flexibel“ benutzen, da sich ansonsten Behinderte diskriminiert, ja verunglimpft fühlen könnten. Klage folgt womöglich auf dem Fuß.

Auch Absageschreiben sind für Bewerber nunmehr endlich völlig nutzlos, da vom Absagenden hier höchste Meisterschaft verlangt ist, sich nicht im Gestrüpp der Gleichmacher-Vorschriften zu verheddern. In den 70er Jahren schrieb ein offenherziger Chef einmal einem Bewerber, dass er ihn nicht nehmen möchte, da er ihm doch allzu stark nach Parfüm geduftet habe. Dies mag für den Bewerber im Hinblick auf seinen zukünftigen Lebensweg ein durchaus nützlicher Hinweis gewesen sein, der ihm heute nicht mehr geboten werden darf, so dass seine Zukunft duftbedingt verbaut sein könnte.

Zurück zum gesuchten „Franzosen“: Da dieser in der Anzeige als solcher nicht erscheinen darf, werden sich vielleicht 70 andersnationale „Kandidat/-innen“ bewerben – alle umsonst. Die Zeit, Papier, Porti, Kopien und ihre aufkeimenden Hoffnungen hätten sich die Bewerber sparen können. Und der Personalsuchende muss ihnen allen denn auch noch wachsam-gestelzte Absagen schreiben, ein unnötiger Kosten- wie Zeitaufwand. Der schlimmste anzunehmende Unfall wäre demnach, eine Stellenanzeige zu publizieren, die in reinherziger Wahrhaftigkeit fast alle genauen Anforderungen des Personalsuchenden in freundlicher, fairer Offenheit manierlich darlegt. Wahrscheinlich riskierte der Verwegene nicht nur geharnischte Geldstrafen, sondern eine mehrteilige Skandalstory in „Bild“ und würde vor seiner Wohnstatt mit Mahnwachen und Lichterketten behelligt.

Am besten sollten zeitgeistige Stellenanzeigen wohl doch so formuliert sein, dass ein alters-, staaten-, namen-, farb- und sprachloser Mensch undefinierbaren Sexus gesucht werde, der seine bitteschön nicht aussagefähige Bewerbung anonym hereinreichen möge. Denn: der anonyme Lebenslauf ist auch in Deutschland im Anmarsch, ihm fehlen bewusst: Name, Vorname, Adresse, E-Mail-Adresse, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort, Familiensituation, Behinderungen, Schwangerschaft, Foto. Klar: Der Arbeitgeber wird so nicht wissen, ob der Bewerber Mohammed oder Blasius heißt. Doch spätestens beim Vorstellungstermin wird er es doch erfahren. Und Mohammed nehmen, wenn er besser zum Stellenprofil passt. Und alles, was er über die beiden noch nicht weiß, und ungewollt noch viel mehr, erfährt er gegebenenfalls anschließend via „Facebook“ und Konsorten, wo die „vermummten“ Bewerber freigebig ihr Innerstes entblößen.

Ist solcherlei gesetzgeberische Possenhaftigkeit volkswirtschaftlich gesund? Natürlich nicht. Denn gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Es ist an der Zeit, allen ideologischen Ballast einmal sorgsam einer Überprüfung auf den gesunden Menschenverstand und die unserem Gesetzgeber mehr und mehr abhanden kommende handwerkliche, umsichtige Sorgfalt hin zu unterziehen. Eine Reform wäre dringend vonnöten. Schon im Interesse der Bewerber – ja, der Bewerber! Denn denen dürfte Klartext lieber sein als ungewollte Veräppelung, die weit mehr ihre Zeit verschwendet als ihnen nutzt. Zumal: Ganz am Ende wird der Personalsuchende seinen „Franzosen“ ja doch kriegen. Ebenso wie der türkische Kebab-Fabrikant seinen türkischen Einkaufsleiter. Was also soll der ganze Eiertanz? Die Gemüter ideologisch verblendeter „Mainstreamer“ und selbsternannter, praxisferner Gutmenschen beruhigen? Einer Exportnation wie der unsrigen stünde jedenfalls im ureigenen Interesse mehr Wahrhaftigkeit auch in Stellenausschreibungen und Absagen gut zu Gesicht. Überkandidelten, dreisten Brüsseler Bürokratenhirnen und Berliner Gleichheitseiferern sollte endlich einmal tapfer entgegengewirkt werden. Die Arbeitgeberverbände, die Kammern sind hier in der Pflicht – endlich – das Nötige zu leisten. Und wenn sie schlau sind: auch die Gewerkschaften. Von den Parteien hingegen ist nichts mehr zu erwarten.

Ach ja, Schreiber dieses ist ein Verfechter der Gerechtigkeit für alle, gerade auch „der Mühseligen und Beladenen“ im biblischen Sinne. Er hat bloß aus der täglichen Managementpraxis her Zweifel daran, dass man dieser Gerechtigkeit mit einem unseligen Brimborium wie dem oben Beschriebenen auch nur einen Schritt näherkommt.

 

Norbert J. Breuer arbeitet als selbständiger internationaler Managementberater mit Schwerpunkt Deutschland/Frankreich. Daneben ist er als Seminar- und Hochschuldozent sowie als Fachbuchautor tätig. Außerdem schreibt er belletristisch.


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