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24.11.12 / Schon früh erfolgreich – bekannt erst im Alter / Adolf Heusinger: Der erste Generalinspekteur der Bundeswehr zählt zu den Vätern der westdeutschen Streitkräfte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-12 vom 24. November 2012

Schon früh erfolgreich – bekannt erst im Alter
Adolf Heusinger: Der erste Generalinspekteur der Bundeswehr zählt zu den Vätern der westdeutschen Streitkräfte

Besucher, die den Dienstsitz des Generalinspekteurs der Bundeswehr betraten, waren verwundert. Ein einfaches Büro in der Bonner Ermekeilkaserne, mit kahlen Wänden, ausgestattet mit Behördenmöbeln. Generale, die in anderen Ländern ähnliche Positionen bekleideten, residierten im Vergleich dazu wie die Sonnenkönige. Adolf Heusinger dürfte das nicht gestört haben, entsprach dieses schlichte Ambiente doch ganz seinem bescheidenen Wesen. Heusinger diente in vier Armeen und gelangte schon in frühen Jahren ins Zentrum militärischer Führung. Öffentlich bekannt wurde er jedoch erst als einer der Väter der Bundeswehr.

Eigentlich hatte der am 4. August 1897 im heute zum Bundesland Niedersachsen gehörenden Holzminden geborene Heusinger nach Abschluss des humanistischen Gymnasiums Förster werden wollen, doch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges machte seinen Berufswunsch zunichte. Mit dem Notabitur in der Tasche, kämpfte er vor Verdun, an der Somme und bei Arras, wurde zweimal verwundet und mit beiden Klassen des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet. Im Herbst 1917 geriet der frisch beförderte Leutnant in Flandern in britische Kriegsgefangenschaft, aus der er erst zwei Jahre später entlassen wurde.

Da ein erneuter Anlauf, Forstbeamter zu werden, wegen der schlechten Wirtschaftslage scheiterte, entschloss sich Heusinger, Soldat zu bleiben. Nach siebenjährigem Truppendienst in einem Infanterieregiment absolvierte er die Generalstabsausbildung und wurde 1930 noch als Oberleutnant für vier Jahre in das Truppenamt im Reichswehrministerium versetzt, das eine Funktion ähnlich der des durch den Versailler Vertrag verbotenen Generalstabs hatte. In dessen Operationsabteilung erwies sich der bisweilen als pedantisch gefürchtete Heusinger als begabter und akribischer Planer. Nach der obligatorischen Truppenverwendung als Kompaniechef und Erster Generalstabsoffizier der 11. Infanteriedivision in Allenstein kehrte er 1937 in die Operationsabteilung im Generalstab des Heeres zurück.

Da er auf dem schwierigen Gebiet der Operationsführung als besonders befähigt galt, bekam er nie wieder ein Truppenkommando, sondern rückte im Laufe der Jahre innerhalb der Abteilung auf, bis er im Oktober 1940 im Alter von erst 43 Jahren als Oberst deren Chef wurde. In dieser Funktion war er mit der strategischen und operativen Planung und Führung der Heeresverbände befasst und damit engster Berater des Generalstabschefs. Immer wieder geriet Heusinger in den Konflikt um die Operationsführung, der zwischen dem Generalstab und Adolf Hitler ausgetragen wurde. Wegen seiner fachlichen Kompetenz und seines nüchternen Urteils, aber auch wegen seiner Anpassungsfähigkeit, duldete Hitler, dessen Ansichten oftmals gegen jede militärische Vernunft waren, manchen Widerspruch von seiner Seite. Heusingers wiederholte Bitte um ein Frontkommando wurde stets abgelehnt, weil der Generalstabschef und auch Hitler selbst nicht auf seine Expertise verzichten wollten.

Nachdem sein Vorgesetzter erkrankt war, übernahm Heusinger, mittlerweile Generalleutnant, im späten Frühjahr 1944 kommissarisch die Leitung des Heeresgeneralstabs. Damit ruhte die ganze Last der Verantwortung für die Kriegführung im Osten auf seinen Schultern. Seinen letzten Lagevortrag hielt er am 20. Juli 1944, als die Bombe, die Stauffenberg neben ihm platziert hatte, explodierte. Heusinger kam verletzt ins Krankenhaus, wo er wenige Tage später wegen seiner dienstlichen Kontakte zu den Verschwörern von der Gestapo verhaftet wurde. Da ihm noch nicht einmal eine Mitwisserschaft nachzuweisen war, wurde er im Oktober 1944 aus der Haft entlassen und in die Führerreserve versetzt. Bei Kriegsende geriet er in US-amerikanische Gefangenschaft, aus der er 1948 entlassen wurde.

Kurz darauf schloss sich Heusinger dem Kreis ehemaliger Offiziere an, der den Bundeskanzler in militärischen Fragen beriet. Hier plädierte er für ein Gleichgewicht der militärischen Kräfte als Fundament für eine stabile politische Ordnung in Europa. Er überzeugte so, dass er Ende 1950 offiziell zum militärischen Berater der Bundesregierung ernannt wurde. Allerdings stellte er eine Bedingung: Keine Festanstellung, solange noch Kameraden von ihm in deutschen Gefängnissen sitzen. 1952 erfolgte Heusingers Berufung zum Leiter der militärischen Abteilung im Amt Blank, aus dem später das Bundesverteidigungsministerium hervorging. Am 12. November 1955, dem Tag, an dem die Bundeswehr aus der Taufe gehoben wurde, wurde Heusinger als Generalleutnant reaktiviert und zum Leiter der militärischen Abteilung und später der Abteilung Streitkräfte des Ministeriums ernannt.

Zwei Jahre später ging es darum, die neugeschaffene Position des Generalinspekteurs zu besetzen. Neben den aus dem Krieg bekannten Namen Erich von Manstein, Hans Speidel, Walther Wenck und Ludwig Crüwell war auch Heusinger im Gespräch. Den kannte allerdings so gut wie niemand, hatte er doch keine Meriten an der Front erworben, sondern stets unauffällig im Generalstab gewirkt. Verteidigungsminister Franz Josef Strauß hatte Heusinger deshalb eigentlich als zwar ranghohen, aber nicht besonders einflussreichen Oberbefehlshaber der Nato-Landstreitkräfte in Mitteleuropa vorgesehen, gab aber schließlich dem Drängen der Nato-Partner nach, General Speidel nach Fontainebleau zu entsenden. So wurde Heusinger am 1. Juni 1957 bei gleichzeitiger Beförderung zum Viersternegeneral zum Generalinspekteur ernannt.

Auch in diesem hohen Amt blieb Heusinger still und zurückhaltend. Große Gesten und kühne Entschlüsse waren ihm fremd. Mit Lob und Tadel ging er gleichermaßen sparsam um. Im Ränkespiel zwischen Soldaten und Beamten sowie bei der Vermittlung zwischen politischen Forderungen einerseits und militärischen Erfordernissen sowie dem Machbaren andererseits kam ihm immer wieder seine virtuose und eiskalte Geschmeidigkeit zugute. Manche seiner Generalskameraden hielten ihm diese Eigenschaft als Wankelmütigkeit und Rückgratlosigkeit vor. Eine Eigenschaft sprach ihm dagegen niemand ab: die des brillanten Strategen.

Auf dieses Talent war man auch bei der Nato aufmerksam geworden. Ende 1960 bot man ihm an, als erster Deutscher Vorsitzender des Militärausschusses zu werden. Es unterstreicht die Wertschätzung der Person und Leistung Heusingers im In- und Ausland, dass seine Wahl in die höchste militärische Position des Bündnisses einstimmig erfolgte. Seine neue Aufgabe in Washington bildete den Höhepunkt und zugleich den Abschluss seiner Berufslaufbahn, die er, bereits im 67. Lebensjahr stehend, Anfang 1964 beendete. Als er ein letztes Mal bei einer Nato-Tagung auftrat, verabschiedeten ihn die Generale, Minister und Diplomaten mit stehenden Ovationen. In 49 Dienstjahren hatte er nach seinen eigenen Worten alle Höhen und Tiefen des Soldatenberufes auskosten müssen und trotzdem nie den Glauben daran verloren. Hoch geachtet und auch im Ruhestand als Ratgeber von Kameraden und Politikern geschätzt, starb Heusinger am 30. November 1982 im Alter von 85 Jahren in Köln. Jan Heitmann


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