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08.12.12 / »Die meisten sind so faul wie ich« / Prozessauftakt im Fall des Ex-Europaabgeordneten Strasser wegen Bestechlichkeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-12 vom 08. Dezember 2012

»Die meisten sind so faul wie ich«
Prozessauftakt im Fall des Ex-Europaabgeordneten Strasser wegen Bestechlichkeit

Mit dem früheren österreichischen Europaabgeordneten Ernst Strasser (ÖVP) steht nun der erste Beschuldigte im so genannten Lobbygate-Skandal vor Gericht. Gegen Zahlung von 100000 Euro im Jahr soll der Ex-Innenminister Österreichs bereit gewesen sein, die EU-Gesetzgebung im Sinne seiner Auftraggeber zu beeinflussen, so der Vorwurf.

„Die meisten Parlamentarier sind so faul wie ich.“ Es sind derartig freimütige Einlassungen, welche die heimlich gemachten Videoaufnahmen zweier Journalisten der „Sunday Times“ zu einem Lehrstück in Sachen EU-Parlament machen. Als vorgebliche Repräsentanten eines Londoner Beratungsunternehmens hatten die Journalisten im Jahr 2009 60 EU-Parlamentariern lukrative Beraterverträge angeboten: Geld im Gegenzug dafür, dass sich die Parlamentarier für Gesetzesänderungen einsetzen. Immerhin 14 Abgeordnete zeigten am Angebot ein generelles Interesse, von denen drei so weit aktiv wurden, dass Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit die Folge waren.

Drei Jahre nach den heimlich gefilmten Verhandlungen zwischen den vermeintlichen Lobbyisten und Strasser wird nun in Wien gegen ihn verhandelt. Dank der vorliegenden Videoaufnahmen sind die brisanten Details der Treffen nicht wegzudiskutieren. Gegen Zahlung von 100000 Euro jährlich hatte Strasser seine Bereitschaft erklärt, die Gesetzgebung im Europäischen Parlament zu beeinflussen. Einigermaßen überraschend ist sein Erklärungversuch: Er haben den Verdacht gehabt, dass ein Geheimdienst ihn in eine Falle locken wolle, seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit sei nichts anderes als der Versuch gewesen, Beweise für die Machenschaften gegen ihn zu sichern, so Strasser. Nicht ganz in die Verteidigungsstrategie scheint freilich zu passen, dass Strasser tatsächlich aktiv geworden ist. Konkret kann sich etwa der EU-Abgeordnete Karl-Heinz Florenz erinnern, dass Strasser versucht habe, eine Richtlinie für Elektroschrott zu Lasten der Verbraucher zu verwässern. Dass er mit seinem Verdacht einer Geheimdienstfalle nicht zur Polizei ging, wird vom Ex-Innenminister Strasser mit schlichtem Zeitmangel begründet: Er sei hauptsächlich in Brüssel gewesen, einen Kontakt zu den österreichischen Behörden habe er zwar geplant, er sei aber nicht mehr dazu gekommen.

Unabhängig davon, wie das Gericht am Ende diese Erklärungsversuche bewerten wird, die aufgezeichneten Gespräche Strassers mit den vermeintlichen Lobbyisten geben tiefe Einblicke in die Institution EU. Aufschlussreich ist etwa Strassers Einschätzung der Machtfülle des EU-Binnenmarktkommissars Michel Barnier: „Ich glaube, niemand außer dem Papst und einigen anderen können mit dem sprechen.“ Strasser war nicht der einzige, der den Journalisten mit ihrem Lockangebot in die Falle ging. Außer ihm sehen sich noch der Slowene Zoran Thaler und der Rumäne Adrian Severin - beide von der sozialdemokratischen EU-Fraktion – dem Vorwurf der Bestechlichkeit ausgesetzt. Während gegen Strasser bereits ein Prozess läuft, wird in Slowenien immer noch gegen Thaler ermittelt. Nicht viel besser sieht es im Fall Severin aus. Auch gegen ihn laufen immer noch die Ermittlungen, obwohl bei ihm die Beweislage wohl am eindeutigsten ist. Der Ex-Außenminister Rumäniens hatte einen von den angeblichen Lobbyisten bestellten Änderungsantrag nicht nur im EU-Parlament eingebracht, sondern auch noch prompt die Überweisung von vereinbarten 12000 Euro eingefordert. Selbst nachdem die Journalisten ihre wahre Identität aufgedeckt hatten, war sich Severin nicht bewußt, etwas Illegales getan zu haben: Bis heute ist er Abgeordneter im EU-Parlament. Damit nicht genug: Gegen Severin – der im Jahr 2009 sogar ernsthafte Chancen hatte, statt Catherine Asthon EU-Außenbeauftragter zu werden – ist im vergangenen Jahr sogar noch ein zweites Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Mit Hilfe von fingierten Rechnungen soll er über 400000 Euro an EU-Fördergeldern kassiert haben. Ihm wird vorgeworfen, zwischen 2007 und 2010 mit gefälschten Belegen angeblich erbrachte Beratungsleistungen der EU in Rechnung gestellt zu haben. Norman Hanert


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