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24.11.12 / »Taubenschlag« für die letzte Ruhe / PAZ-Thema zum Totensonntag: Urnenbestattungen im »Kolumbarium« des Hamburger Doms

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-12 vom 24. November 2012

»Taubenschlag« für die letzte Ruhe
PAZ-Thema zum Totensonntag: Urnenbestattungen im »Kolumbarium« des Hamburger Doms

Über das Thema Bestattung redet keiner gerne, denkt keiner gerne nach; aber die Frage der letzten Ruhestätte stellt sich mit einer gewissen Unausweichlichkeit. Hat jemand nicht vor dem Tod entsprechende Vorbereitungen getroffen, müssen die Angehörigen die schwierige Entscheidung treffen: Feuer- oder Erdbestattung beziehungsweise anonyme oder persönliche Grabstelle. Und je nach Wahl entstehen für die Angehörigen höhere oder niedrigere Kosten, ein nicht zu verachtender Faktor.

Über Jahrtausende galt die Erdbestattung als die christliche Bestattungsform schlechthin. Ebenso wie Moslems und Juden legten Christen den Leichnam eines Verstorbenen in die Erde, weil sie darauf hoffen, dass sie eines Tages mit Seele und Leib auferstehen werden. Anders als etwa Hindus oder Buddhisten, die eine andere Vorstellung von Wiedergeburt oder der Ewigkeit haben, verbrannten sie ihre Toten nicht. Nun ändern sich aber die Sitten. In Hamburg etwa werden heute etwa 70 Prozent der Verstorbenen verbrannt und die Asche in einer Urne oder in der See bestattet.

Schlagzeilen machte kürzlich der Hamburger Erzbischof Werner Thissen, der unter dem Mariendom, der Zentralkirche des katholischen Erzbistums, ein sogenanntes Kolumbarium einweihte. Wörtlich aus dem Lateinischen übersetzt, bedeutet das Wort „Taubenschlag“. Gemeint ist damit aber der Aufbewahrungsort von Urnen in einem oberirdischen oder unterirdischen Bauwerk, das schon die alten Römer kannten und das wie ein großer Taubenschlag aussieht. Hier werden die Urnen in kleinen Fächern für eine gewisse Zeit über- und nebeneinander gestapelt.

So stieg Erzbischof Thissen am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel vor dem Schlusssegen zusammen mit dem Domkapitel in das neue Kolumbarium hinab, um es einzuweihen. An der Eingangswand zur Krypta stehen die Worte aus dem Lukasevangelium: „Freut euch, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind.“ In dem flachen, 110 Quadratmeter großen Raum mit goldener Decke befindet sich in einem Halbrund um die Grabstele eine Wand mit quadratischen Türchen aus goldbraun schimmerndem Material. Für jeweils zwei Urnen ist Platz in einer Grabnische. Die Namen der Verstorbenen sowie ihre Geburts- und Todesdaten werden in die Tür eingraviert. Auf Kieselsteinen vor den Türen können Blumen abgelegt, in einer Ecke Kerzen angezündet werden. Der Grabplatz kostet einmalig 3500 Euro, wie Peter Knorn als Verantwortlicher für die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit bekannt gab.

Der Erzbischof pries diese erste derartige Grablege in einer katholischen Kathedrale in Deutschland als Rückholung der Verstorbenen in das Reich der Lebenden: „Denn wer den Tod nicht verdrängt, der gibt dem Leben Raum“, erklärte er vielsagend. Damit wollte sich Thissen besonders gegen die um sich greifende Verdrängung des Todes und die anonymen Bestattungen stellen.

Die beruhigt die Kritiker des neuen Kolumbariums jedoch kaum. Unterstellt wird dem Bischof, dass es ihm hier in erster Linie nicht um die Verstorbenen gehe, sondern um das Geld. Die teure Renovierung des Doms vor einigen Jahren sei immer noch nicht abbezahlt, daher habe man nun nach einer lukrativen Einnahmequelle ge­sucht, um die noch fehlenden Gelder aufzubringen, heißt es. Da bereits 100 Interessenten sich für ein Fach im Kolumbarium gemeldet haben sollen, wäre damit also schon eine beträchtliche Summe in Aussicht.

Grundsätzliche Kritik gibt es auch an der Urnenbestattung selbst. Zwar ist diese seit einigen Jahrzehnten in der katholischen Kirche nicht mehr verboten, aber geboten bleibt nach wie vor die Erdbestattung. Für sich selbst, alle Bischöfe des Bistums und das Domkapitel ließ der Erzbischof daher erst 2008 einen eigenen Friedhof, direkt neben dem Dom, errichten. Werden hier also Grabstätten für zweierlei Arten von Christen errichtet, fragen einige Gläubige?

Übernommen wurde die christliche Erdbestattung ursprünglich vom Judentum. Jesus Christus wurde wie selbstverständlich in einem Felsengrab beigesetzt. Heute wird dieser Ort, der gleichzeitig als Ort der Auferstehung gilt, in der Jerusalemer „Grabes­kirche“, einem der zentralsten Heiligtümer der gesamten Christenheit, verehrt. Wer einmal in Jerusalem die riesigen Gräberfelder im Kidron-Tal gesehen hat, bekommt eine ungefähre Ahnung von der jüdischen Hoffnung auf die Auferstehung der Toten. Von Osten her soll Jesus Christus am Ende der Welt wiederkommen, daher sind die Gräber ebenso wie die frühchristlichen Kirchen stets „ad orientem“, das heißt nach Osten, ausgerichtet.

Je mehr die alten Traditionen aber wegbrechen, wie dies heute wohl der Fall ist, desto wichtiger wird es, rechtzeitig einige klare Worte und Weisungen für die Angehörigen zu hinterlassen, wie man beerdigt werden möchte; sonst stehen diese ratlos vor der Qual der Wahl. Hinrich E. Bues


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