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24.11.12 / Premiere mit schwerer Kost / Jugendtheaterprojekt der deutschen Volksgruppe begann ihre Arbeit mit einem Vertreibungsdrama

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-12 vom 24. November 2012

Premiere mit schwerer Kost
Jugendtheaterprojekt der deutschen Volksgruppe begann ihre Arbeit mit einem Vertreibungsdrama

Nachdem Edyta Gładkowska die Leitung des Verbindungsbüros der Landsmannschaft Ostpreußen in Allenstein übernommen hat, besitzt die deutsche Volksgruppe im südlichen Ostpreußen nun auch eine Jugendtheatergruppe. Für den ersten Auftritt auf dem deutschen Kulturfestival in Breslau wurde gleich schwere Kost gewählt: „Der vierte Platz“ von Horst Mönnich, ein Stück über das Schicksal einer westpreußischen Familie.

„Wir wollten“, so Edyta Gładkowska, „etwas mit Bezug zu unserer Region präsentieren, und Erlebnisse wie die im Buch beschriebenen trafen auch die damaligen Ostpreußen.“ Erlebnisse, über die in den Familien der Jugendlichen sehr wenig gesprochen wird. Deshalb stand zu Beginn der Proben eine historische Einführung inklusive des Films „Söhne“ von Volker Koepp, der auf dem Buch von Horst Mönnich beruht.

Neben der schauspielerischen Ausbildung wie Stimmbildung, Diktion, Arbeit am Text und Umsetzung auf der Bühne, die Ewa Huss-Nowosielska vom Verein der deutschen Volksgruppe „Warmia“ in Heilsberg übernommen hatte, galt es, die Hemmschwelle des Auftretens als solches zu überwinden.

„Ich hatte am Anfang Angst“, meint Dagmara Niemyjska aus der Kulturgesellschaft der Deutschen „Heimat“ in Ortelsburg, „doch beim dritten, vierten Mal ging es dann.“ Dabei hat sie eine relativ kurze und polnisch gesprochene Rolle, eine fanatische Beamtin. „Sie ist wirklich sehr unsympathisch, aber das ist nur eine Rolle, die ich spiele“, erklärt sie.

Mit Lampenfieber umgehen können sollte dagegen Monika Krzenzek, ebenfalls aus Ortelsburg. Sie singt seit Jahren beim Wettbewerb des deutschen Liedes in Osterode, doch: „Deutsch Theater spielen ist etwas anderes, als deutsch zu singen. Ein bisschen mulmig war mir schon.“

Kamila Manka aus Heilsberg, die Mitorganisatorin des Stücks, hat mit der Rolle der Baronesse Ilse Bandomir die Hauptrolle übernommen. „Es ist schwer, in einer anderen Sprache aufzutreten als in der, die man aus seinem Umfeld gewohnt ist. Aber alles ist möglich“, findet sie, „doch der Umfang des Textes in unserem Drehbuch ist gerade für die Hauptpersonen enorm.“

Dabei ist das Szenario alleine schon eine Meisterleistung der Jugendlichen. Ohne nennenswerte Verluste am Inhalt des Buches, ohne die großen Rollen zu überfrachten, in einer für den Zuschauer angenehmen Zeit von etwa einer Stunde alles Wesentliche zu zeigen, das ist nicht einfach. Hilfreich waren gerade für Kamila Manka eingeschobene Töne wie originale Radionachrichten auf Deutsch und Polnisch, musikalische Untermalung oder auf Band gesprochene Tagebucheinträge.

So schlugen die Jugendlichen atmosphärisch dicht den Bogen von Ilse Bandomirs Abreise unter dem Druck des Untergangs der „Wilhelm Gustloff“ über ihre Suche nach ihren zwei jüngeren Kindern, ihre Erfahrungen bürokratischen Widerstands und unerwarteter Hilfe bis zur Erkenntnis, dass es in den ganzen Nachkriegswirren eine Verwechslung gegeben hat und ihr Sohn Jürgen ein fremdes Kind ist. Dem sie dann aber den bis dahin frei gehaltenen vierten Platz am Tisch anbietet. Kein einfacher Stoff, aber bravourös umgesetzt.

Schade nur, dass sich das Interesse des Publikums beim deutschen Kulturfestival in Breslau wie immer auf die Hauptbühne konzentrierte und nur relativ wenige Zuschauer – beinahe ausschließlich aus dem südlichen Ostpreußen – den Weg in Raum 51 fanden. Doch seither gab es schon erste Einladungen zu einigen Gesellschaften der deutschen Volksgruppe und weitere sollten folgen. Die Gruppe und ihr Stück haben es verdient. Uwe Hahnkamp


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