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01.12.12 / Freie Wähler knicken ein / Bundesvorsitzender attackiert vermeintliche Parteirechte und droht mit Ausschluss

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-12 vom 01. Dezember 2012

Freie Wähler knicken ein
Bundesvorsitzender attackiert vermeintliche Parteirechte und droht mit Ausschluss

„Sachbezogen, unabhängig, bürgernah“ treten die Freien Wählern (FW) als Gegenpart etablierter Parteien auf. Während der geplanten Ausweitung der bisher vor allem in Bayern starken Anti-Partei auf die Bundesebene entzweien sich nun Bundesvorsitz und erfolgreiche regionale Gruppen zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt.

Die „Nymphenburger Gespräche“ im Künstlerhaus München am Mittwoch vergangener Woche gaben dank der Anwesenheit von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und lokaler Größen von Grünen und SPD eine größere Kulisse für Bürgerfragen rund um das Thema „Bayern bunt – na und?“ ab. Es ging laut Programm um „politische Positionen zu Einwanderung, Integration und Willkommenskultur“. Auch der FW-Bundesvorsitzende Hubert Aiwanger stellte sich den Fragen der mehrfach vorgefilterten Bürgerrunde. Auf die allgemeine Frage: „Auf welche Weise grenzen Sie sich gegen rechtspopulistische, insbesonders islamfeindliche Strömungen ab?“ startete der 41-Jährige eine Attacke gegen die eigene Partei: „Ich kann mir vorstellen, die Frage zielt auf die Freien Wähler in Frankfurt ab.“ Die dortige Gruppe, allen voran deren Fraktionsvorsitzender Wolfgang Hübner, ist Aiwanger seit einem kritischen Zwischenruf Hübners zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ ein Dorn im Auge. Nun war nicht mehr dieser Zwischenruf, sondern die Integrationspolitik der Frankfurter Grund für Aiwanger, gegen die dortige Lokalgliederung vorzugehen, wie das Internet-Nachrichtenportal „Blu-News.org“ berichtete. Demnach sagte Aiwanger: „Ich versuche, diese Leute loszuwerden, das sage ich ganz offen.“ Sein Kurs zielt damit auf einen Parteiausschluss Hübners und anderer Mitglieder. Die grundsätzliche Problematik einer solchen Attacke auf gewählte Politiker und deren Meinungsäußerung war Aiwanger laut „Blu-News“ bewusst: „Die SPD hat es nicht geschafft, den Sarrazin auszuschließen.“ Aiwanger kündigte demnach den überwiegend linksliberalen Zuhörern der „Nymphenburger Gespräche“ an: „Ich muss schauen, wie weit ich komme, wenn die sagen: ,Das werde ich wohl sagen dürfen, dass wir hier Probleme mit Einwanderern haben.’ Ich versuche hier zu tun, was ich kann.“

Hübner sagte gegenüber der PAZ: „Das ist bereits die zweite öffentliche Androhung von Herrn Aiwanger. Der Konflikt dauert schon länger an und bezieht sich auf Aiwangers Rolle in der Partei, die Art, wie er einsame Entscheidungen trifft. So täuscht er bisher darüber hinweg, dass bei der Bundespartei nur sehr wenige wirkliche Freie Wähler sind.“ Dennoch habe er Aiwanger „immer für ein Talent gehalten“. Mit Blick auf die Lokalpolitik in Frankfurt sagte Hübner: „Wir haben klare Positionen, die auch bei Wahlen erfolgreich sind, nur werden diese Positionen bei linken Gruppen als rechtspopulistisch verurteilt: Wir sind die einzigen, die in Frankfurt noch das Konzept Integration verteidigen.“ Die besondere Oppositionsstellung der Freien Wähler im dortigen SPD-regierten Rathaus ist Aiwanger demnach entweder nicht bekannt oder sie spielt keine Rolle.

Und so spricht manches für einen Kampf um die künftige Machtverteilung bei den Freien Wählern: Die aus Bayern hervorgetretene Bundesführung um Aiwanger will die in anderen Bundesländern lokal weitaus länger erfolgreichen Gruppierungen zum Kniefall zwingen und schürt so neues Misstrauen. „Wir haben in Frankfurt über Jahre eigenständig gehandelt, das stand auch nie zur Debatte“, so Hübner. Die Mitgliedschaft in der Bundespartei sei hingegen „eine persönliche Sache jedes Einzelnen“, aber Aiwanger habe in Frankfurt kaum Rückhalt.

Aiwanger, einstiger Stipendiat der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung, gelang binnen weniger Jahre ein steiler Aufstieg bei den Freien Wählern. Manchen Parteimitgliedern außerhalb Bayerns ist diese Karriere ebenso suspekt wie die Tatsache, dass Aiwanger sein politisches Handwerk ausgerechnet beim Gegner CSU lernte. Die Frau an seiner Seite, Tanja Schweiger, ist ebenfalls bei den Freien Wählern. Sie leitet den Parteibezirk Oberpfalz und sitzt für die Partei im Bayerischen Landtag. Zeitweise übte sie in der Fraktion das Amt des Parlamentarischen Geschäftsführers aus. Ihr werden parteiintern eher linke Positionen nachgesagt. So bleibt von der politisch-korrekten Vorleistung Aiwangers unabhängig von deren Motiven nur neue Enttäuschung beim Wähler. „Viele verbinden die Freien Wähler mit einer Hoffnung – umso bedauerlicher ist es, wenn so eine Hoffnung wieder zerstört wird“, so Hübner. Bei der anstehenden Niedersachsenwahl befürchtet er „ein Desaster“. Eine Stellungnahme Aiwangers war bis Redaktionsschluss nicht zu bekommen. Sverre Gutschmidt


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