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08.12.12 / »Vater« des Soldatenkönigs / Starb vor 70 Jahren: Jochen Klepper setzte Friedrich Wilhelm I. ein literarisches Denkmal

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-12 vom 08. Dezember 2012

»Vater« des Soldatenkönigs
Starb vor 70 Jahren: Jochen Klepper setzte Friedrich Wilhelm I. ein literarisches Denkmal

Es war der gnadenlose Rassenwahn der NS-Zeit, der den Schriftsteller Jochen Klepper vor 70 Jahren am 11. Dezember 1942 in den Tod trieb. Der Autor des Romans „Der Vater“ über den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. war da noch keine 40 Jahre alt. Geboren am

22. März 1903 in Beuthen an der Oder als Sohn eines Pfarrers nahm er nach abgebrochenem Theologiestudium in Breslau eine redaktionelle Tätigkeit auf. 1931 heiratete er die Witwe Hanni Stein, die zwei Töchter mit in die Ehe brachte. Im selben Jahr siedelte die Familie nach Berlin über, wo Klepper ein Jahr später eine Stelle in der Hörspielabteilung des Berliner Funkhauses erhielt.

Da seine Frau Jüdin ist, wird er jedoch nach Hitlers Machtantritt im Juni 1933 wieder entlassen. Etwa zur gleichen Zeit erscheint mit „Der Kahn der fröhlichen Leute“ sein erster Roman. Schon bald setzt sich bei Klepper das Thema für einen neuen Roman fest: die dichterische Gestaltung Friedrich Wilhelms I. unter dem knappen, aber beziehungsreichen Titel „Der Vater“. Das Werk ist Biografie und Roman zugleich. Kleppers Darstellung des vielfach verkannten Preußenkönigs beruht auf profunder historischer Kenntnis. Der Autor ist bemüht, durch einfühlsame, emphatische Porträtierung dem Leser einen neuen Zugang zu der ambivalenten Persönlichkeit Fried­rich Wilhelms zu verschaffen.

Klepper schildert ihn als einen Menschen, der nicht ohne Grund „Soldatenkönig“ genannt wurde und der doch einer der friedliebendsten Potentaten seiner Zeit war, da er sich fürchtete, seine mächtige Armee in einen vor Gott nicht verantwortbaren Angriffskrieg einzusetzen. Und der entgegen der damals üblichen prunkhaften Hofhaltung anderer absolutistischer Herrscher in äußerster Schlichtheit sein Leben ausrichtete; der bei seiner patriarchalischen Regierungsweise mit rigoroser Strenge seinen Willen durchsetze und doch in erster Linie nur seinem Land zu wirtschaftlicher Prosperität und zu einer von anderen kriegsbereiten Mächten respektierten Machtstellung verhelfen wollte; der bei aller Entschiedenheit seines Glaubens den verschiedenen Bekenntnissen gegenüber die größte Toleranz walten ließ; der sich im tiefen Bewusstsein eigener Sündhaftigkeit nur ganz allein auf Gottes Gnade zurückgeworfen sah und oft über Gottes Willen für sein Leben und die Verwaltung seines Königamtes grübelte; der – von seinen Zeitgenossen, ja von seiner eigenen Familie un- und missverstanden – sich unendlich einsam fühlte und sich doch nach Liebe und Verständnis so sehnte.

Das alles muss der selbst tief gläubige Klepper, der nach Martin Luther und Paul Gerhardt in evange­lischen Gesangsbüchern als dritt­häufigster Autor geistlicher Lieder vertreten ist, an dieser Gestalt fasziniert haben. Doch es kam wohl noch ein weiteres Motiv für die romanhafte Entfaltung seiner Königsbiographie hinzu. Gemeint ist die Darstellung des konfliktgeladenen Verhältnisses zweier unterschiedlich empfindender und veranlagter Menschen: auf der einen Seite der „Vater“ Fried­rich Wilhelm I. und auf der anderen der Sohn Fritz, der nachmalige König Friedrich II. von Preußen. Man kann davon ausgehen, dass Klepper über das Schreiben des „Vater“-Romans das in seiner eigenen Biografie stattgefundene Konfliktverhältnis zu seinem eigenen Vater, der sich mit ihm überworfen hatte, literarisch verarbeiten wollte.

Das Vatermotiv hatte aber noch in einer anderen Hinsicht eine sehr prägende Bedeutung für Klepper: Das Bild von Gott als einem gu­ten, fürsorglichen, aber gestrengen Vater hatte er tief verinnerlicht.

Die Nachfrage nach dem Anfang 1937 herausgekommenen opulenten Werk war ungeheuerlich. Der – keineswegs nationalsozialistisch orientierte – Roman war seinerzeit, so der Literaturhistoriker Ernst Alker, „das große literarische Ereignis in der Zeit des Dritten Reiches“. Man sah in dem Buch „einen patriotischen Protest, der dem entfesselten Unrechtsstaat den Ordnungs- und Gerechtigkeitswillen Altpreußens gegenüberstellte. Man verstand es als entschiedenes Bekenntnis zu protestantisch-kirchlicher Gläubigkeit“.

Einen Monat nach Erscheinen des Buches wird Klepper wegen seiner „nichtarischen“ Ehe die Mitgliedschaft in der Reichsschrifttumskammer entzogen. Auf Grund einer Sondergenehmigung darf er jedoch weiter schreiben. Und auch sein „Vater“-Roman wird weiterhin verlegt. Denn der nationalsozialistische Staat stand dem Werk durchaus positiv gegenüber und sah es nicht ungern, dass es von auffallend vielen Offizieren und Soldaten gelesen wurde.

Gleichwohl nahmen für Jochen Klepper und die Seinen die Bedrängnisse im Verlauf der nächsten Jahre immer mehr zu. Zwar sollte der älteren Stieftochter Brigitte die Emigration nach England im Mai 1939 soeben noch glücken. Doch alle Versuche, auch noch für ihre Schwester Renate die Emigration zu erwirken, scheitern. Überdies gibt man Klepper zu verstehen, dass zukünftig auch seine Frau nicht mehr durch die Ehe mit ihm geschützt sei. Da somit die Deportation der beiden Frauen nur noch eine Frage der Zeit ist, entschließen sich die Drei zu einer Verzweiflungstat: Am 11. Dezember 1942 findet die Hausgehilfin sie leblos in der Wohnung, bei aufgedrehtem Gashahn.

Die Familie Klepper wurde auf dem Berliner Friedhof Nikolassee beigesetzt. Das Tagebuch Kleppers, in dem die Geschehnisse seines Lebens von 1933 an bis zu seinen letzten Tagen gewissenhaft und reflektierend niedergelegt sind, erschien postum unter dem Titel „Unter dem Schatten deiner Flügel“ erstmalig 1956 und hat seitdem viele Leser tief bewegt.Matthias Hilbert


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