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01.12.12 / Wie das Zeitalter der Kernenergie begann / Vor 70 Jahren löste der Physiker Enrico Fermi im Rahmen des Manhattan-Projekts die erste kontrollierte Kettenreaktion aus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-12 vom 01. Dezember 2012

Wie das Zeitalter der Kernenergie begann
Vor 70 Jahren löste der Physiker Enrico Fermi im Rahmen des Manhattan-Projekts die erste kontrollierte Kettenreaktion aus

Sie gehörte und gehört zu den umstrittensten Themen in der Bundesrepublik Deutsch­land: die Atomkraft. Heftige Proteste, Demonstrationen und politische Streitereien zur Nachhaltigkeit und der Gefahr eines Atomkrieges ziehen sich durch die Geschichte der Republik. Inzwischen ist die Geburtsstunde der Atomkraft schon 70 Jahre her.

Bei der Entdeckung hat man jedoch nicht unbedingt an die weltweiten Folgen gedacht. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg hatten sich US-amerikanische Wissenschaftler mit dem Gebiet der Kernenergie beschäftigt. Während des Krieges kam dann die Angst auf, das Dritte Reich könne größere Fortschritte machen und gewonnene Erkenntnisse über die Kernenergie für kriegsentscheidende Waffen verwenden. Die eigene Forschung wurde also unter dem Namen „Manhatten-Projekt“ intensiviert.

Bereits 1938 war die Kernspaltung von Uran durch Otto Hahn nachgewiesen worden. Auf dieser Feststellung basierend kamen die Wissenschaftler zunächst theoretisch voran. Der Nachweis blieb jedoch der einzige praktische Fortschritt für mehrere Jahre, bis im Sommer 1941 die sehr hohe Explosionskraft des Uranisotops U-235 festgestellt wurde. Die Idee der kontrollierten Kernspaltung und damit einhergehend der Bau einer Atombombe kamen der Realität immer näher. Ein Jahr später rief der Leiter des Manhatten-Projekts, Robert Oppenheimer, den „Forschungssommer“ an der University of California in Berkely ins Leben, in dem sich die wichtigsten Wissenschaftler auf über Wochen andauernden Konferenzen mit den jüngsten Erkenntnissen befassten und das manuelle Starten einer Kettenreaktion zur Basis für die Kontrolle über die Kernspaltung erklärten. Diese war zu jenem Zeitpunkt noch nicht gelungen.

Kurz zuvor fand im Juni 1942 eine formelle Änderung des Atomenergieprojekts in ein Nuklearwaffenprojekt unter der militärischen Leitung Leslie Graves’ statt. Damit dienten die Arbeiten der Wissenschaftler seit diesem Zeitpunkt explizit dem militärischen Zweck. Aus dieser Zeit stammt auch der Name „Manhatten Projekt“ nach dem damaligen Hauptquartier George C. Mar­shalls als Generalstabschef der US Army.

Nach monatelangen Überlegungen gelang es dem aus Italien stammenden Enrico Fermi am 2. Dezember 1942, an der University of Chicago einen Kernreaktor herzustellen und die erste gesteuerte Kettenreaktion auszulösen, als er einen von Leo Szilard theoretisch verfassten Versuch durchführte. Dies war der letzte wichtige Schritt zum Bau einer Atombombe.

Der Beginn der Atombombenherstellung erfolgte kurz darauf geheim in der Wüste von New Mexico bei Los Alamos. Drei Jahre später fand am 6. Juni 1945 die erste erfolgreiche Zündung einer solchen Atombombe unter dem Namen „Trinity-Test“ auf unbewohntem Übungsgelände in New Mexico statt. Dabei entstand eine Sprengkraft, die vergleichbar ist mit der von vielen tausend Tonnen des Sprengstoffs Trinitrotoluol (TNT).

Schon damals war den Forschern also das Vernichtungsausmaß der neuen Nuklearwaffe bekannt. Bei der Art des Einsetzens der Atombombe waren die Meinungen der Physiker gespalten. Es wurde vorgeschlagen, auf unbewohntem Territorium öffentlich zu zünden, um Gegner mit dieser Veranschaulichung der Zerstörungsmacht zur Kapitulation zu zwingen. Der Atombombenabwurf führe außerdem zu einem weltweiten Wettrüsten, hieß es im Franck-Report, dem offiziellen Schreiben der Wissenschaftler, die gegen den Einsatz waren. Trotzdem ordnete der damalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt eine Bombardierung Deutschlands an, sobald die nächste Atombombe fertig sein würde. Da Deutschland aber bereits im Mai 1945 kapitulierte, kam es als Ziel nicht mehr infrage. Die beiden Bomben „Little Boy“ und „Fat Man“ trafen wenig später am 6. und 9. August die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki mit der zweifelhaften Begründung, keine weiteren US-Soldaten opfern zu wollen. Sie richteten unvergleichlichen Schaden mit Tausenden von Toten an. Japan kapitulierte daraufhin am 2. September.

Seitdem gab es keine kriegerischen Einsätze von Atombomben mehr, das Wettrüsten begann jedoch wie prophezeit. Albert Einstein äußerte sich kritisch: „Der Mensch erfand die Atombombe, doch keine Maus der Welt würde eine Mausefalle konstruieren.“

Nach dem Krieg wurde die Atomforschung auf die günstige Stromgewinnung fokussiert, Atomkraftwerke wurden reihenweise aus dem Boden gestampft. Auch wenn seit beinahe 70 Jahren weltweit keine nuklearen Angriffe erfolgten, so kostete die Kernenergie dennoch Tausende Leben und Gesundheit durch die Explosion von Atomkraftwerken wie jenen in Tschernobyl 1986 oder in Fukushima erst vergangenes Jahr. Atomkraftgegner werden nicht müde zu protestieren, aber eine ähnlich effektive Stromversorgung allein durch erneuerbare Energien ist nicht abzusehen.

Mit der Nutzung der Kernenergie wurde viel Zerstörung über die Welt gebracht, andererseits die Stromversorgung weltweit vereinfacht. Vor allen Dingen wurde ein Streitthema ins Leben gerufen, das jetzt seit 70 Jahren besteht und uns wohl noch weiterhin jahrzehntelang beschäftigen wird. Dass sich die Physiker des Manhatten-Projektes darüber im Klaren waren, bleibt zweifelhaft. Melinda Heitmann


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