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24.11.12 / »Israelische Patrioten« / Soldaten kritisieren Einsätze im Gazastreifen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-12 vom 24. November 2012

»Israelische Patrioten«
Soldaten kritisieren Einsätze im Gazastreifen

Seit mehr als 45 Jahren sind israelische Soldaten und Soldatinnen in Hebron, Nablus und anderen palästinensischen Städten und Dörfern im Einsatz. 2010, im zehnten Jahr der zweiten Intifada, erschien in Israel ein Buch mit Augenzeugenberichten von Veteranen der israelischen Armee, die ihre Erlebnisse bei ihren Einsätzen im Gazastreifen und im Westjordanland schildern. „Die Besatzung der Gebiete 2000 bis 2010“ enthüllte die raue, alltägliche Realität der Besatzung, dargestellt mit den eigenen Worten der Soldatinnen und Soldaten. Insgesamt ergab sich ein Bild, das ganz und gar nicht der im Land weit verbreiteten Vorstellung von der Israelischen Verteidigungsarmee (Zawa Hagana Leisrael, kurz Zahal) entspricht. Den Aussagen des Buches wurde denn auch von verschiedenen Seiten vehement widersprochen. Im Econ Verlag erschien nun die deutsche Übersetzung. Herausgeber ist die Organisation Breaking the Silence, die 2004 von Veteranen gegründet wurde, um die Besatzungspolitik Israels zu dokumentieren.

Der Sammelband enthält 146 von insgesamt 800 Interviews, die 2004 bis 2010 mit ehemaligen Soldaten geführt worden sind. Die im O-Ton wiedergegebenen Interviews wurden von mehreren Seiten bestätigt und von der Militärzensur freigegeben. Einige der Befragten litten unter posttraumatischen Störungen. Die volle Tragweite ihres Handelns wurde ihnen zumeist erst später bewusst. Ihre Berichte sind teilweise schockierend. Von Schikanen, Demütigungen, nächtlichen Störungen und Gewalttaten gegen Palästinenser ist die Rede, und zwar keineswegs nur an den zahlreichen Kontrollpunkten und Sperren. Seit 2007 beschränken sich die Einsätze der Armee auf das Westjordanland. Der von der radikalislamischen Hamas beherrschte Gazastreifen ist fast vollständig von Israel abgeriegelt. Israel nimmt nur die Kontrolle der Außengrenzen wahr. Aufgrund der Eskalation der Gewalt seit Ausbruch der Intifada im September 2000 sah sich der Sicherheitsapparat veranlasst, neue aggressivere Vorgehensweisen zu entwickeln, um Anschlagsversuche gegen israelische Zivilisten und Soldaten auf beiden Seiten der Grünen Linie (Grenze von 1967) zu verhindern. Dabei wird nach außen hin die Zielsetzung vermittelt, dass der Staat Israel plane, sich langsam aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen. Die Mitglieder von Breaking the Silence sind dagegen zur Auffassung gelangt, dass die Aktivitäten der Armee auf die Lähmung des alltäglichen Lebens in den Palästinensergebieten abzielen, auf Vertreibung und Annexion von immer mehr Land. Bei der Durchsetzung der Militärherrschaft über die Palästinenser übernehmen die jüdischen Siedler in den besetzten Gebieten eine unterstützende Funktion, was viele Einzelberichte bestätigen. Den Palästinensern ist das Betreten der Siedlungen untersagt.

Der Inhalt ist in einzelne Blöcke unterteilt, die mit „Vorbeugung“, „Trennung“, „Lebensstruktur“ und „Durchsetzung von Recht und Ordnung“ überschrieben sind. Damit wurden Begriffe übernommen, mit denen die Sicherheitskräfte gegenüber den Medien und in den Einsatzbesprechungen die vier Hauptelemente ihrer Politik in den besetzten Gebieten umschreiben – und damit die Realität palästinensischen Lebens unter israelischer Okkupation verschleiern, wie die Herausgeber betonen: „Obwohl ursprünglich beschreibender Natur, wurden die vier Begriffe bald zu Codewörtern für Maßnahmen, die mit ihrer ursprünglichen Bedeutung nichts mehr zu tun haben.“ Mit dem Buch bezweckten sie, Fakten zur Verfügung zu stellen, um das „verfälschte Bild“ der israelischen Besatzungspolitik zu korrigieren. In Israel wandten sich Politiker mit Verleumdungsvorwürfen gegen die Zeugen, während die israelischen Bürger mehrheitlich wegschauten; aus Scham und weil man auf die Armee als Garant der eigenen Sicherheit angewiesen ist, erklärt Avi Primor, von 1993 bis 1999 israelischer Botschafter in Deutschland, in seinem Vorwort. Er verlangt mehr Aufklärung und verteidigt die Herausgeber des Buches: „Was wollen diese mutigen Freiwilligen von ,Breaking the Silence‘? Als leidenschaftliche israelische Patrioten wollen sie dem Staat Israel nicht schaden, ebenso wenig wollen sie die israelischen Streitkräfte, denen sie als Reservesoldaten immer noch angehören, schwächen. Im Gegenteil: Diese Menschen sind Idealisten. Sie sind davon überzeugt, dass moralische Aufrichtigkeit ihre Gesellschaft stärkt und dabei hilft, das Ideal einer gerechten Nation zu realisieren.“ Dagmar Jestrzemski

„Breaking the silence. Israelische Soldaten Berichten von ihrem Einsatz in den besetzten Gebieten“, Econ Verlag, Berlin 2012, geb., 410 Seiten, 19,99 Euro


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