© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-12 vom 01. Dezember 2012

Wait and see?
von Manuel Ruoff

Zumindest wenn wir unseren westlichen Medien folgen, scheint einiges dafür zu sprechen, dass Mohammed Mursis Verfassungserklärung, mit der er sich der Kontrolle anderer Staatsorgane entzieht, der Beginn einer Diktatur ist oder zumindest der Versuch dazu.

Andererseits sollte man vor einem vorschnellen Urteil bedenken, dass der ägyptische Präsident demokratisch legitimiert ist, was man von den Staatsorganen, auf dessen Kosten er jetzt seine Macht erweitert hat, nicht so ohne Weiteres behaupten kann. Doch kann man nach einer Revolution erwarten, dass ein aus diesem Umbruch hervorgegangenes Staatsorgan sich Fesseln von Staatsorganen anlegen lässt, die noch aus der überwundenen Diktatur stammen? Das wird man wohl von keinem Revolutionär erwarten können, nicht einmal von dem demokratischsten.

Mursis Legitimation für seine Machterweiterung endet in dem Moment, wo auch die anderen, nun entmachteten Staatsorgane demokratisch legitimiert sind. Und in der Tat hat Mursi seine Sonderrechte ja auch bis zum Inkrafttreten einer neuen, aus der Revolution hervorgegangenen Verfassung befristet. Dann wird sich zeigen, ob Mursi nur die Reste der Mubarak-Diktatur überwinden oder sich wirklich zum Alleinherrscher aufschwingen will. Insofern könnte man sagen: Wait and see – Abwarten und Tee trinken.

Sollte sich dann aber tatsächlich herausstellen, dass Mursi sich grundsätzlich keiner Kontrolle unterwerfen will, könnte es andererseits für Widerstand vielleicht schon zu spät sein.