28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
01.12.12 / Was nun, Israel? – Gaza und kein Ende!

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-12 vom 01. Dezember 2012

Moment mal!
Was nun, Israel? – Gaza und kein Ende!
von Klaus Rainer Röhl

Die Bombenangriffe auf Gaza und die Raketenangriffe auf israelische Siedlungen sind vorerst eingestellt. Die Waffenruhe, für die der ägyptische Präsident Mohammed Mursi in Verhandlungen mit den Amerikanern gesorgt hat, hält. Solange Mursi es will. Nichts wird nach dem kurzen, unerklärten Krieg mehr so sein wie vorher. Auch das Vorher war so schon schlimm genug für Israel, diesen hochindustrialisierten Streifen Land zwischen Meer und arabischen Nachbarstaaten, am Leben erhalten nur durch massive Hilfe der USA und mehr oder weniger halbherziger Unterstützung durch die Länder der Europäischen Union.

Aber nun? Was nun, Israel? Was nun, nachdem der neue ägyptische Präsident Mursi, der ideologisch und auch tatsächlich von den gleichen Muslimbrüdern herkommt wie die den Gazastreifen beherrschende Hamas – beide übrigens durch freie Wahlen an die Macht gekommen – in der letzten Woche mit einem Bündel neuer Dekrete und Verordnungen überraschte, die darauf hinauslaufen, sich zum Alleinherrscher Ägyptens, zu einer Art neuem Pharao auszurufen: „Alle Verfassungserklärungen, Entscheidungen und Gesetze, die der Präsident erlässt, sind abschließend und können nicht angefochten werden.“ Deutlicher geht es nicht. Allerdings soll dieses Sonderrecht nur bis Mitte 2013 gelten, bis eine neue Verfassung verabschiedet ist und ein neues Parlament gewählt wird. Ein Staatsstreich auf Zeit? Welches Ermächtigungsgesetz kam nicht als vorläufig daher? Was es mit der Verfassungsänderung auf sich hat, wissen die Vertreter praktisch aller säkularer Parteien, der Gewerkschaften und Kirchen in der verfassunggebenden Versammlung ziemlich genau.

Sie protestieren vor allem gegen den Artikel 2 der neuen Verfassung, in der die Scharia als Grundlage des ägyptischen Rechtssystems festgeschrieben werden soll. Das von Islamisten dominierte Plenum bekommt jetzt endgültig freie Hand durch Mursis Dekrete, die vor allem das Verfassungsgericht ausgeschaltet haben, das allein die endgültige Machtübernahme der Muslimbrüder verhindern könnte. Mit Mursi zur Herrschaft der Scharia.

Mit ihm, dessen Sympathien klar auf Seiten seiner muslimischen Brüder im Gazastreifen sind, muss Israel in Zukunft leben. Es wird eng für Israel nach dem kurzen Krieg der letzten Woche. Kriegszustand herrscht seit vielen Jahren im Nahen Osten. Krieg heißt dort immer Krieg gegen Frauen und Kinder. Palästinensische Qassam-Raketen, von westlichen Nachrichtenagenturen der Einfachheit halber meistens Kassam-Raketen genannt (nach einem Partisanenführer der ersten Stunde), die jahrelang in versteck­ten Werkstätten in Heimarbeit mit primitiven Mitteln hergestellt, aber weder in großer Anzahl produziert werden konnten noch in der Lage waren, Ziele in Israel zu treffen. In der letzten Woche wurden sie zum ersten Mal massenhaft auf Israel abgeschossen – als Reaktion auf die Tötung eines Militärbefehlshabers der Hamas durch israelische Drohnen. Zwar wurden fast alle Raketen in Israel von dem vorzüglichen Boden-Luft-Abwehrsystem „Eiserne Kuppel“ in der Luft zerstört, aber einige Geschosse schlugen sogar in der Nähe von Tel Aviv und Jerusalem ein. Jedenfalls gab es eine Woche lang Fliegeralarm und einen Toten. Die Reaktion: Am selben Abend starten israelische Kampfflugzeuge nach Gaza (die Entfernung dorthin beträgt nur Minuten, die meiste Zeit geht für die Vorbereitung der Luft-Boden-Raketen drauf), zerstören einen verdächtigen Wohnblock, den Fernsehsender von Gaza, das Haus der Presse, legen andere sorgfältig ausgewählte militärische Ziele in Schutt und Asche. Die betroffenen Teile der Stadt sehen aus wie Köln oder Hamburg nach einem alliierten Terrorangriff im Zweiten Weltkrieg. 1500 Tote und entsprechend viele Schwerverletzte, darunter, wie immer, Frauen und Kinder. Dutzende Tote, Kinderleichen, Blutlachen, in Großaufnahme gefilmt, Trauerklagen, geballte Fäuste. Von einer bestimmten Zahl von Toten an bringen die westlichen Fernsehensender alles. Wenn es nur Verletzte gibt, nicht unbedingt.

Seit eine der islamistischen Parteien der Palästinenser, die Hamas, selber als Sieger in Gaza regiert, weiß niemand mehr, wie es weitergehen soll. Auch die Europäische Union muss passen, jedenfalls bis zur nächsten israelischen Wahl. Die aber ist im Januar 2013.

Unsere stets dauerengagierten Journalisten, die linksliberalen von der „Süddeutschen“ und der „Zeit“, die linken Chaoten von der „taz“ und die ganz linken vom „Neuen Deutschland“ und der „Jungen Welt“ und die eher ein bisschen Rechten von der „FAZ“, wollen sich hier im Nahen Osten ungern engagieren, keiner möchte sich da die Finger verbrennen – Partei ergreifen. Das hat Gründe. Alle betonen (mit besonderem Nachdruck „gerade wir als Deutsche“) das Existenzrecht Israels. Aber wie ist es mit dem Existenzrecht der Palästinenser? Wer will die gezielten Zerstörungen in Gaza-Stadt, die 1500 Toten rechtfertigen? Also redet man um den heißen Brei herum, redet von Tragödien und furchtbarem Schicksal, statt von der Sache zu reden.

Das fängt damit an, dass niemand offen ausspricht, dass die Palästinenser Heimatvertriebene sind, die nach drei großen, von der arabischen Seite angefangenen und verlorenen Kriegen gegen Israel fast ihr ganzes Land an den Staat der Juden verloren haben. Das, was sie jetzt noch ihr Land nennen, sind mehr oder weniger unfruchtbare Landstriche und Flüchtlingslager, die zu großen Betonstädten ausgewuchert sind. Kleine Ortschaften und Städtchen, die noch die alten biblischen Namen tragen, sind oft genug durch israelische Siedlungen, Industrieanlagen, moderne Tier­farmen und Gewächshäuser unterbrochen. Die Palästinenser, immerhin die früheren Bewohner des Landes, haben nie Gelegenheit bekommen, sich wie unsere Ostpreußen, Pommern oder Sudetendeutschen irgendwo zu integrieren. Warum spricht niemand in unserer so „vielfältigen“ Presselandschaft darüber? Die acht Meter hohe Sperr-Mauer um sämtliche der 36 großen und unzähligen kleinen Siedlungen herumzuführen, bedeutet, dass das geplante selbstständige Palästina in unzählige kleine und kleinste Einzelteile zerstückelt wird, ein von allen Ländern der EU und mehrheitlich von der Uno bereits als unerträglich bezeichneter Zustand.

Angesichts der Änderung des Kräfteverhältnisses im Nahen Osten wird es Zeit, das Verhältnis zwischen Deutschen und Israelis gründlich zu überdenken. Bauen wir den Schutz-Zaun um Israel ab, den wir alle nach 1945 aus achtenswerten Gründen, erschüttert über die jüdischen Opfer der Hitlerdiktatur, errichtet haben und der heute oft nur noch aus gedankenlosem Prosemitismus aufrechterhalten wird. Behandeln wir Israel endlich als das, was es am liebsten sein möchte, als ein normales Land. Einen der wichtigsten Partner Europas. Und als Partner sagen wir ihnen ganz unverblümt die Wahrheit: Israel ist die offene Flanke des Westens gegen den militanten Islamismus, unserem gemeinsamen Gegner. Und ihm nützt die israelische Besatzungspolitik in dem eroberten Land. Sagen wir es rundheraus, dass es auf dem Boden des biblischen Landes heute zwei Völker gibt, die das Recht haben müssen, in zwei Staaten zu leben. Wie es die Vollversammlung der Vereinten Nationen 1947 beschlossen hat.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren